Ringelröteln (Erythema infectiosum) – Einleitung

Das Erythema infectiosum, auch als Ringelröteln oder „Fünfte Krankheit“ bezeichnet, ist eine durch das humane Parvovirus B19 verursachte Infektionserkrankung. Sie äußert sich typischerweise durch einen charakteristischen Hautausschlag (Exanthem) und betrifft vorwiegend Kinder. Bei Erwachsenen kann die Erkrankung schwerwiegender verlaufen, insbesondere bei schwangeren Frauen und Personen mit geschwächtem Immunsystem.

Synonyme und ICD-10: Erythema infektiosum; Exanthema variegatum; Fifth-disease; Fünfte Krankheit; Parvovirus B19 Infektion; ICD-10-GM B08.3: Erythema infectiosum [Fünfte Krankheit]

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Humane Parvovirus B19 Infektion

Parvovirus B19 Infektionen

  • Erythema infectiosum (Ringelröteln)
  • Transiente Anämie – vorübergehende Verminderung der roten Blutkörperchen im Blut
  • Transiente Arthritis – vorübergehende Gelenkentzündung
  • Transiente Arthralgie – vorübergehende Gelenkschmerzen

Charakteristische Laborbefunde

  • PCR-Nachweis: Bestätigung der Diagnose durch den Nachweis von Parvovirus B19-DNA im Blut mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR).
  • Serologie: Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper gegen Parvovirus B19; IgM-Antikörper deuten auf eine akute Infektion hin.
  • Retikulozytopenie: Reduzierte Anzahl von Retikulozyten (unreife rote Blutkörperchen) bei Patienten mit Parvovirus B19-assoziierter Anämie.

Formen der Erkrankung

Das Erythema infectiosum kann sich in verschiedenen klinischen Formen manifestieren:

  • Klassisches Erythema infectiosum (Ringelröteln)
    • Beschreibung: Beginnt typischerweise mit einem diffusen erythematösen Ausschlag im Gesicht („Ohrfeigen-Exanthem“), der sich später über den Körper ausbreitet.
    • Symptome: Milde grippeähnliche Symptome, Fieber, Müdigkeit und der charakteristische Ausschlag.
    • Verlauf: Meist selbstlimitierend, der Ausschlag klingt in der Regel nach 7-10 Tagen ab.
  • Transiente aplastische Krise
    • Beschreibung: Bei Patienten mit chronischer Hämolyse/Auflösung von roten Blutkörperchen (z. B. bei Sichelzellanämie) kann eine Parvovirus B19-Infektion zu einer schweren aplastischen Krise führen, gekennzeichnet durch einen vorübergehenden Ausfall der Erythropoese (Bildung roter Blutkörperchen).
    • Symptome: Schwere Anämie (Blutarmut), Blässe, Müdigkeit, Tachykardie (Puls auf über 100 Schläge pro Minute).
  • Hydrops fetalis
    • Beschreibung: Bei einer Infektion der Schwangeren kann das Virus auf den Fetus übertragen werden und eine schwere Anämie verursachen, die zum Hydrops fetalis (ansammlungsbedingte Flüssigkeitseinlagerungen im Fetus) führen kann.
    • Verlauf: Kann ohne interventionelle Maßnahmen zum intrauterinen Tod führen; rechtzeitige Diagnostik und Therapie (intrauterine Transfusion) sind entscheidend.
  • Arthropathie bei Erwachsenen
    • Beschreibung: Erwachsene, insbesondere Frauen, können als Hauptmanifestation eine symmetrische Polyarthralgie (Gelenkschmerzen) entwickeln, die mehrere Wochen bis Monate anhalten kann.
    • Verlauf: Die Gelenksymptome können persistieren, sind jedoch meist selbstlimitierend.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen; das Geschlechterverhältnis ist ausgewogen.

Häufigkeitsgipfel
: Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Klein- und Schulkindern im Alter von 6 bis 15 Jahren auf. Bis zu 50 % der Kinder und Jugendlichen haben Antikörper gegen das humane Parvovirus B19 im Blut. Mit zunehmendem Alter steigt die Durchseuchungsrate bis auf 80 % bei älteren Personen an.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
: Die Seroprävalenz beträgt altersabhängig ca. 40-60 %; bei über 75-Jährigen liegt sie bei 95 %. Frauen im gebärfähigen Alter haben eine Seroprävalenz von 69-72 % [1].

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
: Die Inzidenz variiert regional und ist stark abhängig von aktuellen Ausbruchssituationen, weshalb genaue Daten zur jährlichen Inzidenz schwer zu bestimmen sind.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Humanes Parvovirus B19.

Erregerreservoir
: Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir für das Parvovirus B19.

Vorkommen
: Die Infektion tritt weltweit auf. Epidemiologisch werden endemische Zyklen alle 3-4 Jahre beobachtet, mit einer saisonalen Häufung im Frühjahr und Winter.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung
: Ja, die Übertragung erfolgt hauptsächlich über Tröpfcheninfektion, z. B. beim Husten und Niesen. Eine Schmierinfektion oder Kontakt mit Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Blut ist ebenfalls möglich. Das Virus kann auch mit der Muttermilch übertragen werden.

Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers)
: Die Ansteckungskraft ist hoch, jedoch nicht so hoch wie bei Masern oder Varizellen (Windpocken). Das Parvovirus B19 ist gegen die meisten Desinfektionsmittel resistent.

Übertragungsweg
: Die Übertragung erfolgt über Tröpfcheninfektion (durch Husten und Niesen) sowie aerogen (durch erregerhaltige Tröpfchenkerne in der ausgeatmeten Luft). Eine Schmierinfektion oder der Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Blut sind ebenfalls mögliche Übertragungswege. Das Virus kann auch über die Muttermilch weitergegeben werden.

Eintrittspforte
: Der Erreger dringt über die Schleimhäute der Nase, des Mundes und ggf. der Augen in den Körper ein.

Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung)
: Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 6-18 Tage.

Krankheitsdauer
: Die Krankheitsdauer ist variabel und hängt von der Immunantwort des Wirts ab.

Dauer der Infektiosität
: Die Ansteckungsfähigkeit besteht vorwiegend in den ersten Tagen der Infektion, häufig bevor das typische Exanthem auftritt.

Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper)
: Die Seroprävalenz steigt mit dem Alter und beträgt bei Erwachsenen über 75 Jahre bis zu 95 %.

Erregerspezifische Immunität
: Nach durchgemachter Infektion entwickelt sich in der Regel eine lebenslange Immunität gegen das Parvovirus B19.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Bei Kindern mit funktionierendem Immunsystem verläuft die Infektion mit dem Parvovirus B19 meistens mild und in über einem Drittel der Fälle sogar asymptomatisch.
  • Typische Symptome sind das Erythema infectiosum, ein charakteristischer Hautausschlag, der zunächst im Gesicht auftritt und sich dann auf den Körper ausbreitet.
  • Gelegentlich können auch Fieber, Müdigkeit und grippeähnliche Symptome auftreten.
  • In seltenen Fällen können schwerere Komplikationen wie Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Enzephalitis (Gehirnentzündung) auftreten.
  • Bei Erwachsenen verläuft die Erkrankung häufig schwerer als bei Kindern und ist oft mit Gelenkschmerzen und -entzündungen verbunden.
  • Bei Schwangeren, die nicht immun sind, besteht ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Fehlgeburten, insbesondere in der Frühschwangerschaft.
    • Ab der 20. Schwangerschaftswoche nimmt das Risiko für das ungeborene Kind jedoch ab.
    • Bei infizierten Schwangeren werden wöchentliche Ultraschalluntersuchungen empfohlen, um eine fetale Anämie (kindliche Blutarmut) frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen wie eine intrauterine Transfusion einzuleiten.
  • Die Dauer der Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit) besteht, bis das Exanthem (Hautausschlag) sichtbar wird und wahrscheinlich auch noch einige Tage danach. 5 Tage nach Exanthembeginn kann man Kinder wieder in Gemeinschaftseinrichtungen zulassen.

Prognose

  • Die Prognose bei einer Infektion mit dem Parvovirus B19 ist in der Regel gut. Der Ausschlag und andere Symptome klingen meist innerhalb von 10 bis 14 Tagen spontan ab.
  • Eine einmalige Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität.
  • Für ansonsten gesunde Kinder und Erwachsene ist die Prognose gut, und die Erkrankung heilt meistens ohne Komplikationen aus.
  • Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem oder bestimmten Vorerkrankungen, wie einer chronischen Anämie, kann die Infektion schwerer verlaufen und erfordert eine engmaschige medizinische Überwachung.
  • Bei schwangeren Frauen, die sich infizieren, ist die Prognose für das ungeborene Kind abhängig vom Zeitpunkt der Infektion und der durchgeführten medizinischen Maßnahmen. Mit einer rechtzeitigen Diagnose und geeigneten Interventionen können viele Komplikationen verhindert werden.

Da keine Schutzimpfung gegen das Parvovirus B19 verfügbar ist, bleibt die Prävention durch Hygienemaßnahmen und die Vermeidung von Kontakt zu infizierten Personen besonders wichtig, insbesondere für Schwangere und immungeschwächte Personen.

Eine Schutzimpfung gegen Ringelröteln steht bislang nicht zur Verfügung. 

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung