Lymphogranuloma venereum – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Chlamydia trachomatis Serovare L1, L2 und L3 sind die spezifischen Erreger des Lymphogranuloma venereum (LGV). Es handelt sich um gramnegative, intrazellulär lebende Bakterien.
- Genom: Das Bakterium besitzt ein kleines, zirkuläres DNA-Genom, das verschiedene Gene für die Synthese von Proteinen enthält, die für die Adhäsion (Anheftung) und Invasion von Wirtszellen verantwortlich sind.
- Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Chlamydia trachomatis Serovaren L1-L3 basiert auf ihrer Fähigkeit, die lokale Immunabwehr zu umgehen und in die Lymphbahnen einzudringen. Dies führt zu einer systemischen Ausbreitung, die durch chronische Entzündungsreaktionen und Gewebezerstörung gekennzeichnet ist.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Lymphogranuloma venereum (LGV) kommt weltweit vor, ist aber besonders in tropischen und subtropischen Regionen häufig. In Europa und Nordamerika wird es vermehrt bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), beobachtet.
- Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt meist über ungeschützten Geschlechtsverkehr (vaginal, anal oder oral). Das Infektionsrisiko ist bei Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern erhöht.
- Weitere Übertragungswege: Eine direkte Übertragung über kontaminierte Hände oder Gegenstände ist selten, kann aber bei schlechter Hygiene vorkommen.
- Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist relativ hoch, da bereits geringe Mengen des Erregers ausreichen, um eine Infektion zu verursachen. Asymptomatische Infizierte tragen wesentlich zur Weiterverbreitung bei.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Die Schleimhäute des Urogenitaltraktes und des Rektums (Mastdarm) sind die Hauptpforten für den Erreger. Auch die Haut kann bei mikrotraumatischen Läsionen (kleinste Verletzungen) als Eintrittspforte dienen.
- Nebeneintrittspforten: Über die Konjunktiva (Bindehaut) kann das Bakterium ebenfalls in den Körper gelangen und eine Augeninfektion hervorrufen.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
- Die Bakterien heften sich an die epithelialen Zellen der Eintrittspforte (z. B. im Anus oder Urogenitaltrakt) an und dringen aktiv in diese ein.
- Innerhalb der Zelle entwickelt sich der Erreger von einer infektiösen Elementarkörperchen-Form zu einer vermehrungsaktiven Retikularkörperchen-Form.
- Die Retikularkörperchen vermehren sich in der Wirtszelle und formen große intrazelluläre Einschlusskörperchen, die als zytoplasmatische Einschlüsse sichtbar sind.
- Lokale Ausbreitung und Gewebeschäden:
- Nach der Vermehrung innerhalb der Wirtszellen werden die reifen Elementarkörperchen freigesetzt, was zur Zerstörung der infizierten Zellen führt.
- Die Primärläsion (Initialläsion) entsteht an der Eintrittspforte und manifestiert sich als kleines, oft unauffälliges Ulkus (Geschwür).
- Von dort aus breitet sich der Erreger über die Lymphbahnen aus und infiziert die regionalen Lymphknoten.
- Systemische Ausbreitung:
- Die Lymphknotenreaktion führt zu einer Vergrößerung und Schmerzhaftigkeit der Lymphknoten (Lymphadenitis), die sich häufig verhärtet und zu Abszessen führen kann.
- Die entzündlichen Veränderungen können sich im Verlauf in das umgebende Gewebe ausbreiten und Fistelbildungen sowie chronische Ulzerationen verursachen.
- Bei unbehandelten Fällen kann es zu einer Fibrosierung (Narbenbildung) und zur Ausbildung von Lymphödemen (Schwellung durch Lymphstau) kommen, was zu bleibenden anatomischen Deformitäten führen kann.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- In der Eintrittspforte kommt es zu einer Aktivierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten (Form der weißen Blutkörperchen), die entzündliche Zytokine (Botenstoffe) ausschütten.
- Diese lokale Entzündungsreaktion führt zur Bildung der Primärläsion (Ulkus/Geschwür), die meist schmerzlos ist und oft unbemerkt bleibt.
- Systemische Immunantwort:
- Bei der Ausbreitung in die Lymphknoten wird das adaptive Immunsystem aktiviert, was zur Bildung von Antikörpern und spezifischen T-Zellen führt.
- Die intensive Immunantwort kann jedoch auch zu überschießenden Reaktionen und Gewebeschäden führen.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Die intrazelluläre Vermehrung schützt Chlamydia trachomatis vor humoralen Immunmechanismen wie Antikörpern und dem Komplementsystem.
- Zusätzlich besitzen die Serovare L1-L3 Mechanismen, um die Apoptose (programmierter Zelltod) der infizierten Zellen zu verzögern und damit eine persistierende Infektion zu ermöglichen.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Die primären Zielorgane sind die Lymphknoten in der Nähe der Eintrittspforte (inguinale oder rektale Lymphknoten). Bei chronischen Verläufen kann sich der Erreger jedoch auch in die benachbarten Organe und Gewebe ausbreiten.
- Resultierende Gewebeschäden: Die Gewebeschäden umfassen Ulzerationen (Geschwüre), Fistelbildungen (röhrenförmige Gänge zwischen Organen oder zur Hautoberfläche), Abszesse und Fibrosierungen (Narbenbildung). Bei chronischen Fällen kann es zur Ausbildung von Elephantiasis (extreme Schwellung durch Lymphstau) kommen.
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Primärstadium: Schmerzlose Ulzerationen (Geschwürbildung) an der Eintrittspforte (z. B. am Genitalbereich oder Anus), die oft unbemerkt bleiben.
- Sekundärstadium: Schmerzhafte Lymphadenitis (Entzündung der Lymphknoten) mit der Ausbildung von Abszessen und Fistelbildungen. Häufig kommt es zu Fieber, Schüttelfrost und allgemeinem Krankheitsgefühl.
- Tertiärstadium: Chronische Entzündung mit Fibrosierung und Gewebsdestruktion, die zu schweren Deformitäten und Lymphödemen führen kann.
- Komplikationen:
- Chronische Ulzerationen und Fistelbildungen.
- Ausbildung von Strikturen (Verengungen) im Anorektalbereich.
- Elephantiasis der Genitalien bei fortgeschrittener Fibrosierung.
- Verläufe und Schweregrade:
- Akute Verläufe manifestieren sich typischerweise mit Lymphadenopathie und systemischen Symptomen.
- Chronische Verläufe führen häufig zu schwerwiegenden Deformitäten und funktionellen Einschränkungen.
- Prognosefaktoren
- Wirtsfaktoren: Immunsuppression und unbehandelte Primärinfektionen erhöhen das Risiko für schwere Verläufe.
- Erregerfaktoren: Die Serovare L1, L2 und L3 sind besonders virulent (krankmachend) und führen häufiger zu schweren chronischen Verläufen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Lymphogranuloma venereum (LGV) ist eine sexuell übertragbare Infektion, die durch Chlamydia trachomatis Serovare L1-L3 verursacht wird. Die Pathogenese ist gekennzeichnet durch eine initiale Ulkusbildung und eine anschließende systemische Ausbreitung über die Lymphbahnen. Unbehandelt kann es zu schwerwiegenden Komplikationen wie Fistelbildungen und Elephantiasis kommen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind essenziell, um chronische Verläufe zu verhindern. Regelmäßige Screening-Programme und sichere sexuelle Praktiken sind wichtige Maßnahmen zur Prävention.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Berufe – Berufsgruppen wie Matrosen, Soldaten und Handelsreisende
- Sozioökonomische Faktoren – niedriger sozialer Status
- Geographische Faktoren – Asien, Afrika oder Südamerika
Verhaltensbedingte Ursachen
- Sexuelle Übertragung
- Promiskuität (sexuelle Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
- Prostitution
- Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
- Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
- Ungeschützter Koitus
- Sexuelle Praktiken mit hohem Risiko der Schleimhautverletzung (z. B. ungeschützter Analverkehr/Analsex)
Krankheitsbedingte Ursachen
- Andere sexuell übertragbare Erkrankungen wie Syphilis
Weitere Ursachen
- Berufsgruppen wie Matrosen, Soldaten und Handelsreisende