Keratokonjunktivitis epidemica – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Keratokonjunktivitis epidemica wird durch Adenoviren der Serotypen 8, 19 und 37 verursacht, die zur Familie der Adenoviridae gehören. Diese Viren sind besonders bekannt für ihre hochinfektiöse Natur und die Fähigkeit, sowohl die Bindehaut (Konjunktiva) als auch die Hornhaut (Kornea) des Auges zu infizieren.
  • Genom: Adenoviren besitzen ein doppelsträngiges DNA-Genom (genetisches Material in Form von doppelsträngiger DNA), das in einem ikosaedrischen Kapsid (kugelförmige Hülle) eingeschlossen ist.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz der Adenoviren beruht auf ihrer Fähigkeit, die Epithelzellen der Augenbindehaut und Hornhaut zu infizieren und dabei eine zytopathische Wirkung (zellzerstörende Wirkung) auszuüben, was zu einer ausgeprägten Entzündungsreaktion und Gewebeschädigung führt.

Beachte: Bei Kindern wird eine infektiöse Konjunktivitis in ca. 62 % der Fälle durch H. influenzae ausgelöst [1].

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Adenoviren sind weltweit verbreitet und verursachen neben Augeninfektionen auch Atemwegs- und Gastrointestinalerkrankungen. Die Keratokonjunktivitis epidemica tritt gehäuft bei Gemeinschaftsausbrüchen auf, vor allem in Krankenhäusern, Kindergärten und anderen Gemeinschaftseinrichtungen.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit kontaminierten Händen oder Oberflächen sowie durch Tröpfcheninfektion.
    • Besonders infektiös ist der Augensekretkontakt (Kontakt mit Tränenflüssigkeit) infizierter Personen.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Indirekte Übertragung durch kontaminierte Instrumente, Handtücher oder Augentropfenfläschchen ist ebenfalls häufig.
  • Reservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für die Adenoviren, und infizierte Personen können die Viren über Wochen im Tränen- und Nasensekret ausscheiden.
  • Infektiosität: Die Viren sind hochinfektiös, und bereits geringe Virusmengen können ausreichen, um eine Infektion auszulösen. Die Ansteckungsgefahr ist besonders hoch, solange die Augen noch virushaltige Sekrete absondern.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt primär über die Bindehaut des Auges, wenn virushaltiges Material in direkten Kontakt mit der Augenschleimhaut oder den Lidrändern kommt.
  • Nebeneintrittspforten: In seltenen Fällen können die Viren über kontaminierte Hände oder Hautverletzungen in den Körper gelangen.

Pathogenese des Erregers

  1. Infektion der Bindehautepithelzellen:
    • Nach Kontakt mit dem Auge infizieren die Adenoviren die Epithelzellen der Bindehaut (äußere Schleimhaut des Auges).
    • Das Virus bindet an spezifische Rezeptoren auf der Zelloberfläche, was das Eindringen in die Zellen ermöglicht. Innerhalb der Epithelzellen beginnt die Virusreplikation, wobei virale DNA und Proteine produziert werden, die zur Zerstörung der Zellen führen.
  2. Lokale Virusvermehrung und Ausbreitung:
    • Die intensive Virusvermehrung in den Bindehautepithelzellen führt zur Zelllyse (Zerstörung der infizierten Zellen) und zur Freisetzung neuer Viruspartikel, die benachbarte Zellen infizieren.
    • Diese lokale Vermehrung verursacht eine akute Konjunktivitis (Bindehautentzündung) mit Rötung, Tränenfluss und Schwellung der Bindehaut.
  3. Beteiligung der Hornhaut und Keratitis:
    • Im Verlauf der Infektion breitet sich das Virus auf die Hornhautepithelzellen (Zellen der Hornhaut) aus. Die Virusreplikation führt zur Zerstörung der Hornhautoberfläche und zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, die eine entzündliche Reaktion in der Hornhaut auslösen.
    • Dies resultiert in einer Keratitis (Hornhautentzündung) mit Trübung und Schädigung der Hornhaut, was die Sehkraft vorübergehend beeinträchtigen kann.
  4. Zytotoxische Wirkung und Desquamation:
    • Die Adenoviren lösen eine zytotoxische Reaktion aus, die zur Schädigung und Desquamation (Abschuppung) der Epithelzellen führt.
    • Die Zellen lösen sich von der Hornhautoberfläche ab, was zur Bildung von subepithelialen Infiltraten (Entzündungsherden unter der Hornhaut) führt und die Sehkraft vorübergehend stark einschränken kann.
  5. Immunkomplexbildung und verlängerte Entzündung:
    • Die Freisetzung von Viruspartikeln und Zellfragmenten aktiviert die Immunantwort, was zur Bildung von Immunkomplexen (Verbindungen von Antigenen und Antikörpern) führt, die sich in der Hornhaut ablagern.
    • Diese Immunkomplexe verstärken die Entzündungsreaktion, was zu einer chronischen Keratitis und einer verlängerten Krankheitsdauer führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Infektion der Epithelzellen führt zur Aktivierung der lokalen Immunantwort durch dendritische Zellen, Makrophagen (Fresszellen) und neutrophile Granulozyten (Abwehrzellen).
    • Diese setzen proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) frei, die die Entzündungsreaktion in der Bindehaut und der Hornhaut verstärken. Dies resultiert in den typischen Symptomen wie Rötung, Schwellung, Tränenfluss und Photophobie (Lichtempfindlichkeit).
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort wird durch die Aktivierung von T-Lymphozyten (spezifische Immunzellen) und die Bildung von spezifischen Antikörpern (IgM und IgG) gegen die Adenoviren verstärkt. Diese Immunantwort hilft, die Virusvermehrung zu kontrollieren, jedoch kann die Entzündung bei einer übermäßigen Reaktion zu bleibenden Schäden führen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Adenoviren sind in der Lage, die Interferon-Signalwege der Zellen zu hemmen, wodurch sie der Immunerkennung teilweise entgehen und eine längere Infektion aufrechterhalten können.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane:
    • Adenoviren befallen primär die Epithelzellen der Bindehaut und der Hornhaut des Auges.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Virusvermehrung führt zur Zerstörung der Epithelzellen und zu einer Desquamation der betroffenen Schleimhaut und Hornhaut.
    • Bei schwerer Keratitis können bleibende Hornhauttrübungen und Narbenbildung auftreten, die die Sehkraft langfristig beeinträchtigen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Typische Symptome sind starke Rötung der Augen, vermehrter Tränenfluss, Schwellung der Bindehaut, Fremdkörpergefühl und Schmerzen.
    • In späteren Stadien kommt es zur Photophobie (Lichtempfindlichkeit) und einer vorübergehenden Beeinträchtigung des Sehvermögens.
  • Komplikationen:
    • Bei schwerer Beteiligung der Hornhaut können bleibende Narben und Visusminderungen (verminderte Sehschärfe) auftreten.
    • In seltenen Fällen kann es zur chronischen Keratokonjunktivitis mit wiederkehrenden Entzündungen kommen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Keratokonjunktivitis epidemica ist eine hochinfektiöse Erkrankung, die durch Adenoviren verursacht wird und sich typischerweise durch eine schmerzhafte Entzündung der Bindehaut und Hornhaut äußert. Die Pathogenese ist durch eine direkte Schädigung der Epithelzellen, eine zytopathische Wirkung und eine intensive Immunantwort gekennzeichnet. Eine frühzeitige Diagnose und Maßnahmen zur Infektionskontrolle sind entscheidend, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Infektion mit dem Erreger über Schmier- oder Tröpfcheninfektion

Literatur

  1. Frost HM et al.: Etiology and Outcomes of Acute Infectious Conjunctivitis in Children The Journal of Pediatrics, 2024;276, 114368