Norovirusinfektion – Einleitung
Die akute Gastroenteritis durch das Norovirus ist eine Infektionserkrankung des Gastrointestinaltraktes, die durch das hochansteckende Norovirus verursacht wird. Sie ist für etwa ein Fünftel aller akuten Gastroenteritiden (Magen-Darm-Infektionen) weltweit verantwortlich und zeichnet sich durch plötzliches und heftiges Erbrechen sowie Durchfall aus.
Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM A08.1: Akute Gastroenteritis durch Norovirus
Noroviren (früher: Norwalk-like-Viren; Norwalk-ähnliche Viren) zählen neben den Sapoviren zur Familie der Caliciviridae. Man kann sie in fünf Gengruppen (GG I-V) unterteilen, wobei GG III und GG V nicht humanpathogen sind.
Das Norwalk-Virus, wurde in Stuhlproben eines viralen Gastroenteritis-Ausbruchs von 1968 in Norwalk, Ohio 1972 erstmals morphologisch charakterisiert. Die Erkrankung erhielt aufgrund seiner charakteristischen Symptomatik mit schwallartigem Erbrechen und des überwiegend saisonalen Auftretens in den Wintermonaten den Namen "winter vomiting disease".
Charakteristische Laborbefunde
- Stuhlnachweis: Direkter Nachweis von Norovirus-RNA mittels RT-PCR (Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion)
- Elektrolytanomalien: Hyponatriämie (niedriger Natriumspiegel), Hypokaliämie (niedriger Kaliumspiegel) durch Flüssigkeitsverlust
- Hämatokritanstieg: Anzeichen von Dehydration (Austrocknung; Volumenmangel)
- Leukozytose: Erhöhte Leukozytenzahl (Anzahl der weißen Blutkörperchen) als Reaktion auf die Infektion
- Erhöhte Harnstoffwerte: Hinweis auf prärenales Nierenversagen bei schwerer Dehydration
Formen der Erkrankung
Die Erkrankung verläuft in der Regel als akute Infektion mit plötzlichem Beginn und kurzer Dauer. Unterschiede im Schweregrad können beobachtet werden:
- Milde Verläufe: Häufig bei Kindern und gesunden Erwachsenen; kurze Krankheitsdauer von 1-2 Tagen.
- Schwere Verläufe: Besonders bei älteren Menschen und immungeschwächten Patienten; Hospitalisierung kann erforderlich sein, insbesondere bei starkem Flüssigkeitsverlust und Elektrolytstörungen.
Ursachen
Noroviren gehören zur Familie der Caliciviridae und sind weltweit verbreitet. Die Hauptursache der Übertragung sind fäkal-orale Infektionen. Häufig kommt es zu Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Krankenhäusern, Altersheimen oder auf Kreuzfahrtschiffen.
Differentialdiagnosen
- Rotavirus-Infektion: Virale Gastroenteritis, vorwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern.
- Bakterielle Gastroenteritis: Verursacht durch Erreger wie Campylobacter, Salmonellen oder E. coli.
- Lebensmittelvergiftungen: Verursacht durch Toxine (z. B. Staphylokokken oder Bacillus cereus).
- Parasitäre Infektionen: Z. B. durch Giardia lamblia oder Cryptosporidien.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Bei Kindern sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen. Bei Erwachsenen sind Frauen häufiger betroffen, außer in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen, in der Männer dominieren.
Häufigkeitsgipfel: Vorwiegend bei Kindern unter fünf Jahren und bei Erwachsenen über 70 Jahren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Etwa 20 % der weltweit auftretenden Gastroenteritiden werden durch Noroviren verursacht.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Deutschland etwa 142 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Saisonale Häufung der Erkrankung: Infektionen treten gehäuft in den Wintermonaten von Oktober bis März auf, mit einem Höhepunkt zwischen Januar und März.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Noroviren gehören zur Familie der Caliciviridae.
Erregerreservoir: Der Mensch stellt das einzige relevante Reservoir dar.
Vorkommen: Weltweit verbreitet, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, vor allem durch fäkal-orale Infektion und virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Sehr hoch; bereits wenige Viren reichen für eine Infektion aus.
Übertragungsweg
- Fäkal-oral durch kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder direkte Hand-zu-Hand-Übertragung.
- Auch aerogene Übertragung durch virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen ist möglich [1].
Eintrittspforte: Mund und Nase durch kontaminierte Nahrungsmittel oder Tröpfchen.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 6-50 Stunden, typischerweise etwa 24 Stunden.
Krankheitsdauer: In der Regel 1-2 Tage, bei schweren Verläufen kann die Symptomatik länger anhalten.
Dauer der Infektiosität: Bis zu 7-14 Tage nach Ende der Symptomatik, in seltenen Fällen über Wochen.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Es gibt keine lang anhaltende Immunität nach Infektion. Menschen können mehrfach infiziert werden, da Noroviren verschiedene Gengruppen besitzen.
Erregerspezifische Immunität: Nur eine kurzzeitige, serotypspezifische Immunität wird aufgebaut.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Plötzlicher Beginn: Die Erkrankung setzt sehr schnell ein, typischerweise mit schwallartigem Erbrechen, wässrigen Durchfällen, Bauchschmerzen und Übelkeit.
- Dauer der Symptome: Meist 1-2 Tage, selten länger.
- Dehydration (Austrocknung; Volumenmangel): Aufgrund der starken Flüssigkeits- und Elektrolytverluste kann es besonders bei Kindern und älteren Menschen zu schweren Dehydratationszuständen kommen. In schweren Fällen ist eine stationäre Aufnahme zur Flüssigkeitssubstitution erforderlich.
- Hospitalisierung: Vor allem bei Risikogruppen wie Senioren oder Menschen mit Vorerkrankungen kann eine Behandlung im Krankenhaus notwendig sein.
Prognose
- Milde Verläufe: Bei den meisten Patienten tritt nach 1-2 Tagen eine deutliche Besserung auf, insbesondere bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr und Elektrolytsubstitution.
- Schwere Verläufe: Vor allem bei älteren Menschen oder immungeschwächten Patienten besteht ein Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Nierenversagen durch Dehydration. Hier ist die Prognose abhängig von einer rechtzeitigen Therapie.
- Letalität: Die Letalität (Sterblichkeit) beträgt 0,04 %, wobei 81 % der Verstorbenen älter als 69 Jahre sind.
Impfungen und Prävention
Es gibt derzeit keinen zugelassenen Impfstoff gegen Noroviren. Präventive Maßnahmen konzentrieren sich auf strikte Hygienemaßnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen und während Ausbrüchen.
Meldepflicht
In Deutschland ist die Norovirus-Infektion nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig:
- Wenn der Erkrankte eine Arbeit gemäß § 42 IfSG ausübt (Lebensmittelzubereitung, Gesundheitswesen).
- Bei zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen mit epidemiologischem Zusammenhang.
- Wenn der direkte Nachweis des Virus aus Stuhl durch Laboratorien erbracht wird.
Literatur
- Bonifait L et al.: Detection and quantification of airborne norovirus during outbreaks in healthcare facilities. Clin Infect Dis. (2015) doi: 10.1093/cid/civ321