Haemophilus influenzae – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Haemophilus influenzae ist ein gramnegatives, fakultativ anaerobes Bakterium, das in bekapselter und unbekapselter Form vorkommt.
- Genom: Das Genom von Haemophilus influenzae besteht aus einer einzelsträngigen DNA, die eine Vielzahl von Virulenzfaktoren (Krankheitserreger-Eigenschaften) kodiert. Der bekannteste Pathogenitätsfaktor ist die Polysaccharidkapsel.
- Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz hängt entscheidend von der Kapselstruktur ab. Bekapselte Stämme, insbesondere Haemophilus influenzae Typ B (Hib), sind obligat pathogen (immer krankheitserregend) und verursachen schwere systemische Infektionen. Die Kapsel schützt das Bakterium vor der Phagozytose (Aufnahme und Zerstörung durch Immunzellen) und der Komplementaktivierung (Bestandteil des Immunsystems).
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Haemophilus influenzae kommt weltweit vor und gehört in unbekapselter Form zur normalen Rachenflora gesunder Menschen. Die bekapselten Formen, insbesondere Hib, sind seit Einführung der Impfprogramme deutlich seltener geworden.
- Hauptübertragungsweg: Tröpfcheninfektion – Die Bakterien werden durch direkten Kontakt oder über Aerosole (feinste Tröpfchen in der Luft) von Mensch zu Mensch übertragen.
- Weitere Übertragungswege: Direkter Kontakt mit infektiösem Nasen-Rachen-Sekret. Selten erfolgt eine Übertragung durch kontaminierte Gegenstände.
- Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist bei bekapselten Stämmen besonders hoch. Bereits geringe Mengen des Erregers können bei ungeschützten Personen eine Infektion auslösen.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Die Nasen-Rachen-Schleimhaut ist die Hauptpforte für Haemophilus influenzae. Der Erreger kolonisiert die Schleimhäute und kann von dort in tiefere Gewebe eindringen.
- Nebeneintrittspforten: Über die Konjunktiva (Bindehaut) oder Wunden kann der Erreger ebenfalls in den Körper gelangen.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
- Unbekapselte Stämme: Besiedeln den Nasopharynx (Nasenrachenraum) und verbleiben häufig als harmlose Kommensalen (Nicht-Pathogene).
- Bekapselte Stämme (Hib): Heften sich mithilfe von Adhäsinen (Anheftungsproteine) an die Mukosa (Schleimhaut) der Atemwege und überwinden die Schleimhautbarriere.
- Ausbreitung:
- Invasion: Der Erreger gelangt durch die Mukosa in die Blutbahn und führt zur Bakteriämie (Vorhandensein von Bakterien im Blut).
- Organaffinität: Über die Blutbahn erreicht Haemophilus influenzae vor allem das Gehirn (Meningitis), den Kehlkopf (Epiglottitis) und die Lunge (Pneumonie).
- Systemische Ausbreitung: Vor allem bei Kindern führt die Bakteriämie häufig zur Infektion von Gehirn und Kehldeckel.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- An den Schleimhäuten aktiviert das Bakterium die angeborene Immunantwort. Makrophagen und neutrophile Granulozyten (weiße Blutkörperchen) werden aktiviert, um die Bakterien zu bekämpfen.
- Die lokale Inflammation (Entzündungsreaktion) kann zu Symptomen wie Rötung und Schwellung führen.
- Systemische Immunantwort:
- Bei Übertritt ins Blut wird das Komplementsystem aktiviert.
- Es kommt zur Bildung von Antikörpern gegen die Kapselpolysaccharide des Erregers.
- Kinder unter zwei Jahren haben häufig keine ausreichende Antikörperbildung, was das Risiko schwerer Infektionen erhöht.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Die Polysaccharidkapsel von Haemophilus influenzae hemmt die Phagozytose und die Komplementaktivierung.
- Die Bakterien können zudem Immunglobuline (Antikörper) durch Proteasen (abbauende Enzyme) abbauen und damit die Immunantwort weiter schwächen.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane:
- Gehirn: Bei Meningitis werden die Hirnhäute befallen.
