Rückfallfieber – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Rückfallfieber wird durch Bakterien der Gattung Borrelia verursacht, die zur Familie der Spirochaetaceae gehören. Die beiden Hauptformen des Rückfallfiebers sind:
- Epidemisches Rückfallfieber: Wird durch Borrelia recurrentis verursacht. Dieser Erreger wird primär durch den Stich der Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis) übertragen.
- Endemisches Rückfallfieber: Wird durch mehrere Borrelienarten wie Borrelia duttonii, Borrelia hispanica, Borrelia latyschewii, Borrelia persica und Borrelia mazottii verursacht. Die Übertragung erfolgt durch den Stich von Weichzecken der Gattung Ornithodoros.
- Genom: Die Borrelien besitzen ein komplexes, lineares DNA-Genom mit mehreren Plasmiden, die zahlreiche Gene für die Expression von Oberflächenproteinen und für die Antigenvariation (Veränderung der äußeren Erkennungsmerkmale) enthalten. Diese Fähigkeit zur Antigenvariation ist zentral für die Pathogenese und ermöglicht es den Bakterien, dem Immunsystem des Wirts zu entgehen und wiederkehrende Fieberschübe auszulösen.
- Virulenz: Die Virulenz von Borrelia-Spezies wird durch verschiedene Mechanismen vermittelt:Beweglichkeit: Die spiralige Form der Borrelien und das Vorhandensein von Endoflagellen (internen Geißeln) ermöglichen eine aktive Motilität (Bewegungsfähigkeit) in viskosen (zähen) Flüssigkeiten wie Blut und Geweben.
- Antigenvariation: Borrelien sind in der Lage, ihre Oberflächenantigene (v.a. das Variable Major Protein, VMP) zu wechseln, wodurch sie wiederholte Immunantworten umgehen und multiple Fieberschübe verursachen.
- Adhäsionsfaktoren: Borrelien besitzen Adhäsionsmoleküle, die es ihnen ermöglichen, an Endothelzellen (Zellen der Gefäßinnenwände) zu binden und in verschiedene Gewebe einzudringen.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Rückfallfieber tritt weltweit auf, ist aber in tropischen und subtropischen Regionen besonders verbreitet. Das Läuserückfallfieber ist historisch für große Epidemien verantwortlich, während das Zeckenrückfallfieber vor allem in endemischen Gebieten vorkommt.
- Hauptübertragungsweg:
- Läuserückfallfieber: Die Übertragung erfolgt durch den Stich der Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis). Infizierte Läuse übertragen den Erreger nicht direkt über den Speichel, sondern durch kontaminierten Kot, der in Hautläsionen (Hautverletzungen) oder Schleimhäute eindringt.
- Zeckenrückfallfieber: Die Übertragung erfolgt durch den Biss von Weichzecken der Gattung Ornithodoros. Der Erreger wird dabei über den Speichel der Zecke direkt in die Blutbahn injiziert.
- Weitere Übertragungswege: Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist sehr selten und erfolgt nur bei direktem Kontakt mit infiziertem Blut.
- Reservoir: Das Reservoir für Borrelia recurrentis sind ausschließlich infizierte Menschen, während die Erreger des Zeckenrückfallfiebers auch in Wildtieren (z. B. Nagetiere) vorkommen.
- Infektiosität: Besonders hoch ist die Infektiosität des Läuserückfallfiebers, da bereits wenige Borrelien zur Auslösung der Erkrankung ausreichen.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Der Eintritt erfolgt über die Haut bei Kontakt mit kontaminiertem Läusekot oder durch den Stich von Weichzecken.
- Nebeneintrittspforten: In seltenen Fällen können Borrelien durch Schleimhautkontakt (z. B. bei der Schlachtung von Tieren) in den Körper gelangen.
Pathogenese des Erregers
- Eintritt und systemische Verbreitung: Nach der Übertragung gelangen die Borrelien in die Blutbahn und lösen eine initiale Bakteriämie (Vorhandensein von Bakterien im Blut) aus. Diese erste Bakteriämie führt zur Vermehrung der Borrelien und zur Besiedlung verschiedener Organe, insbesondere der Leber, Milz und des zentralen Nervensystems (ZNS).
- Vermehrung und Immunreaktion: Die Borrelien vermehren sich im Blut und induzieren eine starke Immunantwort, die durch die Produktion von Interleukin-1 (IL-1), Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und andere proinflammatorische Zytokine gekennzeichnet ist. Diese Immunantwort verursacht die hohen Fieberschübe und Entzündungsreaktionen in verschiedenen Organen.
- Antigenvariation und erneute Bakteriämie: Durch die Fähigkeit zur Antigenvariation (Veränderung der Oberflächenantigene) entkommen die Borrelien der Immunüberwachung. Sobald die Immunantwort gegen die aktuelle Variante effektiv ist, wechseln die Borrelien ihre Oberflächenantigene, wodurch eine neue Bakteriämie ausgelöst wird, die zu den charakteristischen wiederkehrenden Fieberschüben führt.
- Befall von Organen: Während der Fieberschübe können die Borrelien in verschiedene Organe eindringen und dort Entzündungsreaktionen auslösen. Besonders betroffen sind die Leber (Hepatitis), die Milz (Splenomegalie) und das ZNS (Meningitis).
- Eliminierung und Persistenz: Nach mehreren Fieberschüben gelingt es dem Immunsystem meist, die Borrelien zu eliminieren. Bei immungeschwächten Personen kann es jedoch zu einer persistierenden Infektion kommen, die zu chronischen Organmanifestationen führt.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort: Die Infektion aktiviert zunächst die angeborene Immunantwort durch Makrophagen und dendritische Zellen. Diese Zellen produzieren proinflammatorische Zytokine wie IL-1 und TNF-α, die eine starke Entzündungsreaktion auslösen.
- Systemische Immunantwort: Durch die massive Bakteriämie kommt es zu einer Aktivierung der humoralen Immunantwort (Antikörperbildung). Die Borrelienvarianten, die durch Antigenvariation entstehen, führen jedoch zu einer ständigen Anpassung des Immunsystems, was die Immunantwort verlängert und zu wiederholten Fieberschüben führt.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Blut, Leber, Milz, Herz und zentrales Nervensystem (ZNS).
- Resultierende Gewebeschäden:
- Blut: Zerstörung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) durch die Immunantwort und direkte Wirkung der Borrelien führt zu Anämie (Blutarmut).
- Leber: Hepatitis (Leberentzündung) durch Infiltration der Borrelien.
- Milz: Splenomegalie (Milzvergrößerung) durch die massive Immunaktivierung.
- ZNS: Meningitis (Hirnhautentzündung) mit schweren neurologischen Symptomen bei chronischem Verlauf.
Klinische Manifestation
- Frühsymptome: Plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl. Typisch sind fieberfreie Intervalle zwischen den Fieberschüben.
- Fortgeschrittene Symptome:
- Rezidivierende Fieberschübe: Wiederholte Fieberschübe mit einer Dauer von 3-5 Tagen, gefolgt von fieberfreien Intervallen von 4-7 Tagen.
- Organmanifestationen: Hepatitis (Leberentzündung), Splenomegalie (Milzvergrößerung), Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und neurologische Symptome (Verwirrtheit, Meningitis).
- Komplikationen: In schweren Fällen kann es zu Multiorganversagen, Myokarditis oder Meningoenzephalitis (Gehirn- und Hirnhautentzündung) kommen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Rückfallfieber ist eine bakterielle Infektion, die durch verschiedene Borrelia-Arten verursacht wird. Die Pathogenese ist durch wiederholte Fieberschübe gekennzeichnet, die durch Antigenvariation des Erregers bedingt sind. Die klinische Relevanz liegt in der frühzeitigen Erkennung und der gezielten Therapie mit Antibiotika wie Tetrazyklinen, um schwere Organbeteiligungen und rezidivierende Infektionen zu verhindern.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Läuserückfallfieber: schlechte hygienische Bedingungen (mangelhafte Wohnung, Kleidungs- und
Körperhygiene), v. a. in Kriegs- und Katastrophensituationen - Zeckenrückfallfieber: Aufenthalt in Zeckenhabitaten