Pfeiffersches Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Das Pfeiffersche Drüsenfieber wird durch das Epstein-Barr-Virus (EBV), auch Humanes Herpesvirus 4 (HHV 4) genannt, verursacht. Es gehört zur Familie der Herpesviridae und ist ein doppelsträngiges DNA-Virus, das bevorzugt B-Lymphozyten (spezialisierte weiße Blutkörperchen) befällt. Das Virus kann eine latente (ruhende) Infektion im Wirt aufrechterhalten und bei Immunsuppression reaktiviert werden.
- Genom: Das EBV besitzt ein komplexes DNA-Genom, das Gene für virale Strukturproteine sowie zahlreiche regulatorische Proteine kodiert, die eine Persistenz (Beständigkeit) und Transformation (Umwandlung der infizierten Zellen) ermöglichen. Diese Gene sind in der Lage, die Zellproliferation (Zellteilung) der infizierten B-Lymphozyten zu fördern und die Immunantwort zu modulieren.
- Virulenz: Die Virulenz von EBV wird durch folgende Faktoren vermittelt:
- Bindung an spezifische Rezeptoren: Das Virus bindet über das Glykoprotein gp350/220 an den CD21-Rezeptor (Komplementrezeptor 2) auf der Oberfläche von B-Lymphozyten und Epithelzellen (Deckgewebszellen). Dadurch wird der Eintritt in die Wirtszelle ermöglicht
- Latenz- und Transformationsproteine: EBV produziert verschiedene Proteine, darunter LMP-1 (Latentes Membranprotein 1) und EBNA-2 (Epstein-Barr Nuclear Antigen 2), die die Proliferation der infizierten B-Zellen fördern und eine Immunevasion (Umgehung der Immunantwort) ermöglichen.
- Latenz-Phasen: Das Virus kann in den infizierten Zellen in eine Latenzphase übergehen, wodurch es sich der Erkennung durch das Immunsystem entzieht. Diese Latenz ist für die Reaktivierung des Virus in immungeschwächten Patienten verantwortlich.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Das Epstein-Barr-Virus ist weltweit verbreitet und die meisten Menschen kommen bis zum Erwachsenenalter mit dem Virus in Kontakt. In Entwicklungsländern erfolgt die Primärinfektion meist im Kindesalter, während in Industrieländern viele Infektionen erst im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter auftreten.
- Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt primär über Tröpfchen- und Schmierinfektion, insbesondere durch direkten Speichelkontakt (z. B. beim Küssen, weshalb die Erkrankung auch als "Kissing Disease" bezeichnet wird).
- Weitere Übertragungswege: Infizierte Personen können das Virus auch über Blut und Organtransplantationen weitergeben.
- Reservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir des Epstein-Barr-Virus.
- Infektiosität: EBV ist hochinfektiös, und bereits geringe Mengen Speichel reichen für eine Übertragung aus. Besonders während der akuten Krankheitsphase ist die Viruslast im Speichel hoch.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Die primäre Eintrittspforte des Virus sind die Schleimhäute des Mund- und Rachenraums. Die initiale Infektion erfolgt durch die Bindung an Epithelzellen (Zellen der Schleimhaut) in der Mundhöhle.
- Nebeneintrittspforten: Eine Infektion über die Bindehaut (Schleimhaut des Auges) oder den Genitaltrakt ist möglich, aber selten.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Infektion der Epithelzellen im Mund- und Rachenraum: Nach der Übertragung infiziert das Epstein-Barr-Virus zunächst die Epithelzellen des Mund- und Rachenraums. Dort repliziert (vermehrt) sich das Virus und setzt neu gebildete Viruspartikel frei, die in den Speichel abgegeben werden.
- Befall der B-Lymphozyten: Von den infizierten Epithelzellen aus infiziert das Virus benachbarte B-Lymphozyten. Die Bindung erfolgt über den CD21-Rezeptor, der speziell auf B-Lymphozyten exprimiert wird. Nach Eindringen in die B-Zelle wird das virale Genom in den Zellkern integriert.
