Syphilis – Einleitung
Syphilis, auch bekannt als Lues oder "harter Schanker", ist eine sexuell übertragbare Infektionskrankheit (engl. STD - sexually transmitted disease, bzw. STI - sexually transmitted infection). Die Erkrankung wird durch das Bakterium Treponema pallidum, eine Art der Spirochäten, verursacht. Syphilis verläuft typischerweise in mehreren Stadien und kann unbehandelt zu schweren systemischen Komplikationen führen.
Synonyme und ICD 10: Gumma; Harter Schanker; Konnataler Syphilis; Lues; Neurosyphilis; Progressive Parese; Schaudinn-Krankheit; Spätsyphilis; Syphilis (Lues); Treponema pallidum; Treponemeninfektion; Ulcus durum; ICD-10-GM A52.-: Spätsyphilis; ICD-10-GM A51.-: Frühsyphilis; ICD-10-GM A53.9: Syphilis, nicht näher bezeichnet; ICD-10-GM A50.-: Syphilis connata
Charakteristische Laborbefunde
- Treponemale Tests: Diese Tests sind spezifisch für Treponema pallidum und bleiben in der Regel lebenslang positiv, auch nach erfolgreicher Therapie.
- TPHA (Treponema pallidum Hämagglutinationstest): Ein häufiger Test, der spezifische Antikörper gegen Treponema pallidum nachweist.
- FTA-ABS (Fluorescent Treponemal Antibody Absorption Test): Ein hochsensitiver Test, der Antikörper gegen Treponema pallidum nachweist und häufig zur Bestätigung einer Syphilisdiagnose verwendet wird.
- TPPA (Treponema pallidum Particle Agglutination): Ein weiterer spezifischer Test zum Nachweis von Antikörpern gegen Treponema pallidum.
- Nicht-treponemale Tests: Diese Tests sind weniger spezifisch und können auch bei anderen Erkrankungen positiv sein. Sie eignen sich gut zur Überwachung des Therapieerfolgs, da die Antikörpertiter nach erfolgreicher Behandlung sinken.
- RPR (Rapid Plasma Reagin): Ein Test, der unspezifische Antikörper nachweist, die bei einer Syphilisinfektion gebildet werden. Der RPR-Titer korreliert mit der Krankheitsaktivität und kann zur Verlaufsbeobachtung und Therapiekontrolle verwendet werden.
- VDRL (Venereal Disease Research Laboratory Test): Ähnlich wie der RPR-Test, wird dieser Test oft zur Diagnose und Überwachung der Behandlung eingesetzt.
- Dunkelfeldmikroskopie: Diese Methode wird verwendet, um Treponema pallidum direkt in Flüssigkeitsproben aus Primär- oder Sekundärläsionen nachzuweisen. Sie ist besonders in den frühen Stadien der Erkrankung nützlich.
- PCR (Polymerase-Kettenreaktion): Der Nachweis der bakteriellen DNA von Treponema pallidum mittels PCR kann besonders in den frühen Stadien der Syphilis oder bei Verdacht auf eine kongenitale Syphilis nützlich sein. Die PCR bietet eine hohe Sensitivität und Spezifität.
- Liquoruntersuchung (bei Verdacht auf Neurosyphilis)
- Zellzahl: Erhöhte Zellzahlen (Pleozytose) im Liquor deuten auf eine entzündliche Reaktion hin.
- Protein: Ein erhöhter Proteingehalt kann auf eine Barrierefunktionsstörung im Rahmen der Neurosyphilis hinweisen.
- Spezifische Antikörpertests: Nachweis von intrathekalen (im Liquor gebildeten) Antikörpern gegen Treponema pallidum.
Formen der Syphilis
Die erworbene Syphilis wird nach dem Krankheitsverlauf in vier Stadien eingeteilt:
- Primärstadium: Ca. drei Wochen nach der Infektion entsteht das Ulcus durum (eine schmerzlose Verhärtung, die geschwürig zerfällt) an der Eintrittsstelle (sogenannter Primäraffekt); die lokalen Lymphknoten schwellen ebenfalls schmerzlos an (sogenannter Primärkomplex); diese Symptome bilden sich nach 4-6 Wochen auch ohne Therapie zurück.
- Sekundärstadium: Wurde das Primärstadium nicht behandelt, so schreitet die Infektion weiter und macht vielfältige Symptome (Allgemeinsymptome und Hauterscheinungen/kleinfleckiges Exanthem am Körperstamm und an den proximalen Anteilen der Extremitäten; Enanthem: auf den Schleimhäuten befinden sich infektiöse rötliche Papeln (Bläschen/Knötchen; Plaques muqueses); im Bereich des Zungenrückens findet man Plaques lisses); unbehandelt klingen auch diese Beschwerden wieder ab und münden dann nach Monaten oder Jahren (= Latenz) im nachfolgenden Stadium.
- Tertiärstadium (Jahre nach der Erstinfektion): In diesem Stadium hat sich der Erreger in allen Organen manifestiert, eine Gefahr besteht vor allem in der Beteiligung des zentralen Nervensystems.
- Quartärstadium: Progressive (fortschreitende) Paralyse (Erscheinungsform der Neurosyphilis, die als Psychose mit neurologischen Ausfällen verläuft) und die Tabes dorsalis (Entmarkungsprozess des Hinterstrangs und der dorsalen Nervenwurzeln der Spinalnerven; dieses führt zu Störungen des Stellungssinns, Bewegungssinns und des Vibrationsempfindens).
Symptomfreie Phasen werden als Latenz bezeichnet. In Abhängigkeit von der seit der Infektion vergangenen Zeitspanne wird zwischen Früh- und Spätlatenz unterschieden.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im Alter zwischen 20 und 50 Jahren auf, wobei Frauen sich eher im jüngeren Alter (25-29 Jahre) und Männer meist im Alter zwischen 30-39 Jahren anstecken.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Syphilis ist die weltweit am dritthäufigsten sexuell übertragbare Erkrankung (STI; engl. sexually transmitted infections; STD, sexually transmitted diseases).
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Bei Männern liegt die Inzidenz nach einem deutlichen Rückgang in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts bei 11,5-13,5 pro 100.000 Einwohner pro Jahr, ähnlich hoch wie vor Beginn der AIDS-Ära. Bei Frauen ist die Inzidenz seit den 1990er-Jahren unter 1 pro 100.000 geblieben. Bei Männern, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)), ist die Prävalenz 15-mal höher als bei anderen Männern [1]. Die Anzahl bestätigter Syphilisfälle hat in den vergangenen Jahren zugenommen.
Infektionsserologie
Erreger: Treponema pallidum, ein gramnegatives, spiralförmiges Bakterium, das die Ursache der Syphilis ist. Es ist schwer zu kultivieren und auf spezifische diagnostische Tests angewiesen.
Erregerreservoir: Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir für Treponema pallidum. Es gibt keine tierischen oder anderen Umweltreservoire, die den Erreger beherbergen könnten.
Vorkommen: Syphilis tritt weltweit auf. Die Prävalenz ist regional unterschiedlich, mit einer höheren Häufigkeit in Gebieten mit eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung. In einigen Bevölkerungsgruppen, insbesondere bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und bei Personen mit mehreren Sexualpartnern, ist ein Anstieg der Fälle zu verzeichnen.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch direkten Kontakt mit infektiösem Material während sexueller Aktivitäten, einschließlich genitoanalen und oralen Kontakten. Seltener erfolgt die Übertragung über kontaminiertes Blut oder durch den gemeinsamen Gebrauch von Nadeln. Die kongenitale Syphilis (Syphilis connata) wird während der Schwangerschaft von der infizierten Mutter auf das ungeborene Kind übertragen.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Syphilis ist in den frühen Stadien (Primär- und Sekundärstadium) sowie in der frühen Latenzphase (bis zu einem Jahr nach der Infektion) hoch ansteckend. In diesen Phasen ist die Erregermenge in den Läsionen und Körperflüssigkeiten am höchsten.
