HIV – Einleitung
Die HIV-Infektion ist eine derzeit unheilbare Erkrankung, die durch das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) verursacht wird. HIV gehört zur Familie der Retroviren und führt zu einer progressiven Schädigung des Immunsystems, indem es spezifische Immunzellen (insbesondere CD4+ T-Lymphozyten) infiziert und zerstört.
Synonyme und ICD-10: Acquired immunodeficiency syndrome; AIDS/HIV; AIDS-Virus; ARV (AIDS-assoziiertes Retrovirus); HIV-Infektion; HI-Virus; HTLV III (Humanes T-Zell-lymphotropes Virus III); HTV-Virus; Humane Immundefizienz-Virus; Humane Immundefizienz-Viruskrankheit; Human immunodeficiency virus; Immunschwächekrankheit; LAV; LAV (Lymphadenopathie-assoziiertes Virus); Menschliches Immunschwächevirus; Menschliches Immunschwäche-Virus; fälschlicherweise: HIV-Virus; ICD-10-GM B24: Nicht näher bezeichnete HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
In Europa liegt im Regelfall eine HIV-Infektion als eine HIV-1-Infektion vor. Eine HIV-2-Infektion ist im Vergleich mit HIV-1 fast 1.000-mal seltener.
In Deutschland dominiert bei Infektionen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus-1 (HIV-1) der Subtyp B.
Weltweit ist der HIV-1-Subtyp B aber nur für 11 % der HIV-Infektionen verantwortlich. Am häufigsten tritt der HIV-1-Subtyp C auf, der global für 48 % aller HIV-1-Infektionen verantwortlich ist. Schwerpunkte sind Indien oder Südafrika, wo über 98 % der HIV-1-Infektionen auf Subtyp C zurückgeführt werden [11].
Eine hochvirulente Variante des Subtyp B von HIV aus den Niederlanden haben britische Forscher entdeckt. Diese kann sich schneller im Körper vermehren und das Immunsystem unbehandelt bereits nach 9 Monaten irreversibel schädigen. Die Patienten hatten bei der Diagnose eine 3,5- bis 5,5-fach höhere Viruslast als andere Patienten, was mit einem doppelt so schnellen Rückgang der CD4-Zellen verbunden war [12].
Die Erkrankung gehört zu den sexuell übertragbaren Krankheiten (engl. STD (sexually transmitted diseases) oder STI (sexually transmitted infections)).
Formen der HIV-Infektion
- Akute HIV-Infektion: Diese Phase tritt wenige Tage bis Wochen nach der Infektion bei etwa 50 % der Betroffenen auf und äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Lymphadenopathie (Lymphknotenschwellung), Hautausschlägen und Gelenkschmerzen. Diese Symptome verschwinden in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen spontan.
- Symptomfreies Stadium: Nach der akuten Phase folgt eine lange, asymptomatische Phase, die Monate bis viele Jahre (im Mittel etwa 10 Jahre) andauern kann. Während dieser Zeit vermehrt sich das Virus weiter im Körper, aber der Infizierte hat keine oder nur geringe Symptome. Der Übergang in die nächste Phase ist oft durch eine allmähliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekennzeichnet.
- Symptomatisches Stadium: In dieser Phase treten Symptome auf, die auf eine geschwächte Immunabwehr hinweisen. Es kommt zu opportunistischen Infektionen und Krankheiten, die bei einem gesunden Immunsystem selten sind. Beispiele sind schwere Pilzinfektionen, Herpes zoster und persistierende Lymphknotenschwellungen.
- AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome): Dies ist die letzte und schwerste Phase der HIV-Infektion. Hier treten AIDS-definierende Erkrankungen auf, wie Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, Toxoplasmose-Enzephalitis (Gehirnentzündung), systemische Candidiasis und das Kaposi-Sarkom. Das Immunsystem ist so stark geschwächt, dass es lebensbedrohliche Infektionen und Krebsarten nicht mehr abwehren kann.
