Hepatitis E – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Das Hepatitis-E-Virus (HEV) gehört zur Familie der Hepeviridae und ist ein nicht umhülltes, einzelsträngiges RNA-Virus. Es existieren fünf bekannte Genotypen (HEV 1–4 und HEV 7), die sich in ihrer geografischen Verbreitung und Pathogenität unterscheiden.
  • Genom: Das Genom des HEV besteht aus einer einzelsträngigen RNA mit positiver Polarität und einer Länge von etwa 7,2 Kilobasen. Die virale RNA kodiert für drei Hauptproteine, die für die Virusreplikation, den Kapsidaufbau und die Freisetzung notwendig sind.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von HEV hängt vom Genotyp und dem Immunstatus des Wirts ab. Besonders der Genotyp 1 zeigt eine hohe Pathogenität und führt häufig zu schweren Krankheitsverläufen, während der Genotyp 3 in den meisten Fällen mildere Verläufe zeigt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Hepatitis E tritt weltweit auf, ist jedoch vor allem in Entwicklungsländern mit unzureichenden hygienischen Bedingungen verbreitet. HEV-Genotyp 1 und 2 kommen hauptsächlich in tropischen und subtropischen Gebieten Asiens und Afrikas vor, während Genotyp 3 und 4 in Europa und den USA vorwiegend bei Tieren (z. B. Schweinen) vorkommen und von dort auf den Menschen übergehen können.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt primär fäkal-oral durch kontaminiertes Trinkwasser oder infizierte Lebensmittel. In entwickelten Ländern wird der Erreger hauptsächlich durch den Verzehr von unzureichend gegartem Schweinefleisch oder Wildfleisch (z. B. Wildschwein) übertragen.
  • Weitere Übertragungswege: Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten. In Ausnahmefällen kann es jedoch auch durch Bluttransfusionen zu Infektionen kommen.
  • Virusreservoir: Menschen, Schweine und andere Tiere (z. B. Wildschweine, Hirsche) sind die Hauptreservoire für HEV. Insbesondere Schweine stellen ein bedeutendes Reservoir dar, da sie das Virus asymptomatisch tragen können.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist bei kontaminiertem Wasser und Lebensmitteln hoch, besonders bei HEV-Genotyp 1 und 2. Geringe Virusmengen reichen aus, um eine Infektion auszulösen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Haupteintrittsort des Hepatitis-E-Virus ist der Verdauungstrakt, insbesondere über den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln oder Trinkwasser.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Übertragung über die Blutbahn (z. B. durch Blutprodukte) oder über Schleimhäute ist möglich, spielt aber eine untergeordnete Rolle.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung: Nach Aufnahme des Virus über den Verdauungstrakt infiziert das Hepatitis-E-Virus die Epithelzellen des Dünndarms und gelangt von dort in die Leber. Das Virus heftet sich an die Hepatozyten (Leberzellen) an, dringt in diese ein und vermehrt sich dort.
  • Erste Virämie: Nach der initialen Vermehrung in den Hepatozyten (Leberzellen) wird das Virus in die Blutbahn freigesetzt (erste Virämie) und breitet sich systemisch im Körper aus. Diese Phase ist meist asymptomatisch.
  • Organinvasion: Das HEV bleibt in der Leber und infiziert bevorzugt die Hepatozyten. Dabei kommt es zur Schädigung der Leberzellen durch direkte Virusvermehrung und durch die zytotoxische Reaktion des Immunsystems auf infizierte Zellen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: In den infizierten Hepatozyten kommt es zur Aktivierung von Makrophagen und zytotoxischen T-Lymphozyten, die auf die Virusvermehrung reagieren. Diese lokale Immunreaktion verursacht eine Entzündung der Leber und führt zur Zerstörung von infizierten Zellen.
  • Systemische Immunantwort: Die humorale und zelluläre Immunantwort gegen HEV ist entscheidend für die Kontrolle der Infektion. Die Bildung von neutralisierenden Antikörpern (insbesondere IgM und IgG) spielt eine zentrale Rolle bei der Eliminierung des Virus.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers: HEV hat Mechanismen entwickelt, um der Immunantwort des Wirts zu entkommen, darunter eine reduzierte Immunogenität (schwächere Erkennung durch das Immunsystem) und die Fähigkeit, sich in nicht-leberassoziierten Zellen zu replizieren.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das Hauptzielorgan ist die Leber, wo das Virus die Hepatozyten infiziert und sich in diesen vermehrt. Eine Infektion anderer Organe wie der Niere oder des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) ist selten beschrieben.
  • Resultierende Gewebeschäden: In der Leber führt die Virusvermehrung zu einer Entzündungsreaktion mit Nekrose (Zelltod) der Hepatozyten. Die resultierenden Gewebeschäden manifestieren sich klinisch als Hepatitis mit Ikterus (Gelbsucht), erhöhten Leberwerten und, in seltenen Fällen, als fulminantes Leberversagen.

