Pest – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Yersinia pestis ist ein gramnegatives, kokkoides Stäbchenbakterium (bakterielle Form zwischen Kugel und Stäbchen) aus der Familie der Enterobacteriaceae. Es ist der Erreger der Pest, einer hochkontagiösen (hoch ansteckenden) und potenziell tödlichen Infektionskrankheit. Yersinia pestis besitzt die Fähigkeit, verschiedene Virulenzfaktoren zu produzieren, die es dem Erreger ermöglichen, das Immunsystem des Wirts zu umgehen und schwere systemische Infektionen auszulösen.
  • Genom: Yersinia pestis besitzt ein doppelsträngiges DNA-Genom, das zahlreiche Gene für die Pathogenität (Krankheitserzeugungskraft) und das Überleben im Wirt enthält. Zusätzlich zu seinem Chromosom trägt der Erreger mehrere Plasmide, darunter das pCD1-Plasmid, das für das Typ-III-Sekretionssystem (ein molekularer Injektionsmechanismus) und Effektorproteine kodiert, die die zellulären Signalwege des Wirts manipulieren.
  • Virulenz: Die Virulenz von Yersinia pestis wird durch verschiedene Faktoren vermittelt:
    • Adhäsionsfaktoren: Y. pestis besitzt Adhäsine (Proteine zur Anheftung), die es ihm ermöglichen, sich an Wirtszellen zu binden.
    • Typ-III-Sekretionssystem: Über dieses Sekretionssystem injiziert der Erreger Effektorproteine in Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems) und andere Immunzellen, was die normale Funktion dieser Zellen hemmt und das Überleben der Bakterien ermöglicht.
    • Yersinia outer Proteins (Yops): Diese Proteine hemmen die Phagozytose (Aufnahme und Abtötung der Bakterien durch Immunzellen) und verhindern die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe).

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Pest tritt weltweit auf, besonders in Regionen mit hohem Vorkommen von Nagetieren. Historisch gesehen hat die Pest mehrfach zu verheerenden Pandemien geführt.
  • Hauptübertragungsweg: Die primäre Übertragung erfolgt durch den Biss infizierter Flöhe, die als Vektoren (Überträger) des Erregers fungieren. Der Rattenfloh (Xenopsylla cheopis) ist der bedeutendste Überträger.
  • Weitere Übertragungswege: Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist über infektiöse Tröpfchen (Luftweg, besonders bei Lungenpest) möglich. Seltener erfolgt die Ansteckung durch direkten Kontakt mit infiziertem Gewebe oder kontaminierten Materialien.
  • Reservoir: Das natürliche Reservoir von Yersinia pestis sind Nagetiere wie Ratten, Eichhörnchen und Präriehunde. Bei hohen Nagetierbeständen und engem Kontakt zu Menschen steigt das Infektionsrisiko.
  • Infektiosität: Die Pest ist hochinfektiös. Besonders bei der Lungenpest kann bereits die Aufnahme weniger Erreger zur Infektion führen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die primäre Eintrittspforte ist die Haut nach einem Flohbiss. Das infizierte Flohblut gelangt in das subkutane Gewebe (Gewebe unterhalb der Haut) und setzt die Bakterien frei.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Ansteckung über die Atemwege (Lungenpest) erfolgt durch Einatmen infektiöser Tröpfchen.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen in das Gewebe: Nach dem Flohbiss wird Y. pestis in das subkutane Gewebe injiziert. Dort vermehren sich die Bakterien an der Eintrittsstelle und induzieren eine lokale Entzündungsreaktion. Die Bakterien umgeben sich mit einer Kapsel, die ihre Erkennung und Zerstörung durch das Immunsystem erschwert.
  2. Eintritt in die Lymphbahnen: Von der Infektionsstelle aus gelangen die Bakterien in die regionalen Lymphknoten, wo sie sich massiv vermehren. Dies führt zur Ausbildung einer schmerzhaften Schwellung der Lymphknoten (Bubo), die als charakteristisches Symptom der Beulenpest gilt.
  3. Vermehrung in den Lymphknoten: In den Lymphknoten verursachen die Bakterien eine starke Entzündungsreaktion und Nekrose (Gewebeuntergang). Durch die Freisetzung von Yops-Proteinen blockieren die Bakterien die Phagozytose und induzieren die Apoptose (programmierten Zelltod) der Immunzellen, was ihre Vermehrung begünstigt.
  4. Systemische Ausbreitung: Nach Zerstörung der Lymphknotenbarrieren gelangen die Bakterien in die Blutbahn und verursachen eine Bakteriämie (Bakterien im Blut). Dies führt zur septischen Pest (Blutvergiftung), bei der sich Y. pestis im gesamten Organismus verbreitet und multiple Organe wie Leber, Milz und Lunge befällt.
  5. Bildung von Pestsepsis und Organbeteiligung: Die Freisetzung von Endotoxinen (Bestandteile der Bakterienmembran) führt zu einer überschießenden systemischen Entzündungsreaktion (Zytokinsturm) und kann ein Multiorganversagen auslösen. Bei der Lungenpest besiedeln die Bakterien die Alveolen (Lungenbläschen) und verursachen eine nekrotisierende Pneumonie (Lungenentzündung mit Gewebezerfall).

