Rotavirusinfektion – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Rotaviren gehören zur Familie der Reoviridae und sind unbehüllte, doppelsträngige RNA-Viren mit einem ikosaedrischen Kapsid (proteinverhülltes Viruspartikel).
  • Genom: Das Genom besteht aus 11 doppelsträngigen RNA-Segmenten, die für mehrere virale Proteine (VP) kodieren. Diese Proteine sind entscheidend für die virale Replikation, den Zelleintritt und die Freisetzung.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz des Rotavirus beruht auf seiner Fähigkeit, Enterozyten (Darmepithelzellen) zu infizieren und dadurch die Ionensekretion zu beeinflussen, was zu starkem Flüssigkeitsverlust und wässrigem Durchfall führt. Besonders das Nicht-Strukturprotein NSP4 fungiert als Enterotoxin und fördert die Diarrhoe-Entwicklung.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Rotaviren sind weltweit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen für schwere Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern. Schätzungen zufolge verursacht das Virus weltweit jährlich etwa 200.000 bis 500.000 Todesfälle.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich fäkal-oral, entweder durch direkten Kontakt (z. B. bei der Pflege von Kleinkindern) oder indirekt über kontaminierte Gegenstände.
  • Weitere Übertragungswege: Eine Ansteckung ist auch über kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel möglich. In Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Krankenhäuser) kann es leicht zu Ausbrüchen kommen.
  • Virusreservoir: Der Mensch ist das Hauptreservoir für Rotaviren. Eine Ansteckung von Tieren auf Menschen ist selten, aber möglich.
  • Infektiosität: Rotaviren sind hochinfektiös, bereits eine geringe Viruslast reicht aus, um eine Erkrankung auszulösen. Das Virus ist zudem relativ stabil und widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Das Virus gelangt über den Mund in den Verdauungstrakt und infiziert zunächst die Epithelzellen des Dünndarms.
  • Nebeneintrittspforten: Keine bedeutenden Nebeneintrittspforten bekannt.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach der Aufnahme dringt das Virus in die Enterozyten des Dünndarms ein, insbesondere in das proximale Jejunum und Duodenum.
    • Das Virus repliziert sich in den Zellen und nutzt die zelluläre Maschinerie zur Vermehrung seiner RNA und Proteine.
  • Zerstörung der Enterozyten:
    • Die infizierten Enterozyten sterben ab und werden durch unreife Zellen ersetzt, die eine verminderte Fähigkeit zur Resorption von Nährstoffen haben.
    • Die infizierten Zellen setzen NSP4 frei, welches als Enterotoxin (Gifte, die den Darm angreifen) wirkt und eine sekretorische Diarrhoe (Durchfall) induziert.
  • Störung der Darmbarriere:
    • Die Virusvermehrung und der Zellverlust führen zu einer Schädigung der Darmbarriere, was die Absorption von Wasser und Elektrolyten (Blutsalze) (Darmschleimhaut) stört und zu einem starken Flüssigkeitsverlust führt.
  • Ausbreitung im Darm:
    • Das Virus verbleibt in der Regel lokal im Darmtrakt und breitet sich nicht systemisch aus. Es kommt jedoch zu einer massiven Virusvermehrung und -ausscheidung im Stuhl.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die infizierten Enterozyten (Darmzellen) setzen Zytokine frei, die eine Entzündungsreaktion in der Darmschleimhaut auslösen.
    • Diese Immunantwort führt zu einer Infiltration der Darmmukosa (Darmschleimhaut) Makrophagen (Fresszellen), T-Zellen und anderen Immunzellen.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die humorale Immunantwort ist entscheidend für die Kontrolle der Virusinfektion. Antikörper, insbesondere sekretorisches IgA, spielen eine zentrale Rolle bei der Abwehr des Virus und bei der Verhinderung von Neuinfektionen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Rotaviren haben eine hohe genetische Variabilität, die es ihnen ermöglicht, sich schnell an das Immunsystem des Wirts anzupassen und der Immunüberwachung zu entgehen.
    • Einige Virusstämme können die Zytokinsignalisierung der Wirtszellen hemmen und so die antivirale Immunantwort schwächen.
  • Organaffinität und Gewebeschäden
    • Bevorzugte Zielorgane: Das Virus infiziert hauptsächlich die Enterozyten des Dünndarms, wo es sich vermehrt und die Pathologie auslöst.
    • Resultierende Gewebeschäden: Der Hauptschaden resultiert aus der Zerstörung der Enterozyten und der anschließenden Beeinträchtigung der Resorptionskapazität des Darms. Dies führt zu einer osmotischen und sekretorischen Diarrhoe.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Frühsymptome: Wässriger Durchfall, Erbrechen und Fieber.
    • Akutsymptome: Starke Diarrhoe (Durchfall) mit wässrigem, voluminösem Stuhlgang (bis zu 10-20 Stuhlgänge pro Tag), begleitet von Bauchschmerzen und Dehydration (Austrocknung).
  • Komplikationen:
    • Starke Dehydration (Gefahr eines hypovolämischen Schocks).
    • Elektrolytstörungen wie Hyponatriämie (Natriummangel) und Hypokaliämie (Kaliummangel).
    • In schweren Fällen Nierenversagen, Krampfanfälle und Kreislaufversagen.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Bei gesunden Kindern verlaufen die Infektionen in der Regel selbstlimitierend (klingen von selbst ab), können jedoch bei Säuglingen und Kleinkindern, besonders in Entwicklungsländern, lebensbedrohlich werden.
    • Erwachsene sind seltener betroffen und zeigen meist mildere Symptome oder asymptomatische Verläufe.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Alter: Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet.
    • Immunkompetenz: Kinder mit geschwächtem Immunsystem (z. B. HIV-Infektion) haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe.
    • Ernährungszustand: Unterernährte Kinder sind anfälliger für Komplikationen und schwere Krankheitsverläufe.
  • Erregerfaktoren:
    • Genotyp: Verschiedene Rotavirus-Genotypen können unterschiedlich schwere Krankheitsverläufe verursachen.
    • Mutationen im NSP4-Gen können die Pathogenität (Krankmachungskraft) und Schwere der Durchfallerkrankung beeinflussen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Rotavirusinfektion ist eine hochinfektiöse virale Darmerkrankung, die insbesondere Säuglinge und Kleinkinder betrifft. Die Pathogenese wird durch eine lokale Infektion der Enterozyten des Dünndarms und eine sekretorische Diarrhoe bestimmt. Eine frühzeitige orale Rehydrationstherapie (Trinklösung) ist essenziell, um die Sterblichkeit zu reduzieren. Impfprogramme haben die Krankheitslast weltweit deutlich gesenkt und sind die wichtigste präventive Maßnahme.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Schmierinfektion
  • Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln und Wasser