Legionellose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Legionärskrankheit (Legionellose) wird hauptsächlich durch das Bakterium Legionella pneumophila verursacht, das zur Familie der Legionellaceae gehört. Weitere Legionella-Arten können ebenfalls Infektionen auslösen, sind jedoch weniger häufig.
  • Genom: Legionella pneumophila besitzt ein einzelnes, ringförmiges DNA-Genom, das für verschiedene Virulenzfaktoren wie die Bildung von Biofilmen und die Vermehrung in Makrophagen codiert. Diese Faktoren ermöglichen dem Bakterium, sich in der Umwelt und im menschlichen Körper zu etablieren.
  • Virulenz (Infektionskraft): Legionella pneumophila kann in Alveolarmakrophagen (spezialisierte Immunzellen in der Lunge) überleben und sich vermehren, indem es die Phagosomenreifung hemmt und so der Immunabwehr entgeht.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Legionellen sind weltweit verbreitet und kommen bevorzugt in feuchten Milieus wie Warmwassersystemen, Klimaanlagen, Whirlpools und Warmwasserleitungen vor. Die ideale Wachstumstemperatur liegt zwischen 25-45 °C, wobei Temperaturen über 60 °C die Bakterien abtöten.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Infektion erfolgt in der Regel durch die Inhalation von legionellenhaltigen Aerosolen (feinste Wassertröpfchen in der Luft) aus kontaminierten Wassersystemen.
    • Die Aufnahme über Aspiration (Eindringen von Flüssigkeiten oder Partikeln in die Atemwege) ist seltener, kann aber ebenfalls zur Infektion führen.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde bislang nicht nachgewiesen.
  • Reservoir: Hauptreservoir sind feuchte Umgebungen wie Warmwassersysteme, Wassertanks, Befeuchter und Duschen. Legionellen können in Amöben (Einzeller) in der Umwelt überleben und sich innerhalb dieser Wirtszellen vermehren.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch bei direkter Inhalation von legionellenhaltigen Aerosolen, besonders bei personeller Exposition in Bereichen mit kontaminiertem Wasser.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt primär über die Atemwege durch das Einatmen von kontaminierten Aerosolen, die die Lungenbläschen (Alveolen) erreichen.
  • Nebeneintrittspforten: In seltenen Fällen kann die Infektion auch durch Aspiration von kontaminiertem Wasser erfolgen, wenn die Flüssigkeit in die unteren Atemwege gelangt.

