Hantavirus-Erkrankung – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Hantavirus-Erkrankungen werden durch Hantaviren verursacht, die zur Familie der Bunyaviridae gehören. Die wichtigsten humanpathogenen Hantavirus-Spezies sind das Puumala-Virus, Dobrava-Virus, Hantaan-Virus und Andes-Virus. Die Hantaviren sind RNA-Viren, die insbesondere Nagetiere als Hauptreservoir nutzen.
  • Genom: Hantaviren besitzen ein dreiteiliges RNA-Genom (Segmentierung in S-, M- und L-Segment) und sind von einer doppelten Lipidhülle umgeben, die verschiedene Virulenzfaktoren enthält, darunter Glykoproteine, die für die Bindung an Wirtszellen notwendig sind.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz basiert auf der Fähigkeit der Hantaviren, Endothelzellen (Zellen der Gefäßinnenwand) zu infizieren und durch zytopathische Effekte (zellzerstörende Wirkungen), Vasodilatation (Gefäßerweiterung) und erhöhte Gefäßpermeabilität zu verursachen, was zu schweren Blutungen und Ödemen in den betroffenen Organen führt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Hantaviren kommen weltweit vor, jedoch variiert das Vorkommen je nach Hantavirus-Spezies und Nagetier-Reservoir. In Europa ist das Puumala-Virus am häufigsten, während in Asien und Südamerika andere Spezies wie das Hantaan-Virus und das Andes-Virus vorherrschen.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Übertragung erfolgt durch Einatmen (aerogene Aufnahme) von aerosolisierten Viren aus Nagetierexkrementen (Urin, Kot, Speichel), die in der Umwelt über mehrere Tage infektiös bleiben.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Seltener durch direkten Kontakt mit infizierten Nagetieren oder Bissverletzungen.
    • Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nur beim Andes-Virus beschrieben worden.
  • Reservoir: Hauptreservoir sind verschiedene Nagetiere wie Rötelmaus (Myodes glareolus), Brandmaus (Apodemus agrarius) und Feldmaus (Microtus arvalis). Die Viren persistieren in diesen Nagetieren, ohne eine Erkrankung auszulösen.
  • Infektiosität: Die Viren sind hochinfektiös, und bereits der Kontakt mit virushaltigen Aerosolen kann zu einer Infektion führen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Infektion erfolgt primär durch Inhalation von virushaltigen Aerosolen aus kontaminierten Exkrementen (Kot, Urin) der Nagetiere, die über die Atemwege in den Körper gelangen.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Infektion ist auch durch Schleimhautkontakt oder kleine Hautläsionen bei direktem Kontakt mit infizierten Tieren möglich.

Pathogenese des Erregers

  1. Initiale Infektion und Eintritt in die Zellen:
    • Nach der Inhalation gelangen die Viren in die Lungenalveolen und infizieren die Endothelzellen der Kapillaren. Die Bindung erfolgt über spezifische Glykoprotein-Rezeptoren auf der Zelloberfläche.
    • Die initiale Virusreplikation führt zur Freisetzung neuer Viruspartikel, die sich über den Blutkreislauf in weitere Zielorgane ausbreiten.
  2. Virusvermehrung und systemische Ausbreitung:
    • Die Viren befallen primär die Endothelzellen in verschiedenen Organen, darunter Nieren, Lunge, Leber und Herz. Die Replikation innerhalb dieser Zellen verursacht eine Schädigung der Zellmembranen und eine Störung der Barrierefunktion der Blutgefäße.
    • Die systemische Ausbreitung führt zur Virämie (Virusvermehrung im Blut) und zur Infektion weiterer Endothelzellen, was eine multiorganische Beteiligung hervorruft.
  3. Gefäßschäden und erhöhte Gefäßpermeabilität:
    • Die Infektion der Endothelzellen führt zu einer vermehrten Produktion von Zytokinen (z.B. TNF-α, IL-6), die eine Entzündungsreaktion auslösen. Dies führt zu einer Erhöhung der Gefäßpermeabilität, was den Austritt von Plasma und Blutbestandteilen in das umliegende Gewebe begünstigt.
    • Diese Gefäßschäden resultieren in Ödemen, Blutungen und einer Hypotonie (niedriger Blutdruck).
  4. Koagulationsstörung und Thrombozytopenie:
    • Hantaviren beeinflussen die Funktion der Thrombozyten und verursachen eine Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen), was zu einer gestörten Blutgerinnung führt.
    • Die Koagulationsstörungen führen zu hämorrhagischen Komplikationen in verschiedenen Organen und verstärken die Schädigung der betroffenen Gewebe.
  5. Organmanifestation:
    • Je nach Hantavirus-Spezies dominieren unterschiedliche Organmanifestationen:
      • Puumala-Virus und Dobrava-Virus verursachen vorwiegend eine Nierenentzündung (interstitielle Nephritis) mit Proteinurie und Hämaturie.
      • Hantaan-Virus führt zu einer hämorrhagischen Fiebererkrankung mit renalem Syndrom und schwerer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche).
      • Andes-Virus verursacht das Hantavirus-Kardiopulmonale Syndrom (HCPS), das mit schwerer Atemnot und Lungenödem (Wassereinlagerung in die Lungen) einhergeht.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Infektion aktiviert die angeborene Immunantwort, insbesondere durch Makrophagen und dendritische Zellen, die proinflammatorische Zytokine freisetzen.
    • Diese Reaktion führt zur Gefäßschädigung und zur Verstärkung der Entzündungsprozesse, was die Ausprägung der Gefäßpermeabilität weiter erhöht.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die Aktivierung der systemischen Immunantwort resultiert in einer Überproduktion von Zytokinen, die zur Verschlechterung der klinischen Symptome führen kann.
    • Bei schweren Verläufen kommt es zu einer fehlregulierten Immunreaktion, die zur multiorganischen Schädigung beiträgt.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Hantaviren können in Endothelzellen persistieren, ohne sofort eine zytopathische Wirkung zu zeigen.
    • Sie nutzen die Induktion proinflammatorischer Signalkaskaden zur eigenen Vermehrung und zur Unterdrückung der Immunantwort.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Hantaviren infizieren primär die Endothelzellen der Kapillaren in der Lunge, den Nieren, der Leber und dem Herz.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Zerstörung der Gefäßbarriere führt zu Ödemen, Blutungen und in schweren Fällen zu Multiorganversagen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Initiale Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und starke Bauchschmerzen.
    • Bei schwerer Erkrankung kommt es zur Hypotonie (niedriger Blutdruck), akutem Nierenversagen, Lungenödem und Schock.
  • Komplikationen:
    • Multiorganversagen bei schwerem Krankheitsverlauf.
    • Disseminierte intravasale Koagulation (DIC) und hämorrhagische Komplikationen.

Verläufe und Schweregrade

  • Milde Verläufe: Leichte, selbstlimitierende Infektionen ohne Organbeteiligung.
  • Schwere Verläufe: Hämorrhagische Fiebererkrankungen mit Multiorganversagen und hoher Mortalität.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen und Immunsuppression erhöhen das Risiko schwerer Verläufe.
    • Berufliche Exposition (z. B. Jäger, Waldarbeiter) ist ein zusätzlicher Risikofaktor.
  • Erregerfaktoren:
    • Hantaviren mit hoher Virulenz (z. B. Andes-Virus) führen häufiger zu schweren, lebensbedrohlichen Verläufen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Hantavirus-Erkrankung ist eine durch Hantaviren verursachte systemische Infektion, die je nach Spezies unterschiedliche klinische Bilder wie Nierenversagen, hämorrhagische Fieber oder ein kardiopulmonales Syndrom hervorruft. Die Pathogenese ist durch eine Schädigung der Endothelzellen, eine erhöhte Gefäßpermeabilität und eine Koagulationsstörung gekennzeichnet. Eine frühzeitige Diagnose und intensive supportive Therapie sind entscheidend, um schwere Verläufe zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Inhalation infizierter Aerosole (Hantavirus kann monatelang im Staub oder im Erdreich überleben)
  • Kontakt verletzter Haut mit infiziertem Material
  • Bisse infizierter Tiere