Bei 49,5 % der HIV-infizierten in Deutschland wird die Infektion erst spät diagnostiziert ("HIV Late Presenters"), wenn die CD4-Zellzahl bereits unter 350/µl liegt oder schon Aids-definierende Erkrankungen (z. B. Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, Toxoplasmose-Enzephalitis, systemische Candidiasis, Kaposi-Sarkom) vorliegen [1].
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen, insbesondere aufgrund des erhöhten Risikos bei homosexuellen Männern. Heterosexuelle Übertragungen nehmen jedoch zu.
Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im Alter zwischen 25 und 40 Jahren auf. In Europa infizieren sich jedoch auch zunehmend ältere Menschen, mit etwa jeder sechsten Neudiagnose bei über 50-Jährigen.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit lebten Ende 2020 etwa 37,7 Millionen Menschen mit HIV. Die Prävalenz ist in Subsahara-Afrika am höchsten.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz beträgt weltweit etwa 1,5 Millionen neue Fälle pro Jahr. In Deutschland beträgt die Inzidenz ca. 3,5 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Saisonale Häufung der Erkrankung: Es gibt keine saisonale Häufung bei HIV/AIDS, da es sich um eine chronische Infektionskrankheit handelt.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Humanes Immundefizienz-Virus (HIV), ein Retrovirus der Gattung Lentivirus.
Erregerreservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für das HIV-Virus.
Vorkommen: HIV tritt weltweit auf, mit der höchsten Prävalenz in Subsahara-Afrika.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, Blut-zu-Blut-Kontakte (z. B. durch kontaminierte Nadeln), und vertikal von der Mutter auf das Kind.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): HIV ist weniger kontagiös als viele andere Viren; das Risiko einer Übertragung hängt stark von der Art des Kontakts ab (z. B. 0,3 % bei Nadelstichverletzungen mit HIV-positivem Blut).
Übertragungsweg: Hauptsächlich durch sexuelle Kontakte, kontaminierte Blutprodukte oder vertikal von der Mutter auf das Kind.
Eintrittspforte: Schleimhäute der Genitalien, des Rektums, der Mundhöhle sowie Wunden und Injektionsstellen.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Die Inkubationszeit für die akute HIV-Infektion beträgt in der Regel 2 bis 4 Wochen. AIDS, das Endstadium der HIV-Infektion, kann sich nach 2 bis 15 Jahren entwickeln.
Krankheitsdauer: HIV ist eine lebenslange Infektion. Ohne Therapie führt sie in der Regel nach 8 bis 10 Jahren zu AIDS und anschließend innerhalb weniger Jahre zum Tod.
Dauer der Infektiosität: HIV-positive Personen sind ab dem Zeitpunkt der Infektion lebenslang infektiös. Allerdings wird das Risiko unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie signifikant reduziert.
Nicht-Infektiosität unter Therapie
- HIV-Infizierte ohne andere sexuell übertragbare Erkrankungen (engl. sexually transmitted diseases, STD) sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös [5]. Voraussetzung dafür ist die strikte Einhaltung der antiretroviralen Therapie durch den HIV-infizierten Sexualpartner, die durch den behandelnden Arzt kontrolliert werden muss. Des Weiteren muss die Virusmenge im Blut seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze liegen, und somit eine Suppression der Virämie (Vorhandensein von Viren im Blut) vorliegen; ebenso dürfen keine sexuell übertragbaren Krankheiten (STD) nachweisbar sein. Studien wie die prospektive Beobachtungsstudie PARTNER (Partners of People on ART – A New Evaluation of the Risks) [6] und die Kohortenstudie "Opposites Attract" mit mehr als 350 HIV-serodiskordanten homosexuellen männlichen Paaren in Australien, Bangkok und Rio de Janeiro [7] haben dieses bestätigt.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): In Hochrisikogruppen (z. B. MSM – Männer, die Sex mit Männern haben) kann die Seroprävalenz regional bis zu 30 % betragen.
Erregerspezifische Immunität: Eine natürliche Immunität gegen HIV existiert nicht. Antikörperbildung erfolgt, jedoch ohne Schutz vor der Progression der Erkrankung.
Alterstrend: In Europa infizieren sich zunehmend auch ältere Menschen mit dem HI-Virus. Etwa jede sechste Neudiagnose entfällt laut einer Studie auf über 50-Jährige [4]. AIDS nimmt weltweit gesehen Platz vier der Todesursachenstatistik ein.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Eine HIV-Infektion kann in verschiedenen Stadien verlaufen, die sich im Laufe der Zeit verändern und unterschiedliche Symptome und Krankheitsbilder zeigen:
- Akute HIV-Infektion: Diese Phase tritt wenige Tage bis Wochen nach der Infektion bei etwa 50 % der Betroffenen auf und äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Lymphadenopathie (Lymphknotenschwellung), Hautausschlägen und Gelenkschmerzen. Diese Symptome verschwinden in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen spontan.
- Symptomfreies Stadium: Nach der akuten Phase folgt eine lange, asymptomatische Phase, die Monate bis viele Jahre (im Mittel etwa 10 Jahre) andauern kann. Während dieser Zeit vermehrt sich das Virus weiter im Körper, aber der Infizierte hat keine oder nur geringe Symptome. Der Übergang in die nächste Phase ist oft durch eine allmähliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekennzeichnet.
- Symptomatisches Stadium: In dieser Phase treten Symptome auf, die auf eine geschwächte Immunabwehr hinweisen. Es kommt zu opportunistischen Infektionen und Krankheiten, die bei einem gesunden Immunsystem selten sind. Beispiele sind schwere Pilzinfektionen, Herpes-Zoster (Gürtelrose), und persistierende Lymphknotenschwellungen.
- AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome): Dies ist die letzte und schwerste Phase der HIV-Infektion. Hier treten AIDS-definierende Erkrankungen auf, wie Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, Toxoplasmose-Enzephalitis (Gehirnentzündung), systemische Candidiasis und das Kaposi-Sarkom. Das Immunsystem ist so stark geschwächt, dass es lebensbedrohliche Infektionen und Krebsarten nicht mehr abwehren kann.
Prognose
Die Prognose einer HIV-Infektion hat sich dank moderner antiretroviraler Therapien (ART) erheblich verbessert. Hier einige wichtige Punkte zur Prognose:
- Lebenserwartung: Mit einer rechtzeitigen und konsequenten ART kann die Lebenserwartung von HIV-Infizierten nahezu normal sein. Menschen, die früh diagnostiziert und behandelt werden, können eine Lebenserwartung von etwa 70 bis 80 Jahren erreichen.
- Therapie und Viruslast: Die kontinuierliche Einnahme von ART kann die Viruslast im Blut unter die Nachweisgrenze senken, was bedeutet, dass das Virus im Blut nicht mehr messbar ist und die Ansteckungsgefahr minimiert wird. Studien wie PARTNER und "Opposites Attract" haben gezeigt, dass HIV-Infizierte unter wirksamer ART ihre Sexualpartner zuverlässig vor einer Ansteckung schützen können, sofern die Therapie konsequent durchgeführt und Kondome benutzt werden [2][6][7].
- Komorbiditäten: Trotz der verbesserten Lebenserwartung können HIV-Infizierte häufiger an Begleiterkrankungen wie kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Myokardinfarkt, Schlaganfall), virusassoziierten Krebsarten, chronischen Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie Osteoporose-bedingten Frakturen leiden (s. u.) [3].
- HIV-2: Diese Variante des Virus ist seltener, aber ohne ART haben auch HIV-2-Infizierte ein hohes Risiko, an AIDS zu erkranken und zu sterben. Die mittlere Zeit von der Infektion bis zur AIDS-Entwicklung beträgt 14,3 Jahre, und die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose der HIV-Infektion liegt bei 15,6 Jahren [9].
- Diagnose und Früherkennung: Eine späte Diagnose ist nach wie vor ein großes Problem. In Deutschland wird bei fast der Hälfte der HIV-infizierten Personen die Infektion erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, wenn die CD4-Zellzahl bereits unter 350/µl liegt oder schon AIDS-definierende Erkrankungen vorliegen [1].
Eine systematische