Multiresistente Keime – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik multiresistenter Keime dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gibt es in Ihrer Familie bekannte Fälle von multiresistenten Keimen?

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen oder Infektionsquellen ausgesetzt?
    • Arbeiten Sie im medizinischen Bereich oder in der Pflege?
  • Leben Sie in einer Gemeinschaftseinrichtung (z. B. Pflegeheim, Justizvollzugsanstalt)?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen?

Reiseanamnese

  • Haben Sie in den letzten sechs Monaten eine Reise in Länder mit hoher Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) multiresistenter Keime unternommen?
    • Besonders betroffen sind Regionen in Südeuropa, z. B. Griechenland, Italien, Rumänien, Zypern, die eine hohe Sterblichkeitsrate im Zusammenhang mit resistenten Bakterien aufweisen.
    • In Asien besteht ein erhöhtes Risiko, insbesondere für ESBL-bildende Enterobakterien. ESBL-bildende Enterobakterien sind Bakterien, die das Enzym Extended-Spectrum Beta-Lactamase produzieren. Dieses Enzym macht sie resistent gegen viele Beta-Lactam-Antibiotika, einschließlich Penicillinen, Cephalosporinen und Monobactamen.
    • In ärmeren Ländern sind Antibiotikaresistenzen weitverbreitet, da es oft an ausreichender medizinischer Versorgung und Hygiene fehlt.
  • Wurden Sie während oder nach einer Auslandsreise medizinisch behandelt (z. B. Krankenhausaufenthalt, Operation, Zahnbehandlung)?
  • Haben Sie in Ländern mit unzureichenden hygienischen Bedingungen Kontakt zu medizinischen Einrichtungen gehabt?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Leiden Sie unter therapieresistenten Wundinfektionen bzw. Abszessen?
  • Haben Sie therapieresistente Atemwegsinfektionen?
  • Haben Sie therapieresistente Harnwegsinfektionen?
  • Wurden bei Ihnen bereits multiresistente Keime nachgewiesen? Wenn ja, welche?
  • Haben Sie Symptome einer chronischen Infektion (z. B. anhaltendes Fieber, wiederkehrende Infekte, Entzündungen)?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen inkl. Krankenhausaufenthalte:
    • Wurden Sie in den letzten 12 Monaten stationär behandelt?
    • Hatten Sie wiederholte oder längere Krankenhausaufenthalte?
    • Haben Sie Infektionen während eines Krankenhausaufenthalts erlitten?
  • Operationen:
    • Wurden bei Ihnen größere chirurgische Eingriffe durchgeführt?
    • Gab es postoperative Infektionen oder Wundheilungsstörungen?
  • Haben Sie eine Strahlentherapie erhalten, die Ihr Immunsystem geschwächt haben könnte?
  • Impfungen:
    • Sind Sie gegen relevante Infektionskrankheiten geimpft (z. B. Influenza, Pneumokokken, Hepatitis B)?
    • Wurde Ihr Impfschutz regelmäßig aufgefrischt?
  • Bestehen Allergien gegen Antibiotika oder andere Medikamente?
  • Haben Sie allergische Reaktionen auf Desinfektionsmittel oder andere Substanzen?

Medikamentenanamnese

  • Nehmen Sie regelmäßig oder in der Vergangenheit Antibiotika ein? Falls ja, welche und wie häufig?
  • Wurde Ihnen in den letzten sechs Monaten ein Breitbandantibiotikum verordnet?
  • Nehmen Sie Immunsuppressiva?
  • Nehmen Sie Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker)?
    • Unter einer Behandlung mit PPI steigt bei stationären Patienten das Risiko für die Besiedlung mit antibiotikaresistenten Enterobakterien (ESBL- oder Carbapenemasen-produzierende Enterobacterales): In den letzten 30 Tagen der Behandlung war das Risiko einer positiven Kultur um 50 % höher als ohne PPI [5].

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Willems RP et al.: Association of Proton Pump Inhibitor Use With Risk of Acquiring Drug-Resistant Enterobacterales. JAMA Network Open 2023;6(2):e230470. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2023.0470