Milzbrand (Anthrax) – Einleitung

Milzbrand ist eine hochinfektiöse Zoonose (Tierseuche), die durch das Bakterium Bacillus anthracis verursacht wird. Es handelt sich um eine potenziell lebensbedrohliche Infektion, die bei Menschen über verschiedene Wege (Haut, Lunge, Darm) zu schweren Krankheitsverläufen führen kann.

Thesaurus-Synonyme und ICD-10: Anthrax; Anthrax contagiosus; Anthrax der Haut; Anthrax der Lunge; Anthraxmeningitis; Anthrax-Pneumonie; Anthrax-Sepsis; Darmmilzbrand; Febris carbuncularis; Gastrointestinaler Anthrax; Gastrointestinaler Milzbrand; Hadern-Krankheit; Hautmilzbrand; Infektion durch Anthraxbazillen; Inhalations-Anthrax; Inhalationsmilzbrand; Intestinaler Anthrax; Intestinaler Milzbrand; Lungenmilzbrand; Milzbrand; Milzbrand der Atmungsorgane; Milzbrand des Magen-Darm-Traktes; Milzbrand-Fieber; Milzbrand-Karbunkel; Milzbrandmeningitis; Milzbrand mit Pneumonie; Milzbrand-Sepsis; Pustula maligna; respiratorischer Anthrax; respiratorischer Milzbrand; Sepsis durch Bacillus anthracis; Zerebraler Anthrax; Zerebraler Milzbrand; ICD-10-GM A22.-: Anthrax [Milzbrand]

Die Erkrankung gehört zu den bakteriellen Zoonosen (Tierseuchen).

Charakteristische Laborbefunde

  • Mikroskopischer Nachweis von Bacillus anthracis in Haut-, Blut- oder Gewebeproben.
  • Kultur: Wachstum auf Nährmedien, charakteristische Kolonienbildung.
  • PCR: Nachweis bakterieller DNA.
  • Serologie: Antikörper gegen Bacillus anthracis.
  • Blutbild: Leukozytose (Vermehrung von Leukozyten/weiße Blutkörperchen), Thrombozytopenie (Verminderung von Thrombozyten/Blutplättchen), erhöhte CRP-Werte.

Formen der Erkrankung

  • Hautmilzbrand (95 % der Fälle): Entsteht durch Hautkontakt mit infizierten Tieren oder deren Produkten. Inkubationszeit: wenige Stunden bis Tage.
  • Lungenmilzbrand: Tritt nach Inhalation von Sporen auf. Inkubationszeit: wenige Tage bis Wochen.
  • Darmmilzbrand: Folge des Konsums kontaminierter Fleischprodukte. Inkubationszeit: wenige Tage.
  • Milzbrandsepsis: Schwere systemische Verlaufsform, die aus den anderen Formen resultieren kann.
  • Injektionsmilzbrand: Durch kontaminiertes Heroin bei Injektionen. Inkubationszeit: wenige Stunden bis Tage.

Ursachen

Die Infektion wird durch den Kontakt mit Bacillus anthracis-Sporen verursacht, die in der Umwelt oder durch infizierte Tiere vorkommen. Die Sporen sind extrem widerstandsfähig und können Jahrzehnte in der Erde überleben.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind aufgrund beruflicher Exposition häufiger betroffen (2-3:1).

Häufigkeitsgipfel
: Exogene Infektionen betreffen vorwiegend Erwachsene zwischen 35 und 40 Jahren. Endogene Infektionen, wie z. B. Enteritis necroticans, betreffen vor allem Kinder.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Weltweit ca. 2.000 Fälle pro Jahr, meist in ländlichen Regionen mit Viehzucht.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Sehr selten in industrialisierten Ländern; gelegentlich bei landwirtschaftlichen Arbeitern oder Heroinkonsumenten in Europa.

Saisonale Häufung
: In wärmeren Monaten häufiger, da die Übertragung oft mit landwirtschaftlichen Aktivitäten in Verbindung steht.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Bacillus anthracis

Erregerreservoir
: Pflanzenfressende Nutz- und Wildtiere, insbesondere Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde.

Vorkommen
: Weltweit, besonders in Regionen mit intensiver Viehzucht.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung
: Selten, außer bei direktem Kontakt mit Hautläsionen.

Kontagiosität
(Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Gering, da die Übertragung meistens über Sporen aus der Umwelt erfolgt.

Übertragungsweg
: Hautverletzungen, Inhalation von Sporen, Verzehr kontaminierter Fleischprodukte, kontaminierte Injektionen.

Eintrittspforte
: Haut, Atemwege, Verdauungstrakt, Injektionsstellen.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Hautmilzbrand: Stunden bis Tage, Lungenmilzbrand: Tage bis Wochen.

Krankheitsdauer
: Je nach Verlauf zwischen Tagen und Wochen.

Dauer der Infektiosität
: Keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung, Infektiosität besteht nur durch Sporen.

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Keine systematischen Seroprävalenzstudien vorhanden.

Erregerspezifische Immunität
: Keine lebenslange Immunität nach Infektion.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Hautmilzbrand: Lokalisierte, schmerzlose schwarze Läsion (Karbunkel), die unbehandelt zur Sepsis (Blutvergiftung) führen kann.
  • Lungenmilzbrand: Initial grippeähnliche Symptome, rascher Übergang in eine lebensbedrohliche Sepsis.
  • Darmmilzbrand: Übelkeit, Erbrechen, blutiger Durchfall, schwere Bauchschmerzen.
  • Injektionsmilzbrand: Nekrotisierende Weichteilinfektion mit schwerem systemischem Verlauf.

Prognose

  • Unbehandelt ist Milzbrand häufig tödlich.
  • Hautmilzbrand: Letalität (Sterblichkeit) ca. 5 %.
  • Lungen- und Darmmilzbrand: Letalität trotz Behandlung ca. 50 %.
  • Injektionsmilzbrand: Letalität ca. 30 %.

Impfung: Eine Schutzimpfung gegen Milzbrand ist in Deutschland nicht verfügbar, wird jedoch in den USA für Risikogruppen (z. B. Militärangehörige) angeboten.

In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bereits bei Verdacht auf Milzbrand namentliche meldepflichtig.