Pseudomembranöse Enterokolitis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Clostridium difficile ist ein obligat anaerobes, grampositives, sporenbildendes Stäbchenbakterium (bakterielle Form mit langer, schlanker Struktur). Der Erreger gehört zur Familie der Clostridiaceae und kommt natürlicherweise in geringen Mengen im Darmtrakt des Menschen vor. Die Sporenbildung ermöglicht es dem Bakterium, unter ungünstigen Umweltbedingungen lange zu überleben und resistent gegenüber gängigen Desinfektionsmitteln zu sein.
  • Genom: Das Genom von Clostridium difficile kodiert für mehrere Virulenzfaktoren, darunter die Gene tcdA und tcdB, die die beiden Haupttoxine (Toxin A und Toxin B) produzieren. Zusätzlich besitzt der Erreger mobile genetische Elemente (Plasmide und Transposons), die die Übertragung von Resistenzgenen zwischen Bakterienstämmen ermöglichen.
  • Virulenz: Die Virulenz von Clostridium difficile wird durch mehrere Faktoren vermittelt:

    • Toxinproduktion: Die beiden Haupttoxine sind: Toxin A (Enterotoxin): Führt zu einer vermehrten Flüssigkeits- und Elektrolytsekretion und verursacht wässrigen Durchfall.
    • Toxin B (Zytotoxin): Schädigt die Epithelzellen der Darmschleimhaut, was zu einer Auflösung der Zell-Zell-Verbindungen führt.
    • Sporenbildung: Die Sporen sind widerstandsfähig gegenüber Hitze, Alkohol und vielen Desinfektionsmitteln, was die Persistenz (Beständigkeit) des Erregers in der Umgebung und im Darm begünstigt.
    • Ribotypenvarianten: Ribotypen wie 027, 017 und 078 produzieren besonders hohe Toxinmengen und sind mit schweren Krankheitsverläufen assoziiert.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Clostridium difficile ist weltweit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen nosokomialer (im Krankenhaus erworbener) Durchfallerkrankungen. Die Infektion tritt besonders häufig nach einer Antibiotikatherapie auf, die das normale Mikrobiom (Gesamtheit der Darmflora) stört.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt fäkal-oral über Kontakt mit kontaminierten Oberflächen, Gegenständen oder Händen. Sporen können in der Umwelt lange persistieren und sind hochinfektiös.
  • Weitere Übertragungswege: Die Übertragung kann auch durch den Kontakt mit asymptomatischen Trägern (Personen ohne Symptome, die den Erreger ausscheiden) erfolgen.
  • Reservoir: Das Hauptreservoir sind der menschliche Darm (bei asymptomatischen Trägern) sowie kontaminierte Oberflächen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch, besonders in Umgebungen mit immungeschwächten Patienten oder nach einer antibiotischen Vorbehandlung, die die normale Darmflora zerstört.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Eintritt erfolgt über den Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) nach oraler Aufnahme der Sporen.
  • Nebeneintrittspforten: Die orale Aufnahme erfolgt meist über kontaminierte Hände, Lebensmittel oder medizinische Geräte.

Pathogenese des Erregers

  1. Initiale Kolonisation des Darms: Nach der oralen Aufnahme keimen die Sporen von Clostridium difficile im Dünndarm aus und wandeln sich in die vegetative Form um, die aktiv Stoffwechsel betreibt und sich vermehrt. Unter normalen Bedingungen wird die Vermehrung durch das dichte intestinale Mikrobiom gehemmt.
  2. Störung des intestinalen Mikrobioms: Nach einer Antibiotikatherapie (z. B. durch Clindamycin, Cephalosporine, Fluorchinolone) wird das natürliche Mikrobiom des Darms stark reduziert. Dies schafft eine Lücke, die die Kolonisation und Überwucherung von C. difficile begünstigt. Die vegetativen Bakterien siedeln sich in der Darmschleimhaut an und beginnen mit der Produktion der Toxine A und B.
  3. Toxinproduktion und Gewebeschädigung:
    • Toxin A (Enterotoxin): Dieses Toxin bindet an die Epithelzellen des Darms und führt zu einer vermehrten Freisetzung von Flüssigkeit und Elektrolyten, was zu einer vermehrten Sekretion (Ausscheidung) und wässrigem Durchfall führt.
    • Toxin B (Zytotoxin): Toxin B ist 1000-fach potenter als Toxin A und wirkt direkt zytotoxisch (zellschädigend) auf die Darmschleimhaut. Es verursacht den Abbau des Zytoskeletts der Epithelzellen, was zu einer Zerstörung der Zellverbindungen und zu einer Auflösung des Darmepithels führt.
  4. Induktion einer Entzündungsreaktion: Die Freisetzung der Toxine führt zu einer massiven Entzündungsreaktion in der Darmschleimhaut mit einer Infiltration von Neutrophilen (weiße Blutkörperchen). Diese Entzündung führt zur Bildung von Pseudomembranen (Gelblich-weiße Beläge aus Fibrin, Zelltrümmern und entzündlichen Zellen) auf der Schleimhaut, die für die pseudomembranöse Enterokolitis charakteristisch sind.
  5. Schädigung der Darmbarriere: Die Entzündung und Gewebsschädigung führen zu einer erhöhten Permeabilität (Durchlässigkeit) der Darmschleimhaut, was das Eindringen von Bakterien und Toxinen in die tieferen Gewebeschichten ermöglicht. Dies kann in schweren Fällen zu einer toxischen Megakolonbildung (massive Erweiterung des Dickdarms) und zu einer Darmperforation (Durchbruch der Darmwand) führen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Die Infektion führt zur Aktivierung von Makrophagen, neutrophilen Granulozyten und dendritischen Zellen in der Darmschleimhaut, die proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α) freisetzen. Diese Reaktion verstärkt die lokale Entzündungsreaktion und führt zur Bildung der charakteristischen Pseudomembranen.
  • Systemische Immunantwort: Bei schweren Verläufen kann die massive Freisetzung von Toxin B zu einer systemischen Entzündungsreaktion führen, die durch eine generalisierte Freisetzung von Zytokinen verstärkt wird. Dies kann zu Sepsis (Blutvergiftung) und Multiorganversagen führen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das primäre Zielorgan ist der Dickdarm (Kolon), in schweren Fällen kann es jedoch auch zu einer Beteiligung des Dünndarms kommen.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Kolon: Nekrosen (Gewebeuntergänge) und Entzündung der Darmschleimhaut mit Bildung von Pseudomembranen, die zu einer schweren Schädigung der Schleimhautbarriere führen.
    • Dünndarm: In seltenen Fällen kann es zur Beteiligung des Dünndarms kommen, was zu einer diffusen Enteritis (Darmentzündung) führt.

