Herpes-simplex-Virus – Einleitung

Beim Herpes simplex-Virus handelt es sich um einen Erreger aus der Gruppe der DNA-Viren, aus der Familie der Herpesviridae.

Synonyme und ICD-10: Entzündung durch Herpes simplex; Genitalherpes; HSV-1; HSV-2; Herpes genitalis; Herpes simplex Typ 1; Herpes simplex Typ 2; Herpes simplex labialis; Herpes simplex recidivans in loco; Herpes-Infektion; Herpesvirus-Infektion; Herpesvirus-Krankheit; Labialherpes; Rezidivierender Herpes simplex; ICD-10-GM B00.-: Infektionen durch Herpesviren [Herpes simplex]

Beim Menschen verursacht das Virus Haut- und Schleimhautausschläge.

Das Herpes-simplex-Virus verbleibt nach Primärinfektion der Haut und Schleimhäute lebenslang latent in den dorsalen Spinalganglien oder im Ganglion trigeminale.

Man unterscheidet zwischen folgenden Typen von Herpes simplex-Viren:

  • Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) – sogenannter "oraler Stamm"
  • Herpes simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) – sogenannter "genitaler Stamm" 

Charakteristische Laborbefunde

  • Direkter Virusnachweis: PCR aus Bläschenflüssigkeit, Abstrichen oder Liquor.
  • Serologie: Nachweis von spezifischem IgM (Hinweis auf akute Infektion) und IgG (Hinweis auf bestehende oder zurückliegende Infektion).
  • Zytopathischer Effekt: Nachweis von mehrkernigen Riesenzellen in Abstrichen (Tzanck-Test).

Formen der Herpes simplex-Infektionen

Herpes simplex Typ 1 (HSV-1)

  • Primärinfektion: Gingivostomatitis herpetica: schmerzhafte Ulzerationen im Mund, Fieber, Lymphadenopathie.
  • Rezidiv: Herpes labialis: rezidivierende Bläschen an Lippen und im Mundbereich.
  • Komplikationen: Herpes corneae (Herpeskeratitis): Hornhautinfektion, die zur Erblindung führen kann.

Herpes simplex Typ 2 (HSV-2)

  • Primärinfektion: Herpes genitalis: schmerzhafte Bläschen und Ulzera im Genitalbereich, oft begleitet von Fieber und Lymphadenopathie.
  • Rezidiv: Wiederkehrende Genitalinfektionen: häufige, symptomatische Episoden mit Bläschenbildung.

Sonderformen

  • Herpes neonatorum: Schwere Infektion bei Neugeborenen, übertragen während der Geburt.
  • Herpes gladiatorum: Infektion der Haut, häufig bei Sportarten mit engem Hautkontakt (z. B. Ringen).
  • Herpes simplex encephalitis: Lebensbedrohliche Gehirnentzündung, meist durch HSV-1 verursacht.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel
: HSV-1 tritt vorwiegend im Kindesalter auf, während HSV-2 nach der Pubertät häufiger ist.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Über 90 % der Erwachsenen sind mit HSV-1 infiziert, 10-40 % mit HSV-2.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Exakte Inzidenz schwer bestimmbar, da viele Infektionen asymptomatisch verlaufen.

Saisonale Häufung der Erkrankung
: Keine ausgeprägte Saisonalität.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) und Typ 2 (HSV-2).

Erregerreservoir: Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir.

Vorkommen
: Weltweit verbreitet.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Bläscheninhalt.

Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Hoch, Übertragung auch in symptomfreien Phasen möglich.

Übertragungsweg

  • HSV-1: Oral (Tröpfcheninfektion) und Schmierinfektion, z. B. über Speichel oder Hautkontakt.
  • HSV-2: Sexuell und perinatal (während der Geburt).

Eintrittspforte

  • Haut (bei Hautverletzungen)
  • Schleimhäute (oral, genital)

Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung)

  • HSV-1: 2-12 Tage
  • HSV-2: 3-7 Tage

Krankheitsdauer: Meist 7-10 Tage, Rezidive dauern kürzer.

Dauer der Infektiosität: Während der gesamten Zeit der Bläschenbildung und symptomfrei möglich.

Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper)

  • HSV-1: Über 90 % der Erwachsenen
  • HSV-2: 10-40 % der Erwachsenen.

Erregerspezifische Immunität: HSV verbleibt lebenslang latent im Körper, daher keine vollständige Immunität, aber reduzierte Symptomatik bei Rezidiven.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1)

  • Eine Episode des Lippenherpes dauert unbehandelt etwa 7-10 Tage.
  • Ca. ein Drittel der Betroffenen erlebt rezidivierende (wiederkehrende) Ausbrüche von Herpes labialis.
  • Die Primärinfektion tritt häufig in der Kindheit auf und verläuft oft asymptomatisch.
  • Bei Reaktivierung des Virus durch Faktoren wie Stress, UV-Strahlung oder Immunsuppression kommt es zu den typischen Bläschenbildungen.

Herpes simplex-Virus Typ 2 (HSV-2)

  • Über 90 % der Primärinfektionen verlaufen asymptomatisch.
  • Bei symptomatischen Verläufen heilt die Erkrankung in der Regel spontan aus.
  • Bei etwa 85 % der Patienten kommt es nach dem primären Herpes genitalis zu symptomatischen Rezidiven (Wiederauftreten der Erkrankung.
  • Die Rezidivrate beträgt bei genitalen HSV-1-Infektionen etwa 60 %, bei HSV-2-Infektionen etwa 90 %.
  • Der Schweregrad und die Häufigkeit der Rezidive nehmen im Verlauf der Zeit oft ab.

Prognose

  • Gesunde Erwachsene: Die Prognose ist günstig, da die Infektion oft spontan abheilt.
  • Neugeborene: Bei einer mütterlichen Primärinfektion in den letzten 4 Wochen vor der Geburt besteht ein neonatales Infektionsrisiko von 40-50 %. Im ersten Trimenon beträgt die neonatale Infektionsgefahr etwa 1 %.
  • Immunsupprimierte Patienten: Die Infektion kann sich ausbreiten und schwere, potenziell lebensbedrohliche Verläufe nehmen.
  • Rezidive: Regelmäßige wiederkehrende Ausbrüche sind typisch, wobei die Intervalle variieren können. Der Großteil der HSV-Infektionen verläuft benigne (gutartig).
  • Langzeitprognose: Die meisten Betroffenen erleben im Laufe der Zeit weniger häufige und weniger schwere Rezidive.

Besonderheiten

  • Eine Schutzimpfung gegen Herpes simplex-Viren steht derzeit nicht zur Verfügung, ist jedoch in Entwicklung.
  • Die persistierende Natur des Virus bedeutet, dass es lebenslang im Körper verbleibt und immer wieder reaktiviert werden kann.
  • Bei Frauen mit hormonbedingter venöser Thrombembolie (VTE) ist das Rezidivrisiko geringer.

Hinweis: Details zu Herpes labialis bzw. Herpes genitalis siehe jeweils unter der gleichnamigen Krankheit.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung