Multiresistente Keime – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Multiresistente Problemkeime sind: 

  • New Delhi Metallo-β-Lactamase 1 (NDM-1)-Stämme: Betreffen gramnegative Enterobakterien (Darmbakterien) wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Diese Bakterienstämme tragen das NDM-1-Gen, welches eine Metallo-β-Lactamase (ein Enzym) kodiert, die gegen fast alle Beta-Laktam-Antibiotika (einschließlich Penicilline und Cephalosporine) resistent ist. Nur wenige Antibiotika wie Tigecyclin und Colistin zeigen noch eine Wirkung.
  • Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Stämme: Betreffen Stämme von Staphylococcus aureus, die über das mecA-Gen verfügen. Dieses Gen kodiert für ein verändertes Penicillin-Bindeprotein (PBP2a), das eine stark verminderte Bindungsfähigkeit zu Beta-Laktam-Antibiotika aufweist. Dadurch sind die Bakterien resistent gegen alle Beta-Laktam-Antibiotika (einschließlich Methicillin, Oxacillin und Flucloxacillin).
  • Vancomycin-intermediär-sensible Staphylococcus aureus (VISA)-Stämme: Diese Stämme zeigen eine intermediäre Empfindlichkeit (verminderte Wirkung) gegenüber Vancomycin und anderen Glykopeptid-Antibiotika. Sie besitzen Mutationen in den Zellwandproteinen, die die Bindung von Vancomycin erschweren.
  • Vancomycin-resistente Staphylococcus aureus (VRSA)-Stämme: Diese Stämme besitzen das vanA-Gen, das ursprünglich von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) stammt. Dieses Gen vermittelt eine hohe Resistenz gegenüber Vancomycin, was die Behandlung von Infektionen mit diesen Stämmen erschwert.
  • Carbapenem-resistente Klebsiella pneumoniae (KPC)-Stämme: Diese Stämme produzieren eine Carbapenemase (ein Enzym), die sogenannte KPC (Klebsiella pneumoniae Carbapenemase), welche Carbapeneme (eine Klasse von Breitbandantibiotika) abbaut. Die Resistenz kann durch die Zugabe von Clavulansäure (einem β-Lactamase-Inhibitor) teilweise aufgehoben werden.
  • Extended Spectrum β-Lactamase (ESBL)-produzierende Erreger: Betrifft Bakterien, die aufgrund einer Punktmutation in ihren Genen in der Lage sind, eine erweiterte Form der β-Lactamase zu produzieren. Diese Enzyme hydrolysieren (spalten) Penicilline, Cephalosporine (Generation 1–4) und Monobactame, wodurch die Bakterien gegen diese Antibiotikaklassen resistent sind.

Weitere Problemkeime:

  • Mehrfach-resistente gram-positive Bakterien (MRGP/MDRGP):
    • Clostridium difficile (lebensbedrohliche Durchfallerkrankung)
    • Mycobacterium tuberculosis (Verursacher der Multidrug-Resistant Tuberculosis; MDR-TB)
    • Vancomycin/Glykopeptid-resistente Enterokokken (VRE, GRE)
    • Penicillin-resistente Pneumokokken
  • Mehrfach-resistente gram-negative Bakterien (MRGN/MDRGN):
    • Acinetobacter baumannii
    • Bakterien der Gattung Campylobacter
    • Bakterien der Gattung Salmonella (Salmonella anatum, Salmonella choleraesuis, Salmonella saintpaul, Salmonella typhimurium) (Verursacher von Durchfallerkrankungen)
    • Indol-positive Stämme des Bakteriums Proteus mirabilis 
    • Pseudomonas aeruginosa (häufigster Krankenhauskeim in Deutschland)
    • Einige Serogruppen des Enterohämorrhagischen Escherichia coli Bakteriums (EHEC) (insb. der Erregerstamm HUSEC 41 des Sequenztyps ST678, auch Stereotyp O104 genannt)
  • Andere mehrfach-resistente Krankheitserreger:
    • einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium
      • Plasmodium falciparum (Malaria tropica)
      • Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale (Malaria tertiana)
      • Plasmodium malariae (Malaria quartana)

Multiresistente Keime, die sowohl in der Human- und Veterinärmedizin beschrieben werden, sind:

  • Extended-Spektrum-β-Laktamase- (ESBL-E) und
  • Carbapenemase-produzierende (CPE) bzw. Colistin-resistente Enterobacterales (Col-E) 

Die Besiedlungsrate in der Allgemeinbevölkerung wird mit 6 bis 10 % angegeben. Hauptquelle ist die Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Ein Teil der Besiedlung wird auf zoonotisches Quellen (Tierkontakt, Lebensmittel) zurückgeführt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Multiresistente Keime sind weltweit verbreitet und treten besonders häufig in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf. Patienten mit intensiver Antibiotikatherapie, wiederholten Krankenhausaufenthalten oder chronischen Erkrankungen sind besonders gefährdet.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch direkten Kontakt mit kontaminierten Oberflächen, Händen des medizinischen Personals oder durch Mensch-zu-Mensch-Übertragung.
  • Weitere Übertragungswege: Tierkontakt, verunreinigte Lebensmittel oder kontaminierte Umweltquellen spielen ebenfalls eine Rolle. Besonders ESBL-produzierende Erreger und Carbapenemase-produzierende Enterobacterales (CPE) sind sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin beschrieben.
  • Reservoir: Hauptreservoir sind asymptomatische Träger (Menschen, die keine Symptome zeigen) und kontaminierte medizinische Materialien. Zoonotische Quellen (Tierkontakt, Lebensmittel) sind ebenfalls relevant.
  • Infektiosität: Multiresistente Erreger sind hochinfektiös, insbesondere in Umgebungen mit immungeschwächten Patienten oder in Gemeinschaftseinrichtungen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Eintritt erfolgt häufig über Wunden, Schleimhäute (Mund, Nase, Augen) oder durch invasive medizinische Maßnahmen wie Katheter und Beatmungsschläuche.
  • Nebeneintrittspforten: Kontaminierte Nahrung oder kontaminierte Injektionssubstanzen, insbesondere bei intravenösem Drogenkonsum.

Pathogenese der Infektion

  1. Adhäsion und Kolonisation: Multiresistente Keime haften zunächst an den Epithelzellen (Zellen der äußeren und inneren Körperoberflächen) der Eintrittspforten an. Besonders gefährlich ist die Kolonisation auf Schleimhäuten, in Operationswunden oder an medizinischen Geräten (z. B. Katheter, Beatmungsschläuche), die als Eintrittspforte dienen.
  2. Bildung von Biofilmen: Viele multiresistente Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa) bilden Biofilme (schützende Schleimschichten), die sie vor der Immunabwehr und Antibiotika schützen. Dadurch können sich die Erreger in den Geweben oder auf Implantaten wie Herzklappen oder Gelenkprothesen ansiedeln und schwer behandelbare Infektionen auslösen.
  3. Toxinproduktion und Gewebsschädigung: Einige multiresistente Bakterien (z. B. ESBL-bildende Klebsiella pneumoniae oder Clostridium difficile) produzieren Toxine, die zur Schädigung der Wirtsgewebe führen. Dies kann eine ausgeprägte lokale Entzündungsreaktion verursachen und den Erreger in die Blutbahn eindringen lassen (Bakteriämie).
  4. Systemische Ausbreitung: Nach Überwindung der lokalen Barrieren können die Erreger in die Blutbahn gelangen und eine systemische Infektion (Sepsis) verursachen. Dies führt zu einer systemischen Entzündungsreaktion, die durch die Freisetzung von Zytokinen (Botenstoffe des Immunsystems) verstärkt wird.
  5. Multiorganbeteiligung: Besonders bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann es zur Ausbreitung in verschiedene Organe (z. B. Lunge, Herz, ZNS) kommen, was zu Multiorganversagen und schwerwiegenden Komplikationen führt.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Aktivierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten (Fresszellen) an den Eintrittspforten. Die Biofilmbildung und die Resistenzmechanismen (z. B. veränderte Penicillin-Bindeproteine bei MRSA) erschweren jedoch die Eliminierung des Erregers.
  • Systemische Immunantwort: Die massive Freisetzung von bakteriellen Toxinen und die chronische Aktivierung des Immunsystems können zu einem Zytokinsturm (starke Entzündungsreaktion) führen, was die Gewebeschädigung verstärkt.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Abhängig vom Erreger können Haut, Atemwege, Verdauungstrakt, Harnwege und zentrales Nervensystem (ZNS) betroffen sein.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Haut und Weichteile: Chronische Wunden, Abszesse (Eiteransammlungen).
    • Lunge: Lungenentzündung mit Gewebszerstörung.
    • Harnwege: Schwere Harnwegsinfektionen.
    • ZNS: Meningitis (Hirnhautentzündung).

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Abhängig von der Infektionsstelle unspezifische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, lokale Rötung, Schwellung oder eitriger Ausfluss.
  • Fortgeschrittene Symptome: Sepsis, Multiorganversagen, Ateminsuffizienz (unzureichende Sauerstoffversorgung), neurologische Ausfälle.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Multiresistente Keime sind weltweit ein wachsendes Gesundheitsproblem, das eine erhebliche Bedrohung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen darstellt. Die Pathogenese wird durch ausgeprägte Resistenzmechanismen, Biofilmbildung und Toxinproduktion geprägt. Die frühzeitige Identifikation und Implementierung von Hygienemaßnahmen sind entscheidend, um die Ausbreitung zu verhindern und die Wirksamkeit der verfügbaren Therapien zu erhalten.

Nachfolgend werden Risikofaktoren für das Risiko der Akquirierung multiresistenter Keime aufgeführt.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Alter – zunehmendes Alter (wg. seniler Immundefizienz)
  • Sozioökonomische Faktoren – niedriger sozioökonomischer Standard
  • Berufe – Berufe in der Landwirtschaft

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mangelernährung bzw. Fehlernährung
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen)
  • Schlechte Händehygiene: Jeder vierte Patient trug bei der Aufnahme in eine US-amerikanische Reha-Einrichtung multiresistente Erreger (MRE) auf den Händen [2].
  • Krankenhaus
    • In Mehrbettzimmern häufiger als in Einzelzimmern: Das Risiko einer Infektion mit Vancomycin-resistenten Enterokokken durch den Umzug von ein Mehrbett- in ein Einbettzimmer reduzierte sich um 70 % [4].
  • Auslandsreisen (insb. Südostasien, die Westpazifikregion, der vordere Orient und die Subsahara):
    • Von 574 Reisenden, die vor einer Reise in tropische Länder frei waren von multiresistenten Erregern, kehrte die Hälfte mit multiresistenten Erregern im Darm zurück [1]. 
    • Indienrückkehrer kehrten in 76 % der Fälle mit multiresistenten Bakterienstämmen im Darm zurück, darunter auch Colistin-resistente Stämme, die das mcr-1-Gen enthielten [3].

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Chronische Hauterkrankungen, die zu Hautdefekten führen (z. B. Psoriasis (Schuppenflechte), Ekzem)
  • Diabetes mellitus
  • Immundefizienz (Abwehrschwäche)/Immundefekt

Medikamente

  • Immunsuppressiva – Medikamente, welche die Funktionen des Immunsystems vermindern
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – unter einer Behandlung mit PPI steigt bei stationären Patienten das Risiko für die Besiedlung mit antibiotikaresistenten Enterobakterien (ESBL- oder Carbapenemasen-produzierende Enterobacterales): in den letzten 30 Tagen der Behandlung war das Risiko einer positiven Kultur umfasst 50 % höher als ohne PPI [5].

Operationen

  • Operative Eingriffe jeglicher Art

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  •  Lebensmittelindustrie: Intensivtierhaltung (Massentierhaltung) unter Einsatz von Antibiotika mit Beimischung zum Tierfutter

Weitere Ursachen 

  • Iatrogen:
    • Häufiger und oft unnötiger Einsatz von Antibiotika
    • Antibiotikaeinsatz ohne vorherige Bakteriologie (Bestimmung des Erregers bzw. seiner Resistenz)

Literatur

  1. Ruppé E et al.: High Rate of Acquisition but Short Duration of Carriage of Multidrug-Resistant Enterobacteriaceae After Travel to the Tropics. Clin Infect Dis. 2015 Aug 15;61(4):593-600. doi: 10.1093/cid/civ333. 
  2. Cao J et al.: Multidrug-Resistant Organisms on Patients’ Hands. : A Missed Opportunity. JAMA Intern Med 2016; online 14. März 2016. doi:10.1001/jamainternmed.2016.0142
  3. Bernasconi OJ et al.: Travelers Can Import Colistin-Resistant Enterobacteriaceae Including Those Possessing the Plasmid-Mediated mcr-1 Gene. Antimicrob Agents Chemother. 2016 Jun 13. pii: AAC.00731-16. 
  4. McDonald EG et al.: Time-Series Analysis of Health Care-Associated Infections in a New Hospital With All Private Rooms JAMA Intern Med. Published online August 19, 2019. doi:10.1001/jamainternmed.2019.2798
  5. Willems RP et al.: Association of Proton Pump Inhibitor Use With Risk of Acquiring Drug-Resistant Enterobacterales. JAMA Network Open 2023;6(2):e230470. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2023.0470