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Wässrige Durchfälle, Übelkeit, Bauchkrämpfe und Fieber. Die Symptome treten meist 5-10 Tage nach Beginn einer antibiotischen Therapie auf.
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Pseudomembranöse Kolitis: Wässrige oder blutige Durchfälle, Fieber, starke Bauchschmerzen und toxisches Megakolon (massive Erweiterung des Dickdarms).
    • Systemische Manifestationen: Bei schwerem Verlauf kann es zu einer Sepsis mit Multiorganversagen kommen.
  • Komplikationen: Darmperforation, toxisches Megakolon und in seltenen Fällen eine letale (tödliche) Sepsis.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Clostridium-difficile-Infektion (CDI) ist eine schwere, meistens nosokomiale Durchfallerkrankung, die durch die gestörte Darmflora nach Antibiotikatherapie begünstigt wird. Die Pathogenese wird durch die Toxinproduktion und die daraus resultierende Schleimhautschädigung bestimmt. Die klinische Relevanz liegt in der frühzeitigen Erkennung und Behandlung, um schwerwiegende Komplikationen wie Darmperforation oder toxisches Megakolon zu verhindern. Die Therapie erfolgt mit spezifischen Antibiotika (z. B. Metronidazol, Vancomycin) und einer Wiederherstellung des normalen Mikrobioms (z. B. Stuhltransplantation).

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Immunsuppression, nicht näher bezeichnet

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Dysbisoe (Störung der Darmflora), nicht näher bezeichnet

Weiteres

  • Besuch einer Notfallaufnahme [2]
  • Schwere Grunderkrankung, nicht näher bezeichnet
  • ≥ 2 Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
  • Hospitalisierung bzw. stattgehabte Hospitalisierung innerhalb der letzten 3 Monate bzw. Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen des Gesundheitssystems/Langzeitpflegeeinrichtungen
  • Abdominalchirurgische (bauchchirurgische) Eingriffe
  • Ambulante Eingriffe [2]
  • Dentale Eingriffe [2]
  • Stattgehabte C.-difficile-Infektion
  • Zustand nach Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate

Medikamente

  • Antibiotika* (Wirkstoffe, die gegen bakterielle Infektionen wirken); Hauptrisiko für die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe ist eine aktuelle oder stattgefundene Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate; vier Wochen nach Antibiotikatherapie; 40-60 % der Fälle; vor allem:
    • Hohes Risiko
      • Ampicillin
      • Aminopenicilline (Amoxicillin)
      • Cephalosporine (Cefoxitin, Ceftazidim, Ceftriaxon, Cefuroxim)
      • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)
      • Lincosamide (Clindamycin)
    • Mittleres Risiko
      • Imipenem
      • Carbapeneme (Imipenem)
      • Tetracycline (Doxycyclin, Minocyclin, Tetracyclin)
      • Trimethoprim
    • Geringes Risiko
      • Aminoglycoside (Amikacin, Apramycin, Geneticin (G418), Gentamicine, Kanamycin, Netilmicin, Neomycin, Paromomycin, Spectinomycin, Streptomycin, Tobramycin)
      • β-Lactam-Antibiotikum (Piperacillin)
      • Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Ticarcillin)
      • Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin)
      • Makrolide (Azithromycin, Erythromycin, Clarithromycin, vor allem Clarithromycin und Azithromacin)
  • H2-Antihistaminika (H2-Rezeptor-Antagonisten, H2-Antagonisten, Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten; Wirkstoffe, die u. a. die Produktion der Magensäure hemmen) – Cimetidin, Famotidin, Lafutidin, Nizatidin, Ranitidin, Roxatidin
  • Nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID, NSAR; sind Schmerzmittel mit schmerzstillenden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften) wie Ibuprofen, Diclofenac
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol
    Cave! Keine Dauertherapie mit PPI; diese führen zu einem 3-fachen Risiko für eine schwere Darminfektion mit C. difficile [1].

*Da Clostridium difficile resistent gegen fast alle Breitspektrumantibiotika ist, kann es unter einer antibiotischen Therapie zu einer Vermehrung dieses Keims kommen.

Literatur

  1. Wei L et al.: Acid suppression medications and bacterial gastroenteritis: a population-based cohort study. Br J Clin Pharmacol. 2017 Jan 5. doi: 10.1111/bcp.13205. 
  2. Guh AY et al.: Risk Factors for Community-Associated Clostridium difficile Infection in Adults: A Case-Control Study. Open Forum Infectious Diseases, online 26. Oktober 2017, https://doi.org/10.1093/ofid/ofx171