Multiresistente Keime – Einleitung

Multiresistente Erreger (MRE) sind Bakterien oder Viren, die gegenüber mehreren verschiedenen Antibiotika bzw. Virostatika unempfindlich sind. Diese Erreger stellen eine erhebliche Herausforderung in der klinischen Medizin dar, insbesondere in Bezug auf die Behandlung von Infektionen und die Vermeidung ihrer Verbreitung in medizinischen Einrichtungen.

Synonyme und ICD-10: MRE, Multiresistente Keime, Multidrug-resistant organisms (MDRO); ICD-10: ICD-10-GM U81.-!: Gramnegative Erreger mit bestimmten Antibiotikaresistenzen, die besondere therapeutische oder hygienische Maßnahmen erfordern.

In den 1960er-Jahren tauchten erstmals Bakterien der Staphylokokkengruppe (Staphylococcus aureus) auf, die gegen Methicillin resistent waren. Inzwischen ist der Staphylococcus aureus gegenüber eine Reihe weiterer Antibiotika resistent. Der Methicillin-resistente Staphylococcus (= MRSA) wurde zum Synonym für Krankenhauskeime, was fälschlicherweise den Eindruck hinterlässt, dass diese Erreger nur im Krankenhaus auftreten. Tatsächlich ist häufig der Mensch der Träger dieses Erregers, ohne dass er dieses weiß und ohne dass er daran erkrankt.

Inzwischen sind auch drei Varianten des multiresistenten Staphylococcus epidermidis (S. epidermidis) bekannt geworden [6]. 

Charakteristische Laborbefunde

  • Antibiotika-Resistenz: Nachweis von Resistenz gegen mehrere Antibiotikaklassen, z. B. β-Laktame, Carbapeneme, Vancomycin.
  • Erregernachweis: Mittels Kulturanalysen und molekulardiagnostischen Methoden (PCR) wird der spezifische MRE-Typ identifiziert.
  • Mikrobiologische Untersuchung: Positiver Nachweis von MRSA, VRE, ESBL-bildenden Enterobakterien oder Carbapenem-resistenten Enterobakterien.

Formen der Erkrankung

  • Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA): Resistent gegen Methicillin und häufig weitere β-Laktam-Antibiotika.
  • Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE): Resistent gegen Vancomycin, das oft als letzte Option bei schweren Infektionen eingesetzt wird.
  • Extended Spectrum Beta-Lactamase (ESBL)-bildende Bakterien: Produzieren Enzyme, die eine Resistenz gegen Cephalosporine der dritten Generation und andere β-Laktame verleihen.
  • Carbapenem-resistente Enterobakterien (CRE): Resistent gegen Carbapeneme, die zu den letzten wirksamen Antibiotika gegen multiresistente gramnegative Bakterien gehören.

Ursachen

  • Übermäßiger Antibiotikaeinsatz: Häufige und unangemessene Anwendung von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin führt zur Entwicklung und Verbreitung von Resistenzen.
  • Hygienemängel: Unzureichende Hygienemaßnahmen in medizinischen Einrichtungen fördern die Verbreitung von MRE.
  • PatientenMultiresistente Bakterien wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) werden zunehmend ambulant erworben, d. h., dass die Keime über asymptomatische Patienten in die Familien gelangen [9].
  • Internationaler Reiseverkehr: Globaler Austausch und Migration tragen zur Verbreitung von MRE bei.

Differentialdiagnosen

  • Nicht-resistente Bakterieninfektionen: Es muss differenziert werden, ob eine Infektion durch MRE oder empfindliche Bakterien verursacht wird.
  • Viren oder Pilze: Andere Krankheitserreger, die Infektionen auslösen, aber nicht von Antibiotika beeinflusst werden.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel
: Die Prävalenz von MRE ist in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen höher. MRSA tritt häufig bei älteren Patienten und immungeschwächten Personen auf.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): In Deutschland liegt die Prävalenz von MRSA bei 0,8 bis 2,8 % der Patienten, die in eine Einrichtung aufgenommen wurden [1]. In Europa sind etwa 3-6 % der gesunden Einwohner mit ESBL-bildenden Enterobakterien besiedelt [3].

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz von Infektionen mit multiresistenten Keimen beträgt etwa 5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Saisonale Häufung der Erkrankung
: Keine spezifische saisonale Häufung, jedoch höhere Prävalenz in Einrichtungen mit hohem Patientenaufkommen.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Zu den häufigsten MRE gehören MRSA, VRE, ESBL-bildende Enterobakterien und Carbapenem-resistente Enterobakterien.

Erregerreservoir
: Menschen, die Keimträger sind (erkrankt oder klinisch gesund), sowie selten Haustiere wie Hunde, Katzen, Pferde und Schweine.

Vorkommen
: Weltweit verbreitet, besonders in medizinischen Einrichtungen.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung
: Ja, häufig durch direkten Kontakt oder über kontaminierte Oberflächen [2].

Kontagiosität
(Ansteckungskraft): Hoch, insbesondere in Krankenhausumgebungen.

Übertragungsweg
: Abhängig vom Erreger, z. B. Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion, fäkal-oral oder parenteral.

Eintrittspforte
: Haut, Schleimhäute, Atemwege, Harntrakt, oder über den Darm.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 4-10 Tage für MRSA, kann jedoch variieren.

Krankheitsdauer
: Kann akut oder chronisch verlaufen, abhängig von der Infektion und dem Erreger.

Dauer der Infektiosität
: Abhängig vom Erreger und der Behandlung, kann lange persistieren [4].

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper):: Daten variieren je nach Region und Bevölkerung [5].

Erregerspezifische Immunität
: Keine Immunität nach Besiedlung oder Infektion mit MRSA.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Viele MRE-Infektionen bleiben asymptomatisch oder unentdeckt.
  • Schwere Infektionen, wie Sepsis, Pneumonie oder Harnwegsinfektionen, treten auf, insbesondere bei immungeschwächten Patienten.
  • Rezidivierende Infektionen und Langzeitträgerstatus sind möglich.

Prognose

  • Die Letalität bei schweren MRE-Infektionen ist hoch, besonders bei Patienten mit Komorbiditäten.
  • MRSA-Sanierung kann erfolgreich sein, jedoch ist die Rezidivrate hoch.
  • Schätzungen gehen von 25.000 Todesfällen in Europa pro Jahr aufgrund von Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern aus [7].
  • In den USA werden mindestens 23.000 Todesfälle durch antibiotikaresistente Keime jährlich geschätzt [8].

Die Systematik zur Darstellung der Bedeutung der multiresistenten Keime orientiert sich nachfolgend an der Gliederung einer Krankheit.

Literatur

  1. Mielke M, Ruscher C: Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Robert Koch-Institut Juni 2014
  2. Cao J et al.: Multidrug-Resistant Organisms on Patients’ Hands.: A Missed Opportunity. JAMA Intern Med 2016; online 14. März 2016. doi:10.1001/jamainternmed.2016.0142
  3. Karanika S et al.: Fecal Colonization With Extended-spectrum Beta-lactamase–Producing Enterobacteriaceae and Risk Factors Among Healthy Individuals: A Systematic Review and Metaanalysis. Clin Infect Dis 2016; 63: 310-318
  4. Hamprecht A et al.: Colonization with third-generation cephalosporin-resistant Enterobacteriaceae on hospital admission: prevalence and risk factors. J. Antimicrob. Chemother 10.2016. doi: 10.1093/jac/dkw216
  5. Nellums LB et al.: Antimicrobial resistance among migrants in Europe: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis 2018 Published Online May 17, 2018 http://dx.doi.org/10.1016/ S1473-3099(18)30219-6
  6. Lee JYH et al.: Global spread of three multidrug-resistant lineages of Staphylococcus epidermidis. Nature Microbiology 2018;3:1175-1185
  7. Cassini A et al.: Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused by infections with antibiotic-resistant bacteria in the EU and the European Economic Area in 2015: a population-level modelling analysis. Lancet Infect Dis 2019; 19: 56-66 Published Online November 5, 2018 http://dx.doi.org/10.1016/ S1473-3099(18)30605-4
  8. Desvars-Larrive A et al.: Urban brown rats (Rattus norvegicus) as possible source of multidrug-resistant Enterobacteriaceae and meticillin-resistant Staphylococcus spp., Vienna, Austria, 2016 and 2017 Eurosurveillance 08/Aug/2019:24; 32
  9. Miller AC et al.: Hospitalizations among family members increase the risk of MRSA infection in a household Control & Hospital Epidemiology. Published online 2024:1-7. doi:10.1017/ice.2024.106

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: MRSA – eine Handreichung für Hausärzte Teil 1: Diagnostik. (AWMF-Registernummer: 053-034a), November 2013 Springer Link
  2. S1-Leitlinie: MRSA – eine Handreichung für Hausärzte Teil 2: Therapie. (AWMF-Registernummer: 053-034b), November 2013 SpringerLink
  3. S1-Leitlinie: MRSA – eine Handreichung für Hausärzte Teil 3: Altenpflegeheime. (AWMF-Registernummer: 053-034c), November 2013 Springer Link