Ringelröteln (Erythema infectiosum) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Ringelröteln, auch als Erythema infectiosum bezeichnet, werden durch das Parvovirus B19 verursacht. Das Parvovirus B19 gehört zur Familie der Parvoviridae und ist ein einzelsträngiges DNA-Virus ohne Hülle. Es ist hochinfektiös und bevorzugt erythroide Progenitorzellen (Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen) als Zielzellen.
  • Genom: Das Parvovirus B19 besitzt ein sehr kleines, einzelsträngiges DNA-Genom, das für die Bildung viraler Strukturproteine (z. B. Kapsidproteine VP1 und VP2) und für nicht-strukturelle Proteine (z. B. das NS1-Protein) kodiert. Das NS1-Protein spielt eine Schlüsselrolle bei der Virusreplikation und der Zerstörung der infizierten Wirtszellen.
  • Virulenz: Die Virulenz des Parvovirus B19 wird durch mehrere Faktoren vermittelt:
    • Tropismus für erythroide Vorläuferzellen: Das Virus bindet über das Globosid (Blutgruppen-Antigen P) an die Vorläuferzellen der Erythrozyten im Knochenmark und tritt in diese Zellen ein.
    • Zytotoxische Wirkung: Die Virusvermehrung in den Vorläuferzellen führt zur Lyse (Zerfall) der infizierten Zellen, was zu einer aplastischen Krise (vorübergehendes Aussetzen der Erythrozytenbildung) und Anämie (Blutarmut) führen kann.
    • Induktion einer Immunantwort: Die Symptome der Erkrankung entstehen primär durch die Immunantwort auf die Virusinfektion. Die Bildung von Antikörpern führt zur Neutralisation der Viren und zur Auslösung der typischen Hauterscheinungen (Exanthem).
Epidemiologie und Übertragungsweg
  • Verbreitung: Das Parvovirus B19 ist weltweit verbreitet. Die Infektion tritt besonders häufig bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter auf, aber auch Erwachsene können betroffen sein. In endemischen Gebieten kommt es zu sporadischen Ausbrüchen, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt primär über Tröpfcheninfektion (z. B. durch Niesen, Husten oder Sprechen). Das Virus wird in hohen Mengen im Nasen-Rachen-Sekret ausgeschieden.
  • Weitere Übertragungswege: Eine Übertragung durch Kontakt mit kontaminierten Körperflüssigkeiten (z. B. Blut, Speichel) ist ebenfalls möglich. In seltenen Fällen kann das Virus auch durch die Muttermilch übertragen werden. Eine Übertragung von der Mutter auf das ungeborene Kind (diaplazentare Übertragung) während der Schwangerschaft kann schwerwiegende Folgen haben.
  • Reservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für das Parvovirus B19.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist besonders in der frühen Krankheitsphase (ca. 7–10 Tage vor Auftreten des Exanthems) hoch, da zu diesem Zeitpunkt die Viruslast im Blut (Virämie) maximal ist.
Eintrittspforte des Erregers
  • Haupteintrittspforte: Die primäre Eintrittspforte ist die Schleimhaut des oberen Respirationstrakts (Nasen- und Rachenschleimhaut) nach Aufnahme infektiöser Tröpfchen.
  • Nebeneintrittspforten: In seltenen Fällen erfolgt die Übertragung durch direkten Kontakt mit infektiösem Blut oder durch diaplazentare Übertragung von der Mutter auf den Fötus.

Pathogenese des Erregers

  1. Initiale Infektion und Vermehrung: Nach der Aufnahme über die Schleimhaut des Respirationstrakts (Atemwege) infiziert das Parvovirus B19 zunächst die Epithelzellen des Nasen-Rachen-Raums. Anschließend gelangt es über die lokalen Lymphknoten in die Blutbahn und verursacht eine hohe Virämie (Generalisationsphase), die zur systemischen Verbreitung des Virus im Körper führt.
  2. Befall der erythroiden Vorläuferzellen: Das Virus zeigt einen speziellen Tropismus (Vorliebe) für die erythroiden Progenitorzellen (Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen) im Knochenmark. Es bindet an das Globosid (Blutgruppen-Antigen P), das auf der Oberfläche dieser Zellen vorhanden ist, und tritt in die Zellen ein. In den erythroiden Vorläuferzellen beginnt das Virus mit der Replikation (Vermehrung), was zu einer massiven Zerstörung dieser Zellen führt.
  3. Zytotoxische Wirkung und Anämie: Durch die Lyse (Zerfall) der infizierten Vorläuferzellen kommt es zu einer Hemmung der Erythropoese (Bildung roter Blutkörperchen) im Knochenmark. Bei immunkompetenten Personen wird dies in der Regel durch eine kompensatorische Vermehrung nicht-infizierter Erythrozyten ausgeglichen. Bei Personen mit bestehenden Blutbildungsstörungen (z. B. Sichelzellanämie) oder erhöhtem Erythrozytenbedarf kann dies jedoch zu einer aplastischen Krise führen.
  4. Induktion der Immunantwort: Nach ca. 10–14 Tagen beginnt das Immunsystem mit der Produktion spezifischer IgM- und später IgG-Antikörper gegen das Virus. Diese Immunantwort führt zur Eliminierung der Viren und zur Bildung von Immunkomplexen, die sich in der Haut und anderen Geweben ablagern können. Die Bildung dieser Immunkomplexe führt zu den typischen Symptomen der Ringelröteln, wie dem makulopapulösen Exanthem (fleckig-knötchenförmiger Hautausschlag) und den Arthralgien (Gelenkschmerzen).

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Nach der Infektion aktivieren die Viruspartikel die Makrophagen und dendritischen Zellen des Immunsystems in den betroffenen Schleimhäuten. Diese Immunzellen setzen proinflammatorische Zytokine (z. B. Interferone, TNF-α) frei, die eine lokale Entzündungsreaktion auslösen.
  • Systemische Immunantwort: Die massive Virämie aktiviert die humorale (antikörpervermittelte) und zelluläre Immunantwort, die zur Bildung von Immunkomplexen und zur Zerstörung der infizierten erythroiden Vorläuferzellen führt. Diese Reaktion verursacht die charakteristischen Symptome des Exanthems und der Gelenkbeschwerden.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das primäre Zielorgan sind die erythroiden Vorläuferzellen im Knochenmark, was zu einer vorübergehenden Hemmung der Erythropoese (Erythrozytenbildung) führt. Sekundär können sich Immunkomplexe in der Haut und in den Gelenken ablagern.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Knochenmark: Zytotoxische Schädigung der erythroiden Vorläuferzellen führt zu einer temporären Anämie (Blutarmut).
    • Haut: Die Ablagerung von Immunkomplexen in der Haut verursacht das charakteristische Erythema infectiosum mit einem schmetterlingsförmigen Ausschlag im Gesicht („Ohrfeigen-Exanthem“) und einem netzartigen (retikulären) Exanthem auf den Extremitäten.
    • Gelenke: Die Ablagerung von Immunkomplexen in den Gelenken kann zu einer Entzündungsreaktion und den typischen Arthralgien (Gelenkschmerzen) führen.

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Leichte grippeähnliche Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl.
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Exanthem: Das typische schmetterlingsförmige Erythem (Hautausschlag) im Gesicht sowie ein netzartiges Exanthem an den Extremitäten, das besonders bei Kindern häufig auftritt.
    • Arthralgien: Bei Erwachsenen können Arthralgien (Gelenkschmerzen) und Arthritis (Gelenkentzündung) auftreten, die sich meist symmetrisch in den Hand-, Knie- und Sprunggelenken manifestieren.
  • Komplikationen: In seltenen Fällen kann es bei immungeschwächten Patienten oder während der Schwangerschaft zu einer chronischen Anämie oder fetalen Hydrops (Flüssigkeitsansammlung in Geweben und Körperhöhlen des Fötus) kommen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Ringelröteln sind eine durch das Parvovirus B19 verursachte Infektion, die primär die Vorläuferzellen der Erythrozyten im Knochenmark befällt. Die Pathogenese ist durch die Zerstörung der erythroiden Progenitorzellen und die starke Immunreaktion geprägt. Die klinische Relevanz liegt in der Erkennung von Risikogruppen (z. B. Schwangere, Personen mit Sichelzellanämie) und der Vermeidung von Komplikationen wie aplastische Krisen und fetalen Hydrops. Eine spezifische antivirale Therapie existiert derzeit nicht, weshalb die Behandlung symptomatisch erfolgt.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Beruflicher Kontakt zu Betroffenen
  • Familiärer Kontakt zu Betroffenen
  • Nicht-ausreichende Hygiene