Leptospirose (Morbus Weil) – Einleitung
Die Leptospirose ist eine bakterielle Zoonose (Tierseuche), die durch verschiedene Serovare von Leptospiren (Spirochäten) verursacht wird. Die Erkrankung kann in zwei klinische Formen unterteilt werden: anikterische Leptospirose, die milder verläuft, und ikterische Leptospirose (Morbus Weil), die schwere systemische Manifestationen wie Leber- und Nierenschäden aufweist.
Synonyme und ICD-10: Bouchet-Gsell-Krankheit; Canicolafieber; Charente-Fieber; Feld-, Schlamm-, Erntefieber; Fieber durch Leptospiren; Fort-Bragg-Fever;Infektion durch Leptospira interrogans; Infektion durch Leptospira interrogans autumnalis; Infektion durch Leptospira interrogans canicola; Infektion durch Leptospira interrogans hebdomadis; Infektion durch Leptospira interrogans icterohaemorrhagiae; Infektion durch Leptospira interrogans pomona; Infektion durch Leptospiren; Infektion durch Spirochaeta icterogenes; Japanisches Herbst-Fieber; Japanisches Siebentagefieber; Kanikola-Fieber; Leptospirochätale Infektion a.n.k.; Leptospirose durch Leptospira interrogans serovar icterohaemorrhagiae; Leptospirosis; Leptospirosis autumnalis; Leptospirosis canicola; Leptospirosis icterohaemorrhagica; Leptospirosis pomona; Morbus Weil; Nanukayami; Prätibiales Fieber; Schlammfieber; Siebentagefieber; Spirochaetosis icterohaemorrhagica; Stuttgarter Hundeseuche; Sumpffieber durch Leptospiren; Weil-Krankheit; Weil-Landouzy-Krankheit;Schweinehüterkrankheit; ICD-10-GM A27.-: Leptospirose; Schweinehirtenkrankheit, Feld-Fieber, Schlamm-Fieber, Ernte-Fieber, Caicola-Fieber
Charakteristische Laborbefunde
- Blutbild: Leukozytose, Thrombozytopenie.
- Leberwerte: Erhöhung von Bilirubin und Transaminasen (bei ikterischen Verläufen/Verläufen mit Gelbsucht).
- Nierenfunktion: Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff, Proteinurie (übermäßige Ausscheidung von Proteinen über den Urin).
- Spezifischer Erregernachweis:
- PCR: Nachweis von Leptospira-DNA im Blut oder Urin.
- Serologie: Nachweis spezifischer Antikörper (IgM) mittels ELISA oder MAT (Mikroagglutinationstest).
- Kultur: Anzucht der Erreger aus Blut oder Liquor (selten).
Formen der Erkrankung
- Anikterische Leptospirose: Milder, grippeähnlicher Verlauf ohne Gelbsucht.
- Ikterische Leptospirose (Morbus Weil): Schwere Verlaufsform mit Ikterus (Gelbsucht), Leber- und Nierenschäden.
Ursachen
Die Leptospirose wird durch Kontakt mit Urin, Blut oder Gewebe infizierter Tiere übertragen. Die Erreger gelangen über kleine Verletzungen der Haut oder Schleimhäute in den menschlichen Körper. Natürliche Wirte sind vor allem Nagetiere, Haustiere und Nutztiere.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel: Hauptsächlich betroffen sind Personen im Alter zwischen 25 und 39 Jahren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): In Deutschland selten, jedoch vermehrt importierte Fälle.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Etwa 0,08 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Saisonale Häufung: Die Erkrankung tritt vermehrt im Sommer und Frühherbst (Juli bis Oktober) auf.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Leptospira interrogans (ca. 200 Serovare), darunter Leptospira icterohaemorrhagica (Morbus Weil), Leptospira canicola (Canicolafieber), Leptospira bataviae (Feldfieber).
Erregerreservoir: Hunde, Wild- und Hausschweine, Rinder, Pferde, Nagetiere wie Mäuse und Ratten.
Vorkommen: Weltweit verbreitet, besonders in tropischen und subtropischen Regionen, vor allem in wasserreichen Gebieten.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Sehr selten.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Niedrig, da die Übertragung meist durch direkten Kontakt mit kontaminierten Körperflüssigkeiten von Tieren erfolgt.
Übertragungsweg: Kontakt mit Urin, Blut oder Gewebe infizierter Tiere; kontaminierte Gewässer.
Eintrittspforte: Verletzte Haut, Schleimhäute.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): In der Regel 1 bis 2 Wochen.
Krankheitsdauer: 1 bis 3 Wochen, je nach Schwere des Verlaufs.
Dauer der Infektiosität: Abhängig von der Ausscheidung der Erreger im Urin.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Variiert regional, besonders in tropischen Gebieten erhöht.
Erregerspezifische Immunität: Nach Infektion besteht eine serovarspezifische Immunität, die jedoch keine langfristige Immunität gegen andere Serovare bietet.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Anikterische Leptospirose: 90 % der Fälle verlaufen mild mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Nach einer Woche klingen die Symptome ab, können jedoch nach einigen Tagen erneut auftreten.
- Ikterische Leptospirose (Morbus Weil): Schwere Verlaufsform, die eine multisystemische Erkrankung mit Gelbsucht, akuter Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und hämorrhagischen Diathesen (Gerinnungsstörungen mit erhöhter Blutungsneigung) darstellt. Die Leber und Nieren sind primär betroffen. Zusätzlich können Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Meningitis (Hirnhautentzündung) auftreten.
Prognose
- Leichte Verlaufsformen: Gute Prognose, in der Regel vollständige Genesung.
- Schwere Verlaufsformen: Morbus Weil hat eine Letalität von 5 bis 15 %, besonders bei unbehandelten Verläufen oder bei schwerer Organbeteiligung. Die Prognose verschlechtert sich bei fortgeschrittener Leber- oder Niereninsuffizienz.
- Langzeitfolgen: Bei überlebenden Patienten mit schwerer Verlaufsform sind langfristige Nierenschäden möglich.
Impfung: In Deutschland ist keine Impfung für Menschen verfügbar, in einigen Ländern existieren jedoch Impfstoffe für gefährdete Berufsgruppen. Eine Impfung für Hunde ist jedoch in Deutschland üblich und wird von Tierärzten empfohlen.
In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers Leptospira interrogans nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen.