Herpes genitalis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Erreger des Herpes genitalis sind das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) und Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2). Beide gehören zur Familie der Herpesviridae und sind doppelsträngige DNA-Viren.
  • Genom: Das Virusgenom besteht aus einer doppelsträngigen DNA, die für eine Vielzahl von viralen Proteinen kodiert, welche die Virusvermehrung und die Persistenz (Dauerhaftigkeit) in den Nervenganglien ermöglichen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz der Herpes-simplex-Viren beruht auf ihrer Fähigkeit, sowohl die Epithelzellen (Haut- und Schleimhautzellen) als auch Nervenzellen zu infizieren. Nach der akuten Infektion können die Viren in den sensorischen Nervenganglien latent (ruhend) verbleiben und bei Reaktivierung zu erneuten Krankheitsausbrüchen führen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: HSV-1 ist weltweit verbreitet und wird bei über 90 % der Bevölkerung nachgewiesen, während HSV-2 vor allem sexuell aktive Erwachsene betrifft und bei etwa 10–30 % der Bevölkerung vorkommt.
  • Hauptübertragungsweg:
    • HSV-1: Übertragung erfolgt meist über Speichelkontakt (z. B. durch Küssen) oder durch Kontakt mit infizierten Läsionen (z. B. Lippenherpes).
    • HSV-2: Übertragung erfolgt hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr (vaginal, anal oder oral) und bei direktem Kontakt mit infizierten Schleimhäuten.
  • Weitere Übertragungswege: Selten kann das Virus von der Mutter auf das Neugeborene während der Geburt übertragen werden (neonatale Herpesinfektion).
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist besonders hoch, wenn symptomatische Läsionen (z. B. Bläschen) vorhanden sind. Auch asymptomatische Virusausscheidungen tragen wesentlich zur Verbreitung bei.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Das Virus gelangt über kleine Hautläsionen oder Mikrotraumen (kleinste Verletzungen) in die Schleimhäute des Mundes, der Lippen, des Anogenitaltrakts oder anderer exponierter Körperstellen.
  • Nebeneintrittspforten: Übertragung kann auch über die Konjunktiven (Bindehaut des Auges) oder über Hautabschürfungen erfolgen.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach dem Eindringen in die Haut oder Schleimhaut infizieren die Herpes-simplex-Viren die dortigen Epithelzellen.
    • Die Virusvermehrung führt zur Zerstörung der infizierten Zellen und zur Bildung der typischen vesikulären (bläschenförmigen) Läsionen.
  • Lokale Ausbreitung:
    • Die infizierten Zellen platzen auf, setzen virale Partikel frei und infizieren benachbarte Zellen, was zu einer Ausbreitung der Läsionen führt.
    • Es kommt zu einer ausgeprägten Entzündungsreaktion mit lokaler Schwellung, Rötung und Schmerzen.
  • Nervöse Ausbreitung und Latenz:
    • Das Virus gelangt entlang der sensorischen Nervenfasern in die neuronalen Ganglien (Nervenknoten), wie das Sakralganglion (beim Herpes genitalis) oder das Trigeminusganglion (beim Lippenherpes).
    • In diesen Ganglien verbleibt das Virus in einer latenten (inaktiven) Form und kann sich jahrelang unbemerkt halten.
  • Reaktivierung:
    • Bei Reaktivierung (z. B. durch Stress, UV-Licht, Fieber oder Immunsuppression) wandern die Viren aus den Ganglien zurück zu den ursprünglichen Epithelzellen und verursachen einen erneuten Ausbruch der Infektion (Rezidiv).

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In den infizierten Epithelzellen werden proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) freigesetzt, die Makrophagen (Fresszellen) und neutrophile Granulozyten (Form der weißen Blutkörperchen) anziehen.
    • Die Entzündungsreaktion führt zur typischen Symptomatik mit Schmerzen, Schwellung und Rötung.
  • Systemische Immunantwort:
    • Bei der Primärinfektion wird eine humorale Immunantwort (Antikörperproduktion) und eine zelluläre Immunantwort (Aktivierung von T-Lymphozyten) ausgelöst.
    • Die Antikörper binden an die Viruspartikel und verhindern deren Verbreitung. CD8+ T-Zellen (zytotoxische T-Zellen) erkennen und zerstören infizierte Zellen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Die Viren können das Immunsystem durch verschiedene Mechanismen umgehen, wie die Hemmung der Interferon-Produktion und die Hemmung der MHC-Klasse-I-Präsentation (Verhinderung der Antigenpräsentation auf der Zelloberfläche).
    • Durch die Latenz in den Nervenganglien entziehen sie sich der Immunüberwachung und bleiben so für lange Zeit im Körper des Wirtes verborgen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Epithelzellen der Haut und Schleimhäute (Lippen, Mund, Genitalregion), sowie Nervenzellen der sensorischen Ganglien.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Lokale Zytolyse (Zellzerstörung) der Epithelzellen führt zur Bläschenbildung, Ulzeration (Geschwürbildung) und Narbenbildung.
    • Bei Reaktivierung kann es zu schmerzhaften Läsionen kommen, die typischerweise an den gleichen Stellen auftreten wie die Primärinfektion.
    • Eine seltene Komplikation ist die Herpes-Meningitis oder die Herpesenzephalitis (Entzündung der Hirnhaut bzw. des Gehirns), die bei systemischer Ausbreitung auftritt.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Primärinfektion:
      • Schmerzhaftes Bläschenstadium mit gruppierten Vesikeln auf geröteter Hautbasis.
      • Ulzerationen (Geschwürbildung) und Krustenbildung im Verlauf.
      • Dysurie (Brennen beim Wasserlassen), Juckreiz und Schmerzen im Genitalbereich.
    • Rezidivierende Infektion:
      • Ähnliche, jedoch meist mildere Symptomatik wie bei der Primärinfektion.
      • Prodromalsymptome (Vorläufersymptome) wie Jucken, Brennen oder Kribbeln in den betroffenen Hautarealen.
  • Komplikationen:
    • Neonatale Herpesinfektion: Schwerwiegende, oft lebensbedrohliche Infektion bei Neugeborenen, wenn die Mutter während der Geburt aktiv infiziert ist.
    • Herpesenzephalitis: Bei systemischer Ausbreitung ins ZNS mit hohem Mortalitätsrisiko (Sterberisiko).
    • Disseminierte Infektion: Vor allem bei immunsupprimierten Patienten mit Beteiligung von Haut, Leber, Lunge und anderen Organen.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Leichte Verläufe können asymptomatisch bleiben.
    • Schwere Verläufe mit ausgedehnten Ulzerationen und hohem Rezidivrisiko sind häufig bei immungeschwächten Patienten.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren: Immunkompetenz und Grunderkrankungen (z. B. HIV-Infektion) beeinflussen die Schwere der Erkrankung.
  • Erregerfaktoren: HSV-2 verursacht häufiger rezidivierende Infektionen im Genitalbereich als HSV-1.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Herpes genitalis ist eine chronisch rezidivierende, sexuell übertragbare Virusinfektion, die durch HSV-1 und HSV-2 verursacht wird. Die Pathogenese ist durch die Persistenz in den Nervenganglien und die wiederholte Reaktivierung geprägt. Eine frühzeitige Diagnostik und antivirale Therapie sind entscheidend, um die Symptomatik zu lindern und die Ausbreitung zu verhindern. Präventionsmaßnahmen wie Safer Sex und Aufklärung sind essenziell, um die Infektionsrate zu reduzieren.

Ätiologie (Ursachen) 

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Enger Körperkontakt
  • Sexuelle Übertragung 
    • Änderungen im Sexualverhalten mit Zunahme von oral-analen (Mund-After) und oral-genitalen (Mund-Geschlechtsorgane) Sexualpraktiken 
    • Promiskuität (sexuelle Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
    • Prostitution
    • Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
    • Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
    • Ungeschützter Koitus
  • Sexuelle Praktiken mit hohem Risiko der Schleimhautverletzung (z. B. ungeschützter Analverkehr/Analsex)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • HIV (Humane Immundefizienz-Virus) → vermehrt  HSV-Proktitiden (HSV-Enddarmentzündung) und andere HSV-Manifestationen im Anogenitaltrakt
  • Immundefizienz – geschwächte Immunabwehr