Übertragungsweg: Die Übertragung erfolgt primär über den direkten Schleimhautkontakt (genitoanal, oral) mit infektiösen Läsionen oder über kontaminiertes Blut. Eine Übertragung während der Schwangerschaft (intrauterin) ist ebenfalls möglich.
Eintrittspforte: Typische Eintrittspforten sind die Schleimhäute des Genitaltrakts, der Mundhöhle und des Rektums. Seltener erfolgt die Übertragung über Hautläsionen.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 10 Tage bis 3 Monate, wobei die ersten Symptome im Durchschnitt etwa nach 3 Wochen auftreten.
Krankheitsdauer: Ohne Behandlung kann die Syphilis über viele Jahre bestehen bleiben und sich in mehrere klinische Stadien entwickeln, die zu schwerwiegenden systemischen Komplikationen führen können.
Dauer der Infektiosität: Die höchste Infektiosität besteht im Primär- und Sekundärstadium sowie während der Frühlatenz (bis etwa ein Jahr nach der Infektion). In späteren Stadien nimmt die Ansteckungsfähigkeit ab, bleibt jedoch in bestimmten Fällen vorhanden.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Die Seroprävalenz variiert je nach Region und Risikogruppe stark. Sie ist in Hochrisikogruppen und in Regionen mit geringer Gesundheitsversorgung signifikant höher.
Erregerspezifische Immunität: Nach einer Infektion entwickelt sich keine vollständige Immunität, was bedeutet, dass Reinfektionen trotz erfolgreicher Behandlung möglich sind.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Die Syphilis verläuft in vier Stadien (siehe oben).
- Im Primär- und Sekundärstadium bestehen Symptome, die bei adäquater Therapie vollständig abheilen können.
- Ohne Behandlung schreitet die Erkrankung weiter und kann das Tertiär- und Quartärstadium erreichen, in denen irreversible Schäden an Organen, insbesondere dem zentralen Nervensystem, auftreten können.
- Symptomfreie Phasen (Latenz) können mehrere Jahre dauern.
Prognose
- Frühzeitige Diagnose und Therapie: Mittels rechtzeitiger und adäquater Therapie (Antibiotikagabe, meist Penicillin) heilt die Erkrankung erfolgreich aus.
- Unbehandelte Fälle: Ohne Therapie kann die Syphilis zu schweren Komplikationen und langfristigen gesundheitlichen Schäden führen. Die Spätstadien der Syphilis (Tertiär- und Quartärstadium) sind mit hoher Morbidität und Mortalität verbunden.
- Koinfektion mit HIV: Ca. die Hälfte der Syphilis-Patienten weist gleichzeitig eine HIV-Koinfektion (Doppelinfektion) auf, was die Prognose verschlechtert.
- Prävention und Partnerbehandlung: Eine Diagnostik und ggf. Therapie der Sexualpartner und -partnerinnen sollte durchgeführt werden, um eine Reinfektion und weitere Verbreitung zu verhindern.
Eine Schutzimpfung gegen Syphilis steht bislang nicht zur Verfügung.
In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen.
Literatur
- Tsuboi M et al.: Prevalence of syphilis among men who have sex with men: a global systematic review and meta-analysis from 2000-20. Lancet Global Health July 08, 2021 doi:https://doi.org/10.1016/S2214-109X(21)00221-7
Leitlinien
- Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
- WHO Guidelines for the Treatment of Treponema pallidum (syphilis). ISBN 978 92 4 154980 6 (NLM classification: WC 170) © World Health Organization 2016
- S2k-Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. (AWMF-Registernummer: 059 - 006), August 2018 Langfassung
- S1-Leitlinie: Neurosyphilis. (AWMF-Registernummer: 030 - 101), Mai 2020 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Syphilis. (AWMF-Registernummer: 059-002), Juni 2021 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung