Lungenentzündung (Pneumonie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Pneumonien (Lungenentzündungen) können durch eine Vielzahl von Erregern verursacht werden, darunter Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Zu den häufigsten Erregern zählen:
    • Bakterien: Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken), Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa.
    • Viren: Influenza-Viren (Grippeviren), Respiratory-syncytial-Virus (RSV), Adenoviren, Herpes-simplex-Virus (HSV), Varicella-Zoster-Virus (VZV).
    • Pilze: Aspergillus, Candida, Histoplasma, Coccidioides.
    • Parasiten: Pneumocystis jirovecii, Toxoplasma gondii.
  • Genom: Je nach Erreger besitzen diese unterschiedliche genetische Strukturen:
    • Bakterien: Einzelnes, ringförmiges Chromosom.
    • Viren: RNA oder DNA in einer umhüllten oder unbehüllten Struktur.
    • Pilze und Parasiten: Komplexere eukaryotische Genome.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenzfaktoren variieren je nach Erreger und umfassen:
    • Kapselbildung (bei Bakterien wie Pneumokokken),
    • Toxine (z. B. Pneumolysin bei Streptococcus pneumoniae),
    • Enzyme zur Gewebszerstörung,
    • Hemmung der Zilienbewegung (bei atypischen Erregern). Diese Faktoren ermöglichen den Erregern, das Immunsystem zu umgehen und in das Lungengewebe einzudringen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Pneumonien treten weltweit auf und sind eine der häufigsten Todesursachen durch Infektionskrankheiten. Die Inzidenz ist besonders hoch bei älteren Menschen, Neugeborenen und Personen mit chronischen Erkrankungen.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Übertragung erfolgt meist durch Tröpfcheninfektion (Aerosole beim Husten und Niesen), Aspiration (Eindringen von Fremdkörpern oder Flüssigkeit in die Atemwege) oder hämatogene Streuung (Ausbreitung über das Blut).
  • Weitere Übertragungswege:
    • Übertragung durch kontaminierte Gegenstände bei Viren und Bakterien.
    • Diaplazentare Übertragung bei einigen Erregern wie Toxoplasma gondii.
  • Reservoir: Das Hauptreservoir hängt vom Erreger ab:
    • Bakterien und Viren: Infizierte Menschen und Tiere.
    • Pilze und Parasiten: Umwelt (Boden, Wasser, Tierkot).
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch bei direktem Kontakt mit infektiösen Sekreten. Nosokomiale Pneumonien (im Krankenhaus erworbene Pneumonien) haben eine besonders hohe Übertragungsrate.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Erreger gelangen primär durch die oberen Atemwege (Nase und Rachen) in die Lunge.
  • Nebeneintrittspforten:
    • Aspiration (z. B. von Mageninhalt bei Schluckstörungen).
    • Hämatogene Streuung (über das Blut, z. B. bei Sepsis (Blutvergiftung) oder Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)).
    • Direkte Inokulation bei Verletzungen der Brustwand oder nach chirurgischen Eingriffen.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen und Kolonisation der Atemwege:
    • Die Erreger dringen über die oberen Atemwege in das Lungengewebe ein und haften sich an die Epithelzellen der Bronchien (Zellen der Bronchialschleimhaut).
    • Bakterielle Erreger wie Streptococcus pneumoniae verwenden Adhäsine (Oberflächenmoleküle), um an die Schleimhäute zu binden.
  2. Invasion und lokale Ausbreitung:
    • Die Erreger überwinden die mukoziliäre Clearance (Schutzmechanismus der Atemwege), indem sie die Zilienbewegung (Bewegung der Flimmerhaare) hemmen.
    • Sie setzen Enzyme und Toxine frei, die die zelluläre Integrität stören und Gewebsschäden verursachen. Dies führt zu einer lokalen Entzündungsreaktion.
  3. Entzündungsprozess und Gewebeschäden:
    • Die entzündliche Reaktion führt zur Ansammlung von Immunzellen (z. B. Makrophagen (Fresszellen) und neutrophile Granulozyten) und zur Freisetzung von Zytokinen (entzündungsfördernde Botenstoffe), was zu einer Schädigung der Alveolen (Lungenbläschen) führt.
    • Es kommt zu einer Ödembildung (Flüssigkeitsansammlung) und einer Akkumulation von Fibrin (fibrinreiches Exsudat) in den betroffenen Lungenbereichen, was die Gasaustauschfläche reduziert.
  4. Verlust der Lungenfunktion:
    • Durch den Entzündungsprozess wird die Lungenfunktion eingeschränkt, was zu einem Perfusions-Ventilations-Missverhältnis (Ungleichgewicht zwischen Belüftung und Durchblutung) führt.
    • Es entsteht eine Hypoxie (Sauerstoffmangel) im Körpergewebe. In schweren Fällen kann dies zu einer Ateminsuffizienz und zum Lungenversagen führen.
  5. Systemische Ausbreitung:
    • Einige Erreger können sich über das Blut verbreiten und eine Sepsis (Blutvergiftung) auslösen.
    • Diese systemische Streuung führt zu weiteren Komplikationen, wie Endokarditis (Herzinnenhautentzündung) oder Meningitis (Hirnhautentzündung).

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Infektion aktiviert die angeborene Immunantwort durch Makrophagen, dendritische Zellen und neutrophile Granulozyten (Immunzellen).
    • Diese setzen proinflammatorische Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α frei, die die Entzündungsreaktion verstärken und zur Rekrutierung weiterer Immunzellen führen.
  • Systemische Immunantwort:
    • Bei einer systemischen Ausbreitung der Erreger wird die adaptive Immunantwort durch T-Lymphozyten und spezifische Antikörper aktiviert.
    • Eine übermäßige Immunantwort kann zu einem Zytokinsturm (überschießende Entzündungsreaktion) führen, was eine systemische Entzündung und Multiorganversagen verursacht.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Die Lunge ist das Hauptzielorgan, insbesondere die Bronchien und Alveolen (Lungenbläschen).
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Entzündung führt zur Bildung von Fibrin (netzartiges Protein), Ödemen und in schweren Fällen zur Gewebezerstörung und Fibrose (Narbenbildung).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Klassische Symptome einer Pneumonie umfassen Fieber, Husten, Atemnot und Thoraxschmerzen (Brustschmerzen).
    • Bei schweren Verläufen kommt es zu Zyanose (Blaufärbung der Haut), Bewusstseinstrübungen und Atemversagen.
  • Komplikationen:
    • Lungenabszess, Pleuraempyem (Eiteransammlung im Brustfell), Sepsis und respiratorisches Versagen.
    • Bei Patienten mit Grunderkrankungen kann es zu einem multiorganischen Versagen kommen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pneumonie ist eine häufige Infektionskrankheit der Lunge, die durch eine Vielzahl von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten verursacht werden kann. Die Pathogenese ist durch eine lokale Entzündungsreaktion und eine Störung der Lungenfunktion gekennzeichnet. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind essenziell, um Komplikationen und eine erhöhte Mortalität (Sterblichkeit) zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetische Erkrankungen
      • Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehl- und Mangelernährung, Unterernährung
    • Erhöhte Zufuhr und erhöhte Serumspiegel an Kupfer, Cadmium, Blei
    • siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen) [1, 2]
  • Bettlägerigkeit
  • Aspiration – Einatmen von z. B. Magensäure, Speiseresten, Fremdkörpern
    • Cave! Die Behandlung mit GLP-1-Rezeptoragonisten erhöhen offenbar das Risiko einer Aspirationspneumonie nach einer Endoskopie: 33 Prozent höher als bei Patienten, die diese Medikamente vor dem Eingriff nicht einnahmen; absolute Risiko lag bei 0,63 Prozent versus 0,83 Prozent. [10].

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Allergien
  • Allgemeine Abwehrschwäche – z. B. bei HIV-Infektion, Immunsuppression (inkl. neutropenischer Patienten nach Chemotherapie, nach Transplantation sowie Patienten mit einer chronischen immunsuppressiven Therapie bei Systemerkrankungen)
  • Chronische Leber- und Nierenerkrankungen
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen – akute Herzinsuffizienz mit Rückstau des Blutes im Lungenkreislauf (Stauungspneumonie)
  • Infektionserkrankungen – Keuchhusten, Masern, Influenza (Grippe)
  • Lungenembolien
  • Lungenerkrankungen – chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenemphysem, Bronchiektasen (Synonym: Bronchiektasie), Bronchitis
  • Schlechter Allgemeinzustand und Untergewicht
  • Verlegung eines Bronchus – z. B. durch Bronchialkarzinom

Medikamente

  • Benzodiazepine
    • bei Patienten, die an Morbus Alzheimer leiden (+28 %) [7]
    • in der Gruppe der schlaffördernden Benzodiazepine: Steigerung der Pneumonierate 2,4-fach ; bei Nicht-Benzodiazepin-Schlafmitteln, den sog. Z-Substanzen, und angstlösenden Benzodiazepinen: Steigerung der Pneumonierate 1,6- bzw. 1,5-fach [8]
  • GLP-1-Rezeptoragonisten erhöhen offenbar das Risiko einer Aspirationspneumonie nach einer Endoskopie: 33 Prozent höher als bei Patienten, die diese Medikamente vor dem Eingriff nicht einnahmen; absolute Risiko lag bei 0,63 Prozent versus 0,83 Prozent. [10].
  • Glucocorticoide [Aspergillose]
  • Nitrofurantoin → eosinophile Pneumonie (als Nebenwirkung)
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker): 1,0 % der Probanden ohne und 2,4 % der Probanden mit PPI-Therapie haben ein erhöhtes Risiko für eine ambulant erworbene Pneumonie (AEP; englisch CAP = community acquired pneumonia) [5]
  • Ustekinumab → „nichtinfektiöse“ Pneumonie [9]
  • Zytostatika

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Luftschadstoffe: Feinstaub [5]

Weiteres

  • Tragen von Zahnprothesen während des Nachtschlafs; 2,38-faches Pneumonie-Risiko (im Vergleich zu denen, die nachts die Prothese aus dem Mund nahmen) [4]

Nosokomiale Pneumonie (hospital-acquired pneumonia, HAP)

Risikofaktoren für Infektionen mit multiresisten Erregern (MRE) [3]

  • Hospitalisierung > 4 Tage
  • antimikrobielle Therapie
  • Aufenthalt Intensivstation
  • invasive Beatmung > 4-6 Tage
  • Malnutrition
  • strukturelle Lungenerkrankung
  • bekannte Kolonisation durch multiresistente Erreger
  • Aufnahme aus Langzeitpflegebereichen, chronische Dialyse, Tracheostomaträger, offene Hautwunden

Literatur

  1. Deutsches Krebsforschungszentrum Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
  2. Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
  3. S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie. (AWMF-Registernummer: 020-013), März 2024 Kurzfassung Langfassung
  4. Iunuma T, Arai Y, Abe Y et al.: Denture Wearing during Sleep Doubles the Risk of Pneumonia in the Very Elderly. J Dent Res 2015; 94 (3 Suppl): 28-36.
  5. Othman F et al.: Community acquired pneumonia incidence before and after proton pump inhibitor prescription: population based study. BMJ 2016; 355: i5813
  6. Hussey SJK et al.: Air pollution alters Staphylococcus aureus and Streptococcus pneumoniae biofilms, antibiotic tolerance and colonisation. Environmental Microbiology First published: 28 February 2017 doi: 10.1111/1462-2920.13686
  7. Taipaie H et al.: Risk of pneumonia associated with incident benzodiazepine use among communitydwelling adults with Alzheimer disease. CMAJ 2017 April 10;189:E519-29. doi: 10.1503/cmaj.160126
  8. Chen TY et al.: The Use of Benzodiazepine Receptor Agonists and the Risk of Hospitalization for Pneumonia. Chest 2018; 153(1):161-171. doi.org/10.1016/j.chest.2017.07.030
  9. Brinker A et al.: Association of Noninfectious Pneumonia With Ustekinumab Use. JAMA Dermatol. Published online December 12, 2018. doi:10.1001/jamadermatol.2018.4118
  10. Yeo YH et al.: Increased Risk of Aspiration Pneumonia Associated With Endoscopic Procedures Among Patients With Glucagon-like Peptide 1 Receptor Agonist Use Gastrology arch 27, 2024 doi:https://doi.org/10.1053/j.gastro.2024.03.015

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie. (AWMF-Registernummer: 020-013), März 2024 Kurzfassung Langfassung