Meningokokkensepsis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Neisseria meningitidis (Meningokokken) ist ein gramnegatives, bekapseltes, diplokokkenförmiges Bakterium. Es gehört zur Familie der Neisseriaceae und wird anhand seiner Kapselstruktur in verschiedene Serogruppen (A, B, C, Y und W) unterteilt. Meningokokken sind ausschließlich beim Menschen anzutreffen und besiedeln typischerweise den Nasen-Rachen-Raum.
  • Genom: Meningokokken besitzen ein einzelsträngiges, zirkuläres DNA-Genom, das die für die Pathogenität entscheidenden Faktoren kodiert. Diese beinhalten Gene für Adhäsine (Oberflächenstrukturen zur Anheftung), Kapselproteine und Endotoxine (Lipooligosaccharide).
  • Virulenz: Die Virulenz wird durch die Fähigkeit des Bakteriums vermittelt, seine Kapsel zu nutzen, um der Phagozytose durch Immunzellen zu entgehen. Zudem produziert N. meningitidis Endotoxine, die bei Freisetzung eine starke Entzündungsreaktion auslösen und eine Dissemination im Blut fördern.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Meningokokkeninfektionen treten weltweit auf und verursachen lokale Ausbrüche sowie Epidemien. Besonders anfällig sind Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte und engen Lebensbedingungen.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion (z. B. Husten, Niesen, enger körperlicher Kontakt).
  • Weitere Übertragungswege: In seltenen Fällen kann die Übertragung auch durch direkten Kontakt mit Nasensekreten erfolgen.
  • Reservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für Meningokokken.
  • Infektiosität: Meningokokken sind hochansteckend, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kasernen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt über die Schleimhäute des Nasen-Rachen-Raums.
  • Nebeneintrittspforten: Direkter Kontakt mit verletzter Haut oder Schleimhäuten, besonders bei offenen Wunden.

Pathogenese des Erregers

  • Kolonisation und Adhäsion: Nach dem Eintritt in den Nasen-Rachen-Raum heften sich die Bakterien über Typ-IV-Pili (spezielle Anheftungsstrukturen) an die Schleimhautzellen an.
  • Invasion und systemische Ausbreitung: Die Bakterien dringen in das submuköse Gewebe ein und erreichen das Blut, was zur Bakteriämie (Bakterien im Blut) führt.
  • Freisetzung von Endotoxinen: Während der Vermehrung und des Zerfalls von Meningokokken werden Endotoxine freigesetzt, die eine massive Immunantwort auslösen.
  • Systemische Entzündungsreaktion: Die freigesetzten Endotoxine verursachen eine systemische Entzündungsreaktion, die zu Schädigungen der Blutgefäße und zu einem septischen Schock (Kreislaufschock) führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Die Aktivierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten im Nasen-Rachen-Raum führt zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (z. B. IL-1, TNF-α).
  • Systemische Immunantwort: Bei Übertritt in den Blutkreislauf kommt es zur Aktivierung des Komplementsystems und einer überschießenden Zytokinfreisetzung, die das Endothel (die innere Schicht der Blutgefäße) schädigt und eine Verbrauchskoagulopathie (stark ablaufende Blutgerinnung mit nachfolgender Blutungsneigung) auslöst.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Zentrale Nervenstruktur (Meningen), Nebennieren, Haut und Kreislaufsystem.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • ZNS: Meningitis (Hirnhautentzündung) mit entzündlicher Schwellung der Meningen.
    • Nebennieren: Hämorrhagische Nekrose (Zelltod durch Blutungen, z. B. beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom).
    • Haut: Petechien (punktförmige Hautblutungen) und Purpura (großflächige Hautblutungen) durch Endothelschäden.
    • Kreislaufsystem: Septischer Schock und Multiorganversagen.

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Unspezifische Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Nackensteifigkeit (Meningismus).
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Petechiale Hautblutungen und Purpura fulminans.
    • Kreislaufschock mit Hypotonie (niedriger Blutdruck).
    • Akutes Organversagen (z. B. Nieren- oder Leberversagen).

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Meningokokkensepsis ist eine schwerwiegende, oft lebensbedrohliche Erkrankung, die durch eine systemische Infektion mit Neisseria meningitidis ausgelöst wird. Die Freisetzung von Endotoxinen verursacht eine massive Immunantwort, die zu einer systemischen Entzündungsreaktion und Verbrauchskoagulopathie führt. Die klinische Relevanz liegt in der raschen Diagnosestellung und Therapieeinleitung, um die hohe Letalität und das Risiko für bleibende Schäden zu reduzieren. Der Einsatz von Antibiotika (z. B. Ceftriaxon) und supportive Maßnahmen (z. B. Volumenersatztherapie) ist essenziell, um die Progression zu stoppen.

Ätiologie (Ursachen)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektion mit dem Bakterium Neisseria meningitidis

Risikofaktoren, die eine Meningokokkeninfektion begünstigen, finden Sie unter dem Subthema "Prävention".