- Kehlkopf: Bei Epiglottitis entzündet sich der Kehldeckel.
- Lunge: Pneumonie entsteht durch die Invasion der Alveolen (Lungenbläschen).
- Resultierende Gewebeschäden:
- Bei Meningitis kommt es zu einer Entzündungsreaktion im Bereich der Hirnhäute, die unbehandelt zu bleibenden neurologischen Schäden führen kann.
- Bei Epiglottitis führt die Schwellung des Kehldeckels zu einer lebensbedrohlichen Atemwegsverengung.
- Bei Pneumonie entsteht eine exsudative Entzündung (Austritt von Flüssigkeit) in den Alveolen, was den Gasaustausch stört.
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Meningitis: Fieber, Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen.
- Epiglottitis: Akut einsetzende Halsschmerzen, Stridor (pfeifendes Atemgeräusch), Atemnot.
- Pneumonie: Fieber, Husten, Auswurf, Brustschmerzen, Atembeschwerden.
- Sinusitis/Otitis media: Schmerzen im Bereich der Nebenhöhlen oder des Mittelohrs, Fieber.
- Komplikationen:
- Sepsis (Blutvergiftung) mit Multiorganversagen.
- Hirnschäden und Entwicklungsstörungen nach Meningitis.
- Atemwegsobstruktion (Verlegung der Atemwege) bei Epiglottitis.
- Verläufe und Schweregrade:
- Meningitis und Epiglottitis sind häufig fulminant (schnell verlaufend) und lebensbedrohlich.
- Lokale Infektionen wie Otitis media und Sinusitis sind in der Regel weniger schwerwiegend, können aber chronisch werden.
Prognosefaktoren
- Wirtsfaktoren:
- Alter: Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet.
- Immunkompetenz: Bei Immunsuppression (geschwächtem Immunsystem) erhöhtes Risiko für schwere Verläufe.
- Grundkrankheiten: Chronische Lungenerkrankungen erhöhen das Risiko für pulmonale Komplikationen.
- Erregerfaktoren:
- Kapseltyp: Typ B (Hib) ist besonders virulent (krankmachend).
- Mutationen im Kapselgen können die Immunerkennung erschweren.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Haemophilus influenzae ist ein bedeutender bakterieller Erreger, der sowohl asymptomatisch in der Rachenflora gesunder Menschen persistieren als auch schwere invasive Erkrankungen auslösen kann. Die bekapselte Form (insbesondere Typ B) führt bei Kindern häufig zu Meningitis, Epiglottitis und Pneumonie. Eine frühzeitige Impfung bietet einen hohen Schutz und hat die Inzidenz (Häufigkeit) schwerer Erkrankungen erheblich reduziert. Die Therapie umfasst in der Regel Antibiotika und eine unterstützende Behandlung bei akuten Komplikationen. Präventive Maßnahmen und Impfprogramme haben das Erkrankungsrisiko weltweit gesenkt.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Tröpfcheninfektion
- Direkter Kontakt mit infizierten Personen oder Trägern über Husten, Niesen oder engen Kontakt erhöht das Infektionsrisiko.
- Maßnahmen: Verwendung von Masken, insbesondere bei engem Kontakt mit gefährdeten Personen (z. B. Kleinkindern, immunsupprimierten Patienten).
- Kontaktinfektion
- Indirekte Übertragung durch kontaminierte Oberflächen oder Gegenstände (z. B. Spielzeug).
- Maßnahmen: Regelmäßige Desinfektion von häufig genutzten Gegenständen in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kindergärten).
- Hygienegewohnheiten
- Unzureichende Handhygiene trägt zur Ausbreitung des Erregers bei.
- Maßnahmen: Förderung der Händehygiene, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen.
- Rauchen
- Passivrauchen erhöht die Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen bei Kindern.
- Maßnahmen: Vermeidung des Rauchens in der Nähe von Kindern und in geschlossenen Räumen.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Bei Erwachsenen kann eine Schwäche des Immunsystems die Infektion mit Haemophilus influenzae begünstigen