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Nach dem Eintritt in die Lymphknoten aktiviert der Erreger die lokale Immunabwehr, insbesondere Makrophagen (Fresszellen) und neutrophile Granulozyten (Form der weißen Blutkörperchen). Diese Zellen werden jedoch durch die Yops-Proteine des Erregers in ihrer Funktion gehemmt.
  • Systemische Immunantwort: Die Freisetzung von bakteriellen Endotoxinen in der Blutbahn führt zur Aktivierung des Komplementsystems und einer massiven Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) (z. B. TNF-α, IL-1), die zu einer systemischen Entzündungsreaktion führen. Dies kann in einem septischen Schock (Kreislaufschock) und Multiorganversagen enden.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Lymphknoten, Lunge, Leber, Milz und das Zentrale Nervensystem (ZNS).
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Lymphknoten: Ausbildung von Bubonen (geschwollene, schmerzhafte Lymphknoten), Nekrose und Abszessbildung (Eiteransammlungen).
    • Lunge: Bei der Lungenpest: nekrotisierende Pneumonie (Zerfall des Lungengewebes) mit massiver Blutung und Lungenödemen.
    • Leber und Milz: Granulomatöse Entzündung (knötchenförmige Entzündungsherde), Hepatitis (Leberentzündung) und Splenomegalie (Milzvergrößerung).
    • ZNS: Meningitis (Hirnhautentzündung) und Enzephalitis (Gehirnentzündung) bei systemischer Verbreitung.

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Plötzlich einsetzendes hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und allgemeines Schwächegefühl.
  • Spezifische Symptome je nach Krankheitsform:
    • Beulenpest: Geschwollene, schmerzhafte Lymphknoten (Bubonen) in Leiste, Achsel oder Hals, die innerhalb weniger Tage nekrotisch werden.
    • Lungenpest: Schwerer Husten mit blutigem Auswurf, Atemnot und Brustschmerzen.
    • Septische Pest: Rasch fortschreitende Sepsis mit Schock, Hypotonie (niedrigem Blutdruck) und Multiorganversagen.
  • Komplikationen: Unbehandelt endet die Lungen- oder septische Pest in der Regel innerhalb von 2-3 Tagen tödlich.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pest, verursacht durch Yersinia pestis, ist eine hochinfektiöse Erkrankung mit verschiedenen klinischen Verlaufsformen (Beulenpest, Lungenpest, septische Pest). Die Pathogenese ist durch die schnelle Vermehrung des Erregers in den Lymphknoten und die systemische Verbreitung im Blut gekennzeichnet. Die klinische Relevanz liegt in der frühzeitigen Diagnosestellung und Therapie mit Antibiotika (z. B. Streptomycin, Doxycyclin), um eine schnelle Ausbreitung und hohe Mortalität (Sterberate) zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Stich infizierter Flöhe
  • Direkter Kontakt mit erkrankten Personen
  • Kontakt mit kontaminierter Erde, Exkremente
  • Kontakt zu kontaminierten Tierkadavern
  • Inhalation infizierten Materials (Lungenpest)
  • Direkte Übertragung von Mensch zu Mensch über infizierte Aerosole (Lungenpest)
  • Verzehr infizierten Materials