Helicobacter pylori-Infektion – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Helicobacter pylori ist ein gramnegatives, spiralförmiges Bakterium (bakterieller Erreger mit einer charakteristischen Spiralform und einer dünnen Zellwand), das zur Familie der Helicobacteraceae gehört. Es kann den menschlichen Magen besiedeln und ist für chronische Gastritiden (lang andauernde Magenschleimhautentzündungen), peptische Ulzera (Magengeschwüre) und in einigen Fällen für die Entwicklung von Magenkarzinomen (Magenkrebs) verantwortlich.
- Genom: Das Bakterium besitzt ein einzelnes, ringförmiges DNA-Genom (genetisches Material in Form eines geschlossenen Rings), das Gene für verschiedene Virulenzfaktoren (Krankheitsverstärkende Proteine) wie Urease, CagA und VacA codiert. Diese Faktoren ermöglichen die Anpassung an das saure Milieu des Magens und tragen zur Schädigung der Magenschleimhaut bei.
- Virulenz (Infektionskraft): Helicobacter pylori kann die Schutzbarriere des Magens überwinden, indem es Ammoniak produziert, was die Magensäure neutralisiert. Außerdem produziert es Toxine (giftige Substanzen), die die Magenschleimhaut angreifen und entzündliche Reaktionen auslösen.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Helicobacter pylori ist weltweit verbreitet und betrifft etwa 50 % der Weltbevölkerung. Die Prävalenz (Häufigkeit) ist in Entwicklungsländern höher als in Industrieländern, wobei die meisten Infektionen asymptomatisch (ohne Beschwerden) verlaufen.
- Hauptübertragungsweg:
- Die Übertragung erfolgt oral-oral (über Mund zu Mund) oder fäkal-oral (über Kontakt mit kontaminiertem Stuhl), meistens durch kontaminiertes Wasser, Nahrungsmittel oder Speichel.
- Weitere Übertragungswege:
- Direkte Übertragung innerhalb von Haushalten durch gemeinsame Nutzung von Besteck, Nahrungsmitteln oder durch direkten Kontakt (z. B. Küssen).
- Reservoir: Der Mensch ist das Hauptreservoir für Helicobacter pylori.
- Infektiosität: Das Bakterium ist hochinfektiös, besonders bei direktem Kontakt mit Speichel oder Mageninhalten infizierter Personen.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt durch den Mund und gelangt über die Speiseröhre in den Magen.
- Nebeneintrittspforten: Eine Infektion kann auch über kontaminierte Lebensmittel oder Wasser erfolgen.
Pathogenese des Erregers
- Besiedlung der Magenschleimhaut:
- Nach Eintritt in den Magen besiedelt Helicobacter pylori die Mukosa (Magenschleimhaut) und bindet sich an die Epithelzellen (Zellen, die die Magenschleimhaut auskleiden) durch spezielle Adhäsionsmoleküle (Bindungsproteine).
- Es vermehrt sich in der Magenmukosa und beginnt, durch Enzymproduktion das umliegende Gewebe zu schädigen.
- Neutralisation der Magensäure durch Urease:
- Helicobacter pylori produziert das Enzym Urease, welches Harnstoff (ein Stoffwechselprodukt) in Ammoniak und Kohlendioxid spaltet.
- Der freigesetzte Ammoniak neutralisiert die Magensäure, wodurch das Bakterium im sauren Magenmilieu überleben kann.
- Schädigung der Epithelzellen und Verlust der Schleimhautbarriere:
- Das freigesetzte Ammoniak und andere von Helicobacter pylori produzierte Enzyme wie Proteasen und Lipasen (eiweiß- und fettsäurespaltende Enzyme) schädigen die Epithelzellen und zerstören die Schutzbarriere der Mukosa.
- Dadurch ist die Schleimhaut nicht mehr gegen die Magensäure geschützt, was zu einer lokalen Entzündungsreaktion führt.
- Induktion von Entzündungsreaktionen:
- Helicobacter pylori injiziert das CagA-Protein in die Epithelzellen, was zur Aktivierung von Signalwegen (z. B. NF-κB) führt, die eine Freisetzung von Zytokinen (entzündungsfördernden Botenstoffen) wie IL-8 (Interleukin-8) auslösen.
