Scharlach (Scarlatina) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Scharlach (Scarlatina) wird durch das Bakterium Streptococcus pyogenes verursacht, das zur Gruppe der ß-hämolysierenden Streptokokken (Bakterien, die rote Blutkörperchen zerstören) der Serogruppe A gehört. Diese Bakterien sind grampositive (färben sich in der Gramfärbung blau) kokkenförmige (kugelförmige) Bakterien, die oft in Ketten angeordnet sind.
  • Genom: Streptococcus pyogenes besitzt ein ringförmiges, doppelsträngiges DNA-Genom, das Gene für verschiedene Virulenzfaktoren (Moleküle, die die Krankheitserreger aggressiver machen) und Toxine kodiert.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Streptococcus pyogenes wird durch eine Vielzahl von Faktoren vermittelt, darunter:
    • Exotoxine (Superantigene), die das Immunsystem überstimulieren und das typische Scharlach-Exanthem (Hautausschlag) verursachen,
    • M-Proteine, die die Phagozytose (Aufnahme und Zerstörung von Krankheitserregern durch Immunzellen) hemmen,
    • Streptolysine, die Zellen zerstören.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Scharlach tritt weltweit auf, insbesondere bei Kindern im Vorschul- und Schulalter. Die Infektionshäufigkeit ist in den Wintermonaten erhöht.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Scharlach wird primär durch Tröpfcheninfektion (Aerosole beim Husten, Niesen oder Sprechen) übertragen.
    • Eine Ansteckung erfolgt über den direkten Kontakt mit infizierten Sekreten der oberen Atemwege.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Kontaktinfektion (Berührung von kontaminierten Oberflächen) ist ebenfalls möglich, allerdings weniger häufig.
    • Lebensmittelübertragungen durch kontaminierte Nahrungsmittel, insbesondere Milchprodukte, sind selten, aber möglich.
  • Reservoir: Hauptreservoir sind infizierte Menschen (insbesondere asymptomatische Träger), die das Bakterium über die Atemwege verbreiten.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen, da schon geringe Mengen an Erregern zur Übertragung ausreichen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Das Bakterium dringt über die Schleimhäute der oberen Atemwege (z. B. Rachen und Nasenraum) in den Körper ein.
  • Nebeneintrittspforten:
    • Verletzungen der Haut (Hautläsionen) können ebenfalls als Eintrittspforten dienen, insbesondere bei sekundären Hautinfektionen.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen und Kolonisation der oberen Atemwege:
    • Nach der Übertragung durch Tröpfchen gelangen die Streptokokken in die Schleimhäute der oberen Atemwege, wo sie sich an die Epithelzellen (Oberflächenzellen der Schleimhaut) anheften.
    • Hierbei helfen Adhäsionsmoleküle, wie das M-Protein, das die Bakterien vor der Phagozytose (Aufnahme und Zerstörung durch Immunzellen) schützt.
  2. Vermehrung und Toxinproduktion:
    • Die Bakterien beginnen sich in den Schleimhäuten zu vermehren und setzen Exotoxine (Superantigene) frei, die eine übermäßige Immunantwort hervorrufen.
    • Diese Toxine sind verantwortlich für das Scharlach-typische Exanthem (roter Hautausschlag) und weitere systemische Symptome.
  3. Auslösung der systemischen Entzündung:
    • Die Superantigene stimulieren eine massive Freisetzung von Zytokinen (Botenstoffe, die die Immunreaktion verstärken), was zu einer systemischen Entzündung führt.
    • Diese Entzündungsreaktion betrifft neben den Schleimhäuten auch die Haut, wodurch das charakteristische feinfleckige, rote Exanthem entsteht.
  4. Befall der Haut und Entstehung des Exanthems:
    • Das freigesetzte pyrogene Exotoxin (ein Fieber verursachendes Gift) bindet an T-Lymphozyten (Immunzellen) und führt zur massiven Ausschüttung von Zytokinen, was eine Entzündung der Haut verursacht.
    • Das Exanthem tritt typischerweise zunächst im Gesicht auf, bevor es sich über den gesamten Körper ausbreitet, besonders an den Beugeseiten der Gelenke und im Rumpfbereich.
  5. Entzündung des Rachens und Tonsillen (Mandeln):
    • Neben der Haut betrifft die Infektion auch den Rachen und die Tonsillen, was zu einer Pharyngitis (Rachenentzündung) und einer Tonsillitis (Mandelentzündung) führt.
    • Typisch sind schmerzhafte Schluckbeschwerden und eine Rötung des Rachens mit eitrigen Belägen auf den Mandeln.
  6. Immunevasion und mögliche Komplikationen:
    • Die Bakterien entgehen der Immunabwehr durch die Produktion von M-Proteinen, die die Phagozytose hemmen.
    • In schweren Fällen können die Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und eine Sepsis (Blutvergiftung) oder eine rheumatische Fiebererkrankung auslösen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Infektion der oberen Atemwege aktiviert die angeborene Immunantwort, wobei Makrophagen und neutrophile Granulozyten (Immunzellen) die befallenen Zellen angreifen.
    • Die Exotoxine wirken als Superantigene, die eine übermäßige Aktivierung der T-Lymphozyten (Immunzellen) auslösen und zu einer massiven Freisetzung von Zytokinen führen.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort wird durch die Aktivierung von B- und T-Lymphozyten ausgelöst, was zur Bildung von spezifischen Antikörpern gegen die Toxine und M-Proteine führt.
    • In seltenen Fällen kann es zu einer Autoimmunreaktion kommen, die zu Komplikationen wie dem rheumatischen Fieber oder der Glomerulonephritis (Nierenentzündung) führen kann.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane:
    • Hauptzielorgane sind die Schleimhäute der oberen Atemwege (Rachen und Mandeln) und die Haut.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Freisetzung der Exotoxine verursacht eine systemische Entzündungsreaktion, die zu einem charakteristischen Hautausschlag führt.
    • Bei schweren Verläufen können Schäden an den Herzklappen (rheumatisches Fieber) und den Nieren (Glomerulonephritis) entstehen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Plötzliches Fieber, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Kopfschmerzen und Übelkeit sind typische frühe Symptome.
    • Das Exanthem beginnt meist im Gesicht (mit Aussparung der Mundpartie, das sogenannte "Himbeerzunge") und breitet sich auf den Körper aus.
    • Die Zunge wird typischerweise rot und geschwollen, was als Himbeerzunge bezeichnet wird.
  • Komplikationen:
    • Rheumatisches Fieber (Entzündung der Gelenke, Herzklappen und des Zentralnervensystems),
    • Akute Glomerulonephritis (Nierenerkrankung),
    • Ohrinfektionen, Abszesse und Sepsis.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Scharlach (Scarlatina) ist eine durch Streptococcus pyogenes verursachte Infektionskrankheit, die vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch eine akute Entzündung der Atemwege und ein charakteristisches Exanthem (Hautausschlag), das durch die Freisetzung von Exotoxinen verursacht wird. Eine frühzeitige antibiotische Behandlung kann schwerwiegende Komplikationen wie rheumatisches Fieber und Glomerulonephritis verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontakt zu erkrankten Personen