Listeriose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Listeriose wird durch das Bakterium Listeria monocytogenes (Listerien-Bakterium) verursacht, ein grampositives Stäbchenbakterium (Bakterienart, die bei einer speziellen Färbung positiv reagiert und eine stäbchenförmige Struktur aufweist) aus der Familie der Listeriaceae.
  • Genom: Listeria monocytogenes besitzt ein ringförmiges DNA-Genom (Erbmaterial in ringförmiger Struktur), das für Virulenzfaktoren (Moleküle, die das Bakterium krankheitserregender machen) wie das Listeriolysin O (LLO, ein Toxin zur Zerstörung von Zellen) und ActA (Protein zur Bewegung im Inneren von Zellen) kodiert.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz wird durch die Fähigkeit vermittelt, sich intrazellulär (innerhalb von Zellen) zu vermehren und sich durch Aktin-getriebene Fortbewegung (Bewegung entlang der zellulären Strukturproteine) innerhalb und zwischen den Wirtszellen auszubreiten. Dies ermöglicht den Bakterien, der Immunabwehr (Abwehrsystem des Körpers) zu entgehen und systemische Infektionen zu verursachen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Listeriose tritt weltweit auf und ist besonders in Industrienationen von Bedeutung. Sie betrifft vorwiegend ältere Menschen, Schwangere, Neugeborene und Immuninkompetente (Personen mit schwacher Immunabwehr). In Deutschland sind jährlich etwa 300 bis 600 Fälle bekannt.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Übertragung erfolgt primär durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln (z. B. rohes Fleisch, unpasteurisierte Milchprodukte oder vorgefertigte Salate).
    • Listerien können auch durch Kontakt mit kontaminierten Oberflächen (z. B. in Schlachthäusern oder Lebensmittelbetrieben) auf Nahrungsmittel gelangen.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Diaplazentare Übertragung (Übertragung von der Mutter auf den Fötus durch die Plazenta) oder peripartale Infektion (während der Geburt) führt zu neonataler Listeriose (Listeriose bei Neugeborenen).
    • Kontaktinfektion bei Berührung von kontaminiertem Tiermaterial oder bei Kontakt mit infizierten Personen.
  • Reservoir: Listerien kommen in der Umwelt (Boden, Wasser) sowie in Nutztieren (insbesondere Rindern, Schweinen und Schafen) vor und sind auf landwirtschaftlichen Betrieben und in Nahrungsmittelverarbeitungsanlagen verbreitet.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist besonders bei immunologisch geschwächten Personen (Personen mit geschwächter Immunabwehr) hoch, da bereits geringe Mengen der Erreger eine Infektion auslösen können.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Eintritt erfolgt primär über den Magen-Darm-Trakt (Verdauungstrakt) nach dem Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln. Die Bakterien dringen durch die Darmepithelzellen (Zellen der Darmschleimhaut) in das Gewebe ein.
  • Nebeneintrittspforten:
    • Diaplazentare Übertragung (Übertragung durch die Plazenta) von der infizierten Mutter auf den Fetus.
    • Peripartale Infektion (während der Geburt) durch Kontakt mit dem vaginalen Sekret oder das Fruchtwasser.
    • Hautläsionen (kleinste Verletzungen der Haut) bei direktem Kontakt mit kontaminiertem Material.

Pathogenese des Erregers

  1. Bindung an Epithelzellen und Invasion:
    • Nach der Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt binden sich die Listerien an die Epithelzellen des Dünndarms (Zellen der Darmschleimhaut) mittels Internalin A und Internalin B (Oberflächenproteine), die spezifische Rezeptoren der Zellen erkennen.
    • Die Bindung löst eine Endozytose (Aufnahme in die Zelle) aus, bei der die Bakterien in Vesikel, sogenannte Phagosomen (Zellbläschen, die Mikroben umschließen), eingeschlossen werden.
  2. Freisetzung in das Zytoplasma und intrazelluläre Vermehrung:
    • Im Inneren der Phagosomen setzen die Listerien Listeriolysin O (LLO) frei, ein Toxin, das die Membran der Phagosomen zerstört und die Bakterien in das Zytoplasma (Zellflüssigkeit) freisetzt.
    • Im Zytoplasma vermehren sich die Bakterien und bilden den ActA-Protein-Komplex, der die Aktinpolymerisation (Verknüpfung der zellulären Strukturproteine) aktiviert und einen Aktinschwanz ausbildet, der den Bakterien eine schnelle Fortbewegung innerhalb der Zelle ermöglicht.
  3. Zell-zu-Zell-Ausbreitung und systemische Dissemination:
    • Die Listerien bewegen sich mithilfe des Aktinschwanzes und bilden Listeriopoden (Zellfortsätze), die die benachbarten Zellen durchdringen und eine direkte Zell-zu-Zell-Übertragung ermöglichen, ohne dass die Bakterien dem Immunsystem ausgesetzt sind.
    • Die systemische Ausbreitung erfolgt über die Lymphbahnen und das Blut, wodurch die Bakterien in Leber, Milz, Gehirn und in seltenen Fällen auch in die Plazenta gelangen.
  4. Entzündungsreaktionen und Gewebeschäden:
    • In den betroffenen Organen (z. B. Leber, ZNS) führen die Bakterien zur Bildung von Mikroabszessen (kleine Eiteransammlungen) und Granulomen (entzündliche Gewebeknoten).
    • Die Gewebeschäden resultieren aus der Zerstörung der Zellmembranen und der Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe).
  5. Beteiligung des ZNS und Meningitis:
    • In schweren Fällen überwinden die Bakterien die Bluthirnschranke (Barriere zwischen Blut und Gehirn) und dringen in das Zentralnervensystem ein, wo sie eine Meningitis (Hirnhautentzündung) und Enzephalitis (Gehirnentzündung) verursachen.
    • Dies äußert sich durch Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und neurologische Ausfälle.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Aufnahme der Bakterien durch dendritische Zellen (Immunzellen zur Aktivierung der Immunantwort) und Makrophagen (Fresszellen) führt zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α und IL-6), die die Entzündung verstärken.
    • Die Bakterien entgehen der Immunantwort durch die intrazelluläre Lokalisation und durch die Zell-zu-Zell-Ausbreitung ohne Freisetzung in die Umgebung.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort (spezifische Abwehr) wird durch die Aktivierung von T-Lymphozyten verstärkt, die die infizierten Zellen abtöten. Eine wirksame Kontrolle der Infektion erfordert eine starke Th1-Immunantwort (zelluläre Abwehr).

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Listeria monocytogenes befällt primär die Leber, die Milz und das Zentralnervensystem.
  • Resultierende Gewebeschäden: Die Infektion verursacht Mikroabszesse, Granulome und bei Beteiligung des ZNS Hirnhautentzündung und Enzephalitis.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Fieber, Gastroenteritis (Entzündung des Magens und Darms), Lymphadenitis (Entzündung der Lymphknoten) und bei ZNS-Beteiligung Nackensteifigkeit und neurologische Symptome.
  • Komplikationen:
    • Bei Schwangeren: Frühgeburt, Totgeburt oder Neugeborenenlisteriose.
    • Bei Immunsupprimierten: Sepsis, Multiorganversagen und hohe Mortalität (Sterberate).

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Listeriose ist eine schwere bakterielle Infektion, die primär durch kontaminierte Lebensmittel übertragen wird. Die Pathogenese umfasst eine intrazelluläre Vermehrung und eine systemische Ausbreitung, was besonders bei Immuninkompetenten (Personen mit geschwächter Immunabwehr) zu schweren Verläufen führen kann. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind entscheidend, um Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

 Biographische Ursachen

  • Immungeschwächte

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Kontaminierte Lebensmittel wie
      • rohes Fleisch (Rohwurst oder Hackfleisch); Räucherfisch; Rohmilch (nicht pasteurisierte Milch); Weichkäse aus nicht pasteurisierter Milch; nicht selten auch über kontaminierte pflanzliche Lebensmittel
      • veganer Käse, der nicht pasteurisiert [2]
  • Kontaktinfektionen
    • Infektion durch gesunde Ausscheider auf fäkal-oralem Weg
    • direkter Kontakt mit infizierten Tieren
    • tierische Ausscheidungen
    • verunreinigtes Wasser
    • Vorkommen in Böden

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Chronische Erkrankungen wie bösartige Tumoren, HIV-Infektion, Tuberkulose
  • Immunsuppression wie beispielsweise nach Organtransplantationen

Medikamente

  • Langzeittherapie mit Glucocorticoiden (Cortison)
  • Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol 
    Cave! PPI erhöhten das Risiko für eine schwere Darminfektion mit Listerien um das 2,81-fache [1].

Literatur

  1. Jensen AK et al.: Use of proton pump inhibitors and the risk of listeriosis. A nationwide registry-based case-control study. Clin Infect Dis. (2016). doi: 10.1093/cid/ciw860
  2. Leclercq A et al.: Outbreak of Listeriosis Associated with Consumption of Vegan Cheese N Engl J Med 2024;390:1439-1440 doi: 10.1056/NEJMc2400665