Meningokokkensepsis – Einleitung
Bei der Meningokokkensepsis handelt es sich um die schwer verlaufende Komplikation einer Meningitis (Hirnhautentzündung), die durch das Bakterium Neisseria meningitidis (Meningokokken von Typ A, B, C, Y und W135) übertragen wird. Ca. 70 % aller Meningokokken-Infektionen erfolgen durch den Serotyp B und ca. 30 % durch die Serogruppe C.
ICD-10-GM A39.0: Meningokokkenmeningitis; ICD-10-GM A39.2: Akute Meningokokkensepsis; ICD-10-GM A39.3: Chronische Meningokokkensepsis
Die Meningokokkensepsis gehört neben der Meningokokken-Meningitis (Gehirnhautentzündung) zu den invasiv verlaufenden Meningokokkeninfektionen.
Charakteristische Laborbefunde
- Blutkultur: Nachweis von Neisseria meningitidis in Blutkulturen, was die Diagnose einer Meningokokkensepsis bestätigt.
- Entzündungsmarker: Deutlich erhöhte C-reaktive Protein (CRP)-Werte und erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG).
- Leukozytose: Erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut, was auf eine systemische Infektion hinweist.
- Thrombozytopenie: Erniedrigte Thrombozytenzahl, was auf eine Verbrauchskoagulopathie oder ein Waterhouse-Friderichsen-Syndrom hinweisen kann.
- Gerinnungsparameter: Erhöhte D-Dimere und verlängerte Prothrombinzeit (PT), was auf eine disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC) hinweisen kann.
- Lactat: Erhöhter Lactatspiegel im Blut als Zeichen eines septischen Schocks.
- Elektrolyte: Dysnatriämie (insbesondere Hyponatriämie/Natriummangel) kann vorliegen.
- Blutgasanalysen: Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung) als Folge eines septischen Schocks.
- Liquoruntersuchung (bei begleitender Meningitis/Hirnhautentzündung)): Erhöhte Zellzahl (Pleozytose), erniedrigter Glucosespiegel, erhöhter Proteingehalt, und positiver Gram-Färbung für Meningokokken im Liquor.
Diese Laborbefunde sind nicht nur für die Diagnose, sondern auch für das Management und die Überwachung des Krankheitsverlaufs entscheidend. Eine frühzeitige und wiederholte Laboruntersuchung ist wichtig, um den Zustand des Patienten zu überwachen und die Therapie anzupassen.
Formen der Meningokokkensepsis
- Akute Meningokokkensepsis: Plötzlich einsetzende, lebensbedrohliche Infektion mit rasch fortschreitendem Verlauf.
- Chronische Meningokokkensepsis: Langsam verlaufende Form mit weniger ausgeprägten, aber persistierenden Symptomen.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Meningokokkensepsis betrifft beide Geschlechter gleichermaßen.
Häufigkeitsgipfel: Die Inzidenz ist bei Kindern unter fünf Jahren sowie bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren am höchsten.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit ist die Meningokokkensepsis selten, mit einer Prävalenz von 0,5 bis 5 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr in den Industrieländern.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz für Meningokokken-Erkrankungen liegt bei etwa 0,5 bis 5 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Saisonale Häufung: Es gibt eine leichte Zunahme der Fälle in den Winter- und Frühlingsmonaten.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Neisseria meningitidis (Meningokokken) der Serogruppen A, B, C, Y und W135.
Erregerreservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für Meningokokken.
Vorkommen: Meningokokken sind weltweit verbreitet, mit höheren Fallzahlen in bestimmten Regionen Afrikas, bekannt als "Meningitisgürtel".
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, insbesondere durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt, wie Husten, Niesen oder Küssen.
Kontagiosität (Ansteckungskraft): Die Ansteckungskraft ist hoch, insbesondere bei engem Kontakt in Gemeinschaftseinrichtungen oder Haushalten.
Übertragungsweg: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Husten und Niesen freigesetzt werden und durch Schleimhautkontakt (Nase, Mund, Augen) aufgenommen werden.
Eintrittspforte: Die Erreger dringen durch die Schleimhäute der oberen Atemwege in den Körper ein.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2 bis 10 Tage, typischerweise jedoch 3 bis 4 Tage.
Krankheitsdauer: Die Dauer der Erkrankung variiert, kann jedoch bei schwerem Verlauf innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich sein.
Dauer der Infektiosität: Patienten sind so lange ansteckend, wie sie Erreger im Nasen-Rachen-Raum tragen. Die Infektiosität kann durch eine adäquate Antibiotikatherapie rasch reduziert werden.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Die Seroprävalenz variiert je nach Region und Altersgruppe. In Endemiegebieten ist sie höher.
Erregerspezifische Immunität: Nach einer Infektion oder Impfung besteht eine serogruppenspezifische Immunität, jedoch nicht gegen alle Serogruppen.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Meningokokkensepsis: In ca. 1 % aller Meningokokken-Infektionen kommt es zu einer Meningokokkensepsis.
- Waterhouse-Friderichsen-Syndrom: Bei 10-20 % der Betroffenen tritt das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom auf, bei dem es zusätzlich zur Sepsis zu einem Versagen der Nebennierenrinde, zur Verbrauchskoagulopathie (lebensbedrohlicher Zustand, bei dem durch eine stark ablaufende Blutgerinnung Gerinnungsfaktoren verbraucht werden und daraus eine starke Blutungsneigung entsteht) und zu einem Kreislaufschock kommt.
Prognose
- Letalität: Die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) der Meningokokkensepsis beträgt ca. 10 %. Beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom liegt sie bei ca. 35-50 %.
- Beeinflussende Faktoren: Die Prognose hängt stark vom frühzeitigen Erkennen und Behandeln der Infektion ab. Eine schnelle und intensive medizinische Therapie kann die Überlebensrate verbessern und das Risiko für bleibende Schäden reduzieren.
- Langfristige Komplikationen: Trotz optimaler Behandlung bleibt das Risiko für langfristige Komplikationen und Tod hoch. Patienten, die eine Meningokokkensepsis überleben, können an Folgeschäden wie neurologischen Defiziten oder Amputationen leiden.
Prävention und Meldepflicht
- Prävention: Schutzimpfungen gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W, Y und B sind verfügbar und werden in bestimmten Fällen empfohlen.
- Meldepflicht: In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod namentlich zu erfolgen.
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung