HIV – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Verlängerung des Überlebens
  • Partnermanagement bei einer frischen HIV-Infektion, d. h. ggf. infizierte Partner müssen ausfindig gemacht und behandelt werden (Kontakte der letzten drei Monate oder aus der Zeit bis zum letzten negativen Test müssen informiert werden) [European Guidelines].

Therapieempfehlungen

  • Nachfolgend die aktuellen WHO-Empfehlungen [6]:
    • Jeder HIV-Positive (Kinder und Jugendliche eingeschlossen) sollte von Anfang an antiretrovirale Medika­mente/antiretrovirale Therapie (ART) einnehmen (unabhängig von der CD4 Zellzahl).
    • HIV-negative Partner aus serodiskordanten Paaren sowie Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)), sollten eine Präexpositionsprophylaxe betreiben, vorzugsweise mit einer Kombination von Tenofovir plus Emtricitabin.
    • Die ART soll so schnell wie möglich nach der Diagnose erfolgen (Idealweise innerhalb von sieben Tagen)
  • Initialtherapie:
    • S. u.: Empfohlene initiale antiretrovirale Therapie (ART) für Patienten mit HIVa [12]
  • Eine frühe antiretrovirale Therapie (ART) einer HIV-Infektion beschleunigt die Erholung der Immunparameter und kann darüber hinaus den Zeitpunkt der lebenslangen Therapie in der Spätphase hinauszögern [1, 2].
  • Multiresistente (MDR) HIV-Infektion: Ibalizumab (monoklonaler Antikörper, der CD4, den primären Rezeptor für HIV, bindet und das Eindringen von HIV in Zellen verhindert; wurde als erstes Medikament zur Behandlung von MDR-HIV in den USA zugelassen) [9]; der Wirkstoff wird in Kombination mit anderen antiretroviralen Substanzen in einer Dosis von 200 mg alle 2 Wochen i.v. verabreicht; seit November 2019 auch in Europa zugelassen
  • Regelmäßige Laborkontrollen zur Überprüfung des Therapieerfolges müssen erfolgen.
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Empfohlene initiale antiretrovirale Therapie (ART) für Patienten mit HIVa [12]

  • Bictegravir / Tenofoviralafenamid / Emtricitabin (BIC/TAF/FTC)
  • Dolutegravir plus
    • Tenofovirdalafenamid / Emtricitabin
    • Tenofovirdisoproxilfumarat / Emtricitabin
    • Tenofovirdisoproxilfumarat / Lamivudin
  • Dolutegravir / Lamivudin mit vorbehaltenb

In der Schwangerschaft ist Dolutegravir mit Tenofoviralafenamid/Emtricitabin aufgrund der Verträglichkeit und Wirksamkeit aktuell die bevorzugte Option.

Legende

  • aIn alphabetischer Reihenfolge nach Integrase-Strang-Transfer-Inhibitor (INSTI)-Komponente aufgelistet. Mit einer Virgule (/) getrennte Arzneimittelkomponenten weisen darauf hin, dass diese als Co-Formulierungen erhältlich sind.
  • bNicht für einen schnellen Start empfohlen, da die Ergebnisse der Laborausgangssitutation vor Beginn überprüft werden müssen. Auch nicht empfohlen für Patienten mit chronischer Hepatitis B oder HIV-RNA über 500.000 Kopien/ml und möglicherweise einer CD4-Zellzahl unter 200/μl, obwohl letztere unklar ist. Eine genaue Überwachung auf Adhärenz und virologische Reaktion ist erforderlich. Nicht empfohlen für Patienten, die wegen einer aktiven opportunistischen Infektion behandelt werden.

Langwirksame, injizierbare Depotformulierungen der ART 

  • Depotformulierungen mit der Kombination Cabotegravir plus Rilpivirin; diese müssen nur alle zwei Monate verabreicht werden.
    Indikation: Patienten, die eine supprimierte Viruslast durch eine tägliche, orale Einnahme der ART erreicht haben.

Weitere Hinweise

  • Die International Antiviral Society-USA (IAS-USA) gibt dafür den Integrase-Inhibitoren (Elvitegravir, Dolutegravir, Raltegravir) den Vorzug [7].
  • Die randomisierte START-Studie konnte zeigen, wurde die Therapie bei einer Helferzellzahl von über 500/µl initiiert, war das Risiko – für das Auftreten von Ereignissen, die das „acquired immune deficiency syndrome“ (AIDS) definieren, und auch von nicht AIDS-definierenden Ereignissen – geringer als bei Patienten, die erst nach Abfall der Helferzellen unter 350/µl eine Therapie erhielten [8].

Schwangerschaft

Unter folgenden Bedingungen kann bei einer HIV-positiven Schwangeren eine vaginale Entbindung angestrebt werden:

  • Schwangerschaftsalter mindestens 37 + 0 SSW 
  • Ausschluss
    • geburtshilflicher Kontraindikationen (z. B. Querlage)
    • anderer, behandlungspflichtiger, sexuell übertragbarer Infektionen (STI)
  • HI-Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze bei 36 + 0 SSW

Empfohlen während der Schwangerschafta [12]

  • Atazanavir / Ritonavirb
  • Darunavir / Ritonavirb
  • Dolutegravirb,c
  • Efavirenzb
  • Raltegravirb
  • Rilpivirind

Legende:

  • aIn alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Mit einer Virgule (/) getrennte Arzneimittelkomponenten weisen darauf hin, dass diese als Co-Formulierungen erhältlich sind.
  • bIn Kombination mit Tenofovirdisoproxilfumarat / Emtricitabin oder Tenofovirdisoproxilfumarat / Lamivudin. Es gibt Daten, die die Anwendung von Dolutegravir plus Tenofoviralafenamid / Emtricitabin während der Schwangerschaft belegen.
  • CFrauen, die dieses Medikament einnehmen, wenn sie schwanger werden, müssen nicht unbedingt die ART wechseln.
  • dKann während der Schwangerschaft als Bestandteil des Behandlungsplans verwendet werden. Abacavir / Lamivudin kann während der Schwangerschaft anstelle einer der anderen Komponenten des reversen Transkriptionsinhibitors mit zwei Nukleosiden verwendet werden, Daten und Erfahrungen für beide sind jedoch begrenzter.

Antiretrovirale Medikamente

Antiretrovirale Medikamente wirken gegen Retroviren, das ist eine bestimmt Untergruppe der Viren, zu denen auch die Viren zählen, die für die AIDS-Erkrankung verantwortlich sind.

Man unterscheidet die folgenden Gruppen der antiretroviralen Medikamente

  • Nukleosidanaloga – beispielsweise Tenofovir
  • Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) – beispielsweise Efavirenz
  • Fusionsinhibitoren – beispielsweise Enfuvirtid
  • Protease-Inhibitoren – beispielsweise Atazanavir
  • Integrase-Inhibitoren – beispielsweise Elvitegravir, Dolutegravir*, Raltegravir
  • Reverse Transkriptase-Inhibitoren – beispielsweise Lamivudin

In der Regel werden mehrere der oben genannten Medikamente kombiniert, um den größtmöglichen Effekt zu erzielen. Man nennt die Form der Therapie HAART-Therapie (hochaktive antiretrovirale Therapie). Diese Therapie kann den Betroffenen nicht heilen, kann aber das Leben durchaus viele Jahre verlängern.

*Die WHO empfiehlt den Integrasehemmer Dolutegravir (DTG) als Erstlinien- und Zweitlinien-Therapie der Wahl für HIV-Infizierte, ausdrücklich auch für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch auf Grundlage einer Studie, Dieser zufolge besteht ein kleinerer Unterschied als bisher gedacht, trotz allem aber ein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit von Neuralrohrdefekten bei Kindern von HIV-positiven Frauen [11].

Weitere Hinweise

  • Elvitegravir- und Cobicistat-haltige Arzneimitteln: Erhöhtes Risiko für Therapieversagen und Mutter-Kind-Übertragung der HIV-Infektion aufgrund einer geringeren Plasmakonzentration im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft [10].

Neben der Therapie der HIV-Infektion sollte eine zeitgleiche Infektion mit dem Herpesvirus (HSV) nach neusten Erkenntnissen auch intensiv behandelt werden, da Studien einen Hinweis darauf geben, dass die HSV-Therapie die HIV-Viren ebenfalls eindämmt.

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, K, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphor)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Fluorid, Jod, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäuren: Linolsäure)
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien, Coenzym Q10 (CoQ10), L-Carnitin)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. The SPARTAC Trial Inverstigation: Short.course antiretroviral therapy in primary HIV infektion. NEJM 2013; 368: 207-17
  2. Le T, Wright EJ et al.: Enhanced CD4+ T-Cell recoverywith earlier HIV-1 antiretroviral Therapy. NEJM 2013; 368-30
  3. Geretti AM, Tsakiroglou M HIV: new drugs, new guidelines. Curr Opin Infect Dis. 2014 Dec;27(6):545-53. doi: 10.1097/QCO.0000000000000106.
  4. Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
  5. S2k-Leitlinie: Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion. (AWMF-Registernummer: 055-001), September 2020 Langfassung
  6. WHO-Guidelines: Guideline on when to start antiretroviral therapy and on pre-exposure prophylaxis for HIV. September 2015, ISBN 978 92 4 150956 5
  7. Günthard HF et al.: Antiretroviral Drugs for Treatment and Prevention of HIV Infection in Adults 2016 Recommendations of the International Antiviral Society-USA Panel. JAMA. 2016;316(2):191-210. doi:10.1001/jama.2016.8900.
  8. National Institutes of Health: Starting Antiretroviral Treatment Early Improves Outcomes for HIV-Infected Individuals. NIH-funded trial results likely will impact global treatment guidelines. NIH News FOR IMMEDIATE RELEASE Wednesday, May 27, 2015
  9. FDA News Release: FDA approves new HIV treatment for patients who have limited treatment options. For Immediate Release March 6, 2018
  10. AkdÄ Drug Safety Mail: Elvitegravir- und Cobicistat-haltige Arzneimitteln: Erhöhtes Risiko für Therapieversagen und Mutter-Kind-Übertragung der HIV-Infektion aufgrund einer geringeren Plasmakonzentration im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft| 13–2019
  11. Raesima MM et al.: Dolutegravir Use at Conception — Additional Surveillance Data from Botswana New Engl J Med. July 22, 2019 doi: 10.1056/NEJMc1908155
  12. Saag MS et al.: Antiretroviral Drugs for Treatment and Prevention of HIV Infection in Adults 2020 Recommendations of the International Antiviral Society-USA Panel JAMA. Published online October 14, 2020. doi:10.1001/jama.2020.17025

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Antiretrovirale Therapie bei Kindern und Jugendlichen. (AWMF-Registernummer: 048 - 011), Juni 2019 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion. (AWMF-Registernummer: 055-001), September 2020 Langfassung
  3. Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
  4. National Institutes of Health: Starting Antiretroviral Treatment Early Improves Outcomes for HIV-Infected Individuals. NIH-funded trial results likely will impact global treatment guidelines. NIH News FOR IMMEDIATE RELEASE Wednesday, May 27, 2015
  5. WHO-Guidelines: Guideline on when to start antiretroviral therapy and on pre-exposure prophylaxis for HIV. September 2015, ISBN 978 92 4 150956 5
  6. S2k-Leitlinie: HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen. (AWMF-Registernummer: 055-002), September 2020 Langfassung
  7. S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie HIV-1-assoziierter neurologischer Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 030 - 044), Dezember 2020 Langfassung
  8. Gandhi RT et al.: Antiretroviral Drugs for Treatment and Prevention of HIV in Adults: 2024 Recommendations of the International Antiviral Society–USA Panel. Dezember 2024. doi:10.1001/jama.2024.24543