- Dies zieht neutrophile Granulozyten (spezialisierte Immunzellen) und Makrophagen (Fresszellen) an, was die Entzündungsreaktion weiter verstärkt und zu einer chronischen Gastritis führt.
- Bildung von Geschwüren und Erosionen:
- Die fortgesetzte Entzündungsreaktion und Zellschädigung beeinträchtigen die Regeneration der Schleimhaut, was zur Bildung von Geschwüren und Erosionen (oberflächlichen Schleimhautdefekten) führt.
- Diese Gewebeschädigungen können bei längerer Exposition zur Entwicklung von Magengeschwüren oder Zwölffingerdarmgeschwüren führen.
- Entwicklung eines Magenkarzinoms:
- Bei langjähriger Infektion kann es zur Schleimhautatrophie (Rückbildung der Schleimhaut) und zu Metaplasie (Umwandlung der Zellen) kommen.
- Diese Veränderungen erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms (Magenkrebs), insbesondere bei Infektionen mit hochvirulenten Stämmen.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- Die Infektion aktiviert die angeborene Immunantwort (erste Abwehrreaktion des Körpers) durch die Produktion von Zytokinen und die Rekrutierung von Neutrophilen (Abwehrzellen) und Makrophagen (Fresszellen).
- Diese Immunzellen setzen entzündungsfördernde Substanzen frei, die die Magenschleimhaut weiter schädigen und die lokale Entzündung verstärken.
- Systemische Immunantwort:
- Die adaptive Immunantwort (spezifische Immunabwehr) bildet spezifische Antikörper (IgA, IgG) gegen das Bakterium. Diese Abwehrreaktion reicht jedoch oft nicht aus, um Helicobacter pylori vollständig zu eliminieren, da das Bakterium in den tieferen Schichten der Magenschleimhaut verweilt.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Helicobacter pylori kann durch Variationen der Oberflächenproteine (Antigenvariationen) und durch die Bildung einer Schutzschicht aus Ammoniak der Immunerkennung entgehen und eine dauerhafte Infektion aufrechterhalten.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Das Bakterium besiedelt primär die Magenschleimhaut, insbesondere das Antrum (unterer Magenbereich) und das Korpus (Magenkörper).
- Resultierende Gewebeschäden:
- Die Infektion führt zu chronischer Gastritis, Erosionen und Magengeschwüren. In schweren Fällen kommt es zu Schleimhautatrophie und einer erhöhten Anfälligkeit für Magenkarzinome (Magenkrebs).
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Typische Symptome sind epigastrische Schmerzen (Magenschmerzen), Übelkeit, Blähungen und Appetitlosigkeit.
- Bei schwererem Verlauf können Erbrechen, Gewichtsverlust und Blutungen auftreten.
- Komplikationen:
- Entwicklung von Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren.
- Magenkarzinom bei langfristiger chronischer Infektion.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Helicobacter pylori ist ein hochvirulentes Bakterium, das den Magen besiedelt und verschiedene Magenerkrankungen verursacht. Die Pathogenese basiert auf der Neutralisation der Magensäure, der Schädigung der Schleimhaut und der Auslösung chronischer Entzündungsreaktionen. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um Komplikationen wie Geschwüre und Magenkrebs zu verhindern.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Toll-like-Rezeptor 1 (TLR1) Polymorphismus als Suszeptibilitätsgen (Gen, das die "Empfänglichkeit" für die Erkrankung steigert) [1]
- Sozioökonomische Faktoren
- große Familien
- Wohnungssituation, vor allem während der Kindheit [2]
- Hygienische Bedingungen – in Entwicklungsländern sind 80 % der Bevölkerung mit dem Keim infiziert
Literatur
- Mayerle J, den Hoed CM, Schurmann C et al.: Identification of genetic loci associated with Helicobacter pylori serologic status. JAMA 2013; 309: 1912-1920
- Malaty HM, Kim JG, Kim SD et al.: Prevalence of Helicobacter pylori infection in Korean children: inverse relation to socioeconomic status despite a uniformly high prevalence in adults. Am J Epidemiol 1996; 143: 257-262