MERS-Coronavirus – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Das MERS-Coronavirus (MERS-CoV) gehört zur Familie der Coronaviridae und zur Gattung Betacoronavirus. Es handelt sich um ein behülltes RNA-Virus (Virushülle aus Lipiden mit eingelagerten Proteinen und genetischem Material in Form von RNA), das schwere Atemwegserkrankungen beim Menschen auslösen kann. Die Virusstruktur enthält das Spike-Glykoprotein (S-Protein), das den Eintritt in Zielzellen ermöglicht, indem es an den zellulären Rezeptor Dipeptidylpeptidase 4 (DPP4) bindet.
  • Genom: MERS-CoV besitzt ein einzelsträngiges RNA-Genom (RNA = Ribonukleinsäure), das die genetische Information für die Virusvermehrung und Virulenz (Fähigkeit, eine Krankheit zu verursachen) enthält. Es kodiert für strukturelle Proteine wie das Spike-Protein, das Membranprotein (M-Protein) und das Nukleokapsidprotein (N-Protein) sowie für nicht-strukturelle Proteine, die die Replikation (Vermehrung) des Virus in der Wirtszelle ermöglichen.
  • Virulenz: Die Virulenz (Krankheitserzeugungskraft) des Virus wird durch das Spike-Protein vermittelt, welches eine effiziente Bindung an den DPP4-Rezeptor auf Zellen der Atemwege ermöglicht. Zusätzlich besitzt das Virus Proteine, die die Typ-I-Interferon-Antwort (erste Immunabwehrreaktion) unterdrücken und so eine Immunantwort des Körpers verzögern.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: MERS-CoV wurde 2012 erstmals in Saudi-Arabien entdeckt und ist seitdem in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens aufgetreten. Vereinzelt wurden Fälle durch Reiserückkehrer in andere Regionen eingeschleppt.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch direkten Kontakt mit infizierten Dromedaren (Zwischenwirte), insbesondere durch den Kontakt mit ihren Sekreten.
  • Weitere Übertragungswege: Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind möglich, aber weniger effizient als bei anderen Coronaviren (z. B. SARS-CoV-2). Häufig tritt eine Übertragung in medizinischen Einrichtungen bei unzureichendem Schutz auf.
  • Reservoir: Als natürliches Reservoir gelten Fledermäuse, während Dromedare als Zwischenwirt fungieren und das Virus auf den Menschen übertragen können.
  • Infektiosität: MERS-CoV ist im Vergleich zu anderen Coronaviren weniger infektiös, aber das Risiko für schwere Verläufe ist höher. Besonders gefährdet sind Menschen mit chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes, Bluthochdruck).

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt primär über die Schleimhäute der oberen Atemwege (Nase und Rachen) durch Inhalation von virusbeladenen Tröpfchen.
  • Nebeneintrittspforten: Weitere Eintrittspforten sind die Schleimhäute der Augen (Bindehaut) oder ein direkter Kontakt mit kontaminierten Oberflächen, gefolgt von einer Übertragung auf die Schleimhäute.

Pathogenese des Erregers

  1. Bindung an Zielzellen: MERS-CoV bindet über sein Spike-Protein an den DPP4-Rezeptor (Dipeptidylpeptidase-4) auf der Oberfläche von Epithelzellen (Deckgewebszellen) in den oberen und unteren Atemwegen.
  2. Zellinvasion: Nach der Bindung an den Rezeptor erfolgt die Aufnahme des Virus durch Endozytose (Aufnahme in die Zelle durch Einstülpung der Zellmembran). Innerhalb der Zelle wird das virale Genom (RNA) freigesetzt und der Replikationszyklus beginnt.
  3. Replikation und Transkription: Das virale Genom wird in der Wirtszelle vervielfältigt und es entstehen virale mRNA-Stränge, die für die Produktion neuer Virusproteine (z. B. Spike-Protein) verwendet werden. Die nicht-strukturellen Proteine des Virus verhindern dabei die Aktivierung antiviraler Signalwege in der Wirtszelle.
  4. Virusassembly und Freisetzung: Nach der Produktion neuer Viruspartikel werden diese im endoplasmatischen Retikulum (Zellorganell für Proteinverarbeitung) zusammengesetzt und über Vesikel (Membranbläschen) an die Zelloberfläche transportiert. Durch Fusion der Vesikel mit der Zellmembran werden die neuen Viruspartikel freigesetzt und infizieren benachbarte Zellen.
  5. Zytopathische Effekte und Gewebeschädigung: Die massenhafte Virusvermehrung führt zur Zerstörung der infizierten Zellen (Zytolyse) und zur Freisetzung großer Mengen an Virionen. Dies verursacht eine ausgeprägte Entzündungsreaktion in den betroffenen Geweben, insbesondere in den Lungenbläschen (Alveolen).
  6. Systemische Ausbreitung: In schweren Fällen kann das Virus in den Blutkreislauf gelangen und weitere Organe wie die Nieren, Leber und Darmzellen befallen, was zu einer systemischen Erkrankung mit Multiorganversagen führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Die Infektion der Epithelzellen aktiviert die angeborene Immunantwort über Toll-like-Rezeptoren (TLRs), die virale RNA erkennen. Dies führt zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (z. B. Interleukin-6 und Interferon-γ), die eine starke Entzündungsreaktion initiieren.
  • Systemische Immunantwort: Bei schwerer Infektion kommt es zur Freisetzung großer Mengen an Zytokinen („Zytokinsturm“), die zu einer dysregulierten Entzündungsantwort führen und Gewebeschäden in verschiedenen Organen verursachen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Lunge, Nieren, Leber und Darm.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Lunge: Schädigung der Alveolarzellen (Lungenbläschenzellen) führt zu einem diffusen Alveolarschaden und akuten Lungenversagen (ARDS).
    • Niere: Akute Niereninsuffizienz (Ausfall der Nierenfunktion) durch direkte Virusinvasion und Entzündung.
    • Leber: Entzündliche Veränderungen und Hepatitis (Leberentzündung).
    • Darm: Milder Verlauf mit Durchfällen aufgrund der Virusvermehrung in den Enterozyten (Darmzellen).

Klinische Manifestation

  • Frühsymptome: Fieber, Husten, Halsschmerzen, Muskelschmerzen und allgemeine Schwäche.
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Lungenentzündung mit zunehmender Atemnot.
    • Akutes Atemnotsyndrom (ARDS) mit respiratorischer Insuffizienz (unzureichende Sauerstoffversorgung).
    • Akute Niereninsuffizienz (Ausfall der Nierenfunktion).
    • Multiorganversagen bei schweren Verläufen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die MERS-Coronavirus-Infektion ist eine schwere Atemwegserkrankung, die durch das MERS-CoV-Virus verursacht wird. Das Virus bindet an den DPP4-Rezeptor und führt zu einer massiven Zerstörung der Epithelzellen, besonders in den Atemwegen. Die klinische Relevanz liegt in der frühzeitigen Diagnosestellung und Isolation der Patienten, um die Ausbreitung zu verhindern. Eine intensivmedizinische Betreuung ist notwendig, um die hohe Letalität (Sterblichkeit) zu senken und Multiorganversagen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Infektion mit dem MERS-Coronavirus

Weitere Ursachen 

  • Kontakt zu Dromedaren, insbesondere zu kranken Tieren
  • Besuch von Farmen, auf denen sich Dromedare aufhalten
  • Verzehr roher oder unvollständig erhitzter Lebensmittel von Dromedaren, z. B. Milch, Käse oder Fleisch
  • Kontakt mit einem Patienten mit bestätigter oder wahrscheinlicher MERS-CoV-Infektion