Klinische Manifestation

Symptomatologie

Die klinische Manifestation variiert je nach Genotyp und Immunstatus des Patienten:

  • Akute Hepatitis:

    • Fieber
    • Übelkeit und Erbrechen
    • Bauchschmerzen (insbesondere im rechten Oberbauch)
    • Ikterus (Gelbfärbung der Haut und Augen)
    • Dunkler Urin und heller Stuhl
  • Fulminante Hepatitis:

    • Starke Leberschädigung mit Leberversagen
    • Bewusstseinsstörungen
    • Multiorganversagen
  • Chronische Hepatitis (selten):
    • Bei immungeschwächten Personen kann HEV Genotyp 3 zu einer chronischen Hepatitis führen, die in eine Leberzirrhose übergeht.

Komplikationen

  • Leberversagen: Vor allem bei Schwangeren und immungeschwächten Patienten führt die Infektion häufig zu fulminantem Leberversagen.
  • Extrahepatische Manifestationen (außerhalb der Leber): Seltene Komplikationen sind Neuropathien (Nervenerkrankungen) und Glomerulonephritis (Nierenentzündung).

Verläufe und Schweregrade

  • Milde Verläufe: Häufig asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen wie Fieber und Abgeschlagenheit.
  • Schwere Verläufe: Vor allem bei Genotyp 1 und 2, bei Schwangeren sowie bei Patienten mit Vorschädigung der Leber.
  • Chronische Verläufe: Bei immungeschwächten Personen (z. B. nach Organtransplantation) kann die Infektion in eine chronische Hepatitis übergehen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Schwangerschaft: Schwangere im dritten Trimester haben ein deutlich erhöhtes Risiko für fulminantes Leberversagen.
    • Immunstatus: Immunsuppression erhöht das Risiko für chronische Verläufe.
    • Komorbiditäten (Begleiterkrankungen): Vorbestehende Lebererkrankungen verschlechtern die Prognose erheblich.
  • Erregerfaktoren:
    • Die Schwere der Erkrankung ist stark vom Genotyp abhängig: Genotyp 1 und 2 sind besonders virulent (krankheitserregend).

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Hepatitis E ist eine weltweit verbreitete, fäkal-oral übertragene Infektion, die zu akuten Leberentzündungen führen kann. Die Schwere der Erkrankung variiert je nach Genotyp und Wirtsfaktoren. Vor allem Schwangere und immungeschwächte Patienten sind gefährdet, schwere Verläufe bis zu fulminantem Leberversagen zu entwickeln. Während die meisten Fälle mild verlaufen und spontan ausheilen, ist eine chronische Hepatitis bei immunsupprimierten Patienten möglich. Eine frühzeitige Diagnostik und unterstützende Therapie sind essenziell, um schwerwiegende Komplikationen zu verhindern. Präventionsmaßnahmen wie Hygienemaßnahmen und eine sichere Lebensmittelverarbeitung sind in Endemiegebieten von zentraler Bedeutung. In Europa gibt es keine zugelassene Impfung gegen HEV, aber eine präventive Impfung wird in einigen asiatischen Ländern für Risikogruppen angeboten.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Trinken kontaminierten Wassers
  • Verzehr kontaminierter Lebensmittel ‒ vor allem Schweinefleisch, Wild, Schalentiere
  • Hund und Katzen kommen auch als Überträger in Frage

Krankheitsbedingte Ursachen

Medikamente

  • Bluttransfusionen

Weitere Ursachen

  • Vertikale Infektion ‒ Erregerübertragung von einem Wirt (hier: die Mutter) zu seinem Nachkommen (hier: das Kind)
    • Übertragung der Infektion während der Geburt von der Mutter auf das Kind
  • Übertragung durch Organtransplantation