Pathogenese des Erregers

  1. Anheftung an die Epithelzellen der Atemwege:
    • Nach Inhalation der Legionellen binden sich die Bakterien an die Alveolarepithelzellen (Zellen der Lungenbläschen) und an Makrophagen (spezialisierte Immunzellen in der Lunge).
    • Die Bindung erfolgt über Oberflächenrezeptoren der Wirtszellen, insbesondere durch die Interaktion mit dem Komplementrezeptor CR3, was das Eindringen der Bakterien erleichtert.
  2. Aufnahme durch Makrophagen und intrazelluläre Vermehrung:
    • Die Legionellen werden durch Phagozytose (Aufnahme durch Fresszellen) in die Alveolarmakrophagen aufgenommen. Normalerweise würden die Makrophagen die Bakterien durch Verschmelzung der Phagosomen mit Lysosomen (Organellen, die Verdauungsenzyme enthalten) abbauen.
    • Legionella pneumophila verhindert jedoch die Phagosomenreifung und schafft sich eine spezielle Legionella-vermehrende Vakuole (LCV), in der die Bakterien vor der Immunabwehr geschützt sind.
  3. Vermehrung und Freisetzung neuer Bakterien:
    • In der Legionella-vermehrenden Vakuole beginnen die Bakterien sich intensiv zu vermehren. Dabei nutzen sie Nährstoffe aus den Wirtszellen und verursachen eine zelluläre Schädigung und schließlich die Lyse (Zerfall) der Wirtszelle.
    • Nach dem Zerfall der Makrophagen werden die neu gebildeten Bakterien freigesetzt und können benachbarte Zellen infizieren, was zur lokalen Ausbreitung führt.
  4. Entzündungsreaktion und Gewebeschäden:
    • Die Zerstörung der Makrophagen und die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (entzündungsfördernden Botenstoffen) führen zu einer starken Entzündungsreaktion in der Lunge.
    • Die Alveolen füllen sich mit Flüssigkeit, Entzündungszellen und Fibrin, was die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigt und zur Lungenentzündung (Pneumonie) führt.
  5. Systemische Ausbreitung:
    • In schweren Fällen kann sich das Bakterium hämatogen (über das Blut) auf andere Organe ausbreiten und eine multisystemische Infektion verursachen.
    • Dies führt zu entzündlichen Veränderungen in der Leber, den Nieren und dem Zentralnervensystem.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Aufnahme der Bakterien durch die Alveolarmakrophagen führt zur Aktivierung der angeborenen Immunabwehr.
    • Makrophagen und neutrophile Granulozyten (Abwehrzellen) setzen entzündungsfördernde Zytokine frei, die die Entzündungsreaktion verstärken.
    • Trotz dieser Immunantwort sind die Bakterien in der Lage, die Phagozytose zu umgehen und sich in den Makrophagen zu vermehren, was die Eliminierung erschwert.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort wird durch die Aktivierung von T-Lymphozyten und die Bildung von spezifischen Antikörpern (IgG und IgM) gegen die Legionellen verstärkt. Diese Immunantwort ist jedoch häufig verzögert, sodass die Bakterien bereits erhebliche Schäden verursachen können, bevor sie kontrolliert werden.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Legionella pneumophila besitzt spezielle Sekretionssysteme (Typ IV-Sekretionssystem), mit denen es die Verschmelzung von Phagosomen und Lysosomen blockiert und so in den Makrophagen überleben kann.
    • Die Bakterien sind außerdem in der Lage, in Amöben außerhalb des Wirtes zu überleben, was ihre Resistenz gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen erhöht.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane:
    • Das primäre Zielorgan ist die Lunge, insbesondere die Alveolen (Lungenbläschen).
    • In seltenen Fällen kann das Bakterium auch die Leber, die Nieren und das Zentralnervensystem befallen.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die intensive Vermehrung der Legionellen führt zur Zerstörung der Alveolarzellen und zu einer diffusen Pneumonie mit Alveolenschädigung und Flüssigkeitsansammlung.
    • In schweren Fällen kann es zur respiratorischen Insuffizienz (Atemversagen) kommen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Typische Symptome sind hohes Fieber, Husten, Atemnot, Brustschmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl.
    • Bei schweren Verläufen treten Verwirrtheit, Übelkeit und Durchfall auf.
    • In seltenen Fällen kann es zu Schockzuständen und Multiorganversagen kommen.
  • Komplikationen:
    • Respiratorische Insuffizienz, akutes Lungenversagen und in schweren Fällen septischer Schock.
    • Bei systemischer Ausbreitung sind Leberversagen und Niereninsuffizienz möglich.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Legionärskrankheit ist eine schwere bakterielle Infektion, die durch das Einatmen von legionellenhaltigen Aerosolen ausgelöst wird. Die Pathogenese ist durch die Vermehrung der Bakterien in den Makrophagen, die Hemmung der Immunantwort und die massive Lungenentzündung gekennzeichnet. Eine frühzeitige Diagnose und antibiotische Therapie sind entscheidend, um die Sterblichkeit zu senken und schwere Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Neugeborene oder Kinder, die unter Immunsuppression stehen
  • Kurz zurückliegender (bis zu 2 Wochen) Krankenhausaufenthalt

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Chronische Lungenerkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • HIV-Infektion

Medikamente

  • Immunsuppression
  • Glucocorticoid-Therapie
  • Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha-Antagonisten

Weitere Ursachen

  • Chirurgische Eingriffe
  • Organtransplantation