- Virale Replikation und Latenzphase: Innerhalb der infizierten B-Zellen beginnt das Virus entweder mit der aktiven Vermehrung (lytische Phase) oder tritt in die Latenzphase ein. In der Latenzphase exprimiert das Virus nur wenige Gene, um sich der Immunerkennung zu entziehen. Diese Gene (EBNA und LMP) sind für das Überleben und die Proliferation der infizierten B-Zellen notwendig.
- Induktion einer klonalen Expansion: Die Latenzproteine (z. B. LMP-1) aktivieren Signalwege, die die Proliferation (Zellvermehrung) der infizierten B-Zellen stimulieren. Dadurch entstehen polyklonale B-Zellpopulationen, die die Viren tragen. Diese infizierten Zellen können über die Blutbahn in die Lymphknoten, Milz und Leber gelangen und dort eine lokale Entzündungsreaktion auslösen.
- Aktivierung der zellulären Immunantwort: Die infizierten B-Lymphozyten präsentieren virale Antigene auf ihrer Oberfläche, was zu einer starken Aktivierung der zytotoxischen T-Zellen (CD8+-T-Lymphozyten) führt. Diese T-Zellen eliminieren die infizierten B-Zellen und lösen die typische lymphozytäre Reaktion mit einer massiven Vergrößerung der Lymphknoten und einer Schwellung der Milz aus.
- Systemische Ausbreitung und Persistenz: In immunkompetenten Personen wird die Infektion durch die zelluläre Immunantwort kontrolliert, und das Virus tritt in eine lebenslange Persistenz in wenigen Gedächtnis-B-Zellen ein. Bei immunsupprimierten Patienten kann es jedoch zu einer Reaktivierung des Virus und zu Folgeerkrankungen (z. B. Burkitt-Lymphom, Nasopharynxkarzinom) kommen.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort: Die Infektion führt zur Aktivierung von Makrophagen und dendritischen Zellen (Abwehrzellen des Immunsystems), die proinflammatorische Zytokine (z. B. Interleukin-1, TNF-α) freisetzen und die zelluläre Immunantwort anregen.
- Systemische Immunantwort: Die massive Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen (CD8+-Lymphozyten) und NK-Zellen (natürliche Killerzellen) führt zu einer ausgeprägten lymphozytären Reaktion, die sich klinisch in einer generalisierten Lymphknotenschwellung und einer Lymphozytose (erhöhte Anzahl an Lymphozyten im Blut) äußert.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Lymphknoten, Leber, Milz und Mandeln.
- Resultierende Gewebeschäden:
- Lymphknoten: Schmerzhafte Schwellungen aufgrund der massiven Vermehrung von B- und T-Lymphozyten.
- Leber: Hepatitis (Leberentzündung) mit einer Vergrößerung der Leber und erhöhten Leberwerten.
- Milz: Splenomegalie (Milzvergrößerung) durch starke lymphozytäre Infiltration, die das Risiko einer Milzruptur (Milzeinriss) erhöht.
Klinische Manifestation
- Frühsymptome: Fieber, Halsschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen.
- Fortgeschrittene Symptome:
- Lymphadenopathie: Schmerzhafte Schwellung der Lymphknoten, besonders im Halsbereich.
- Hepatosplenomegalie: Vergrößerung von Leber und Milz mit Druckempfindlichkeit im Oberbauch.
- Angina tonsillaris: Starke Rachenentzündung mit Mandelvergrößerung und Belägen.
- Komplikationen: In seltenen Fällen können eine Milzruptur, eine akute Hepatitis oder neurologische Symptome wie Meningitis (Hirnhautentzündung) auftreten.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Pfeiffersche Drüsenfieber, verursacht durch das Epstein-Barr-Virus, ist eine häufige Infektionskrankheit, die primär die B-Lymphozyten befällt. Die Pathogenese ist durch die starke Aktivierung der zellulären Immunantwort und die persistente Infektion in B-Gedächtniszellen gekennzeichnet. Die klinische Relevanz liegt in der frühen Erkennung und der Vermeidung von Komplikationen wie Milzruptur und chronischen Folgeerkrankungen. Eine spezifische antivirale Therapie existiert nicht, weshalb die Behandlung symptomatisch erfolgt.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Sozioökonomische Faktoren – in Gebieten mit niedrigem sozioökonomischem Standard tritt die Infektion schon im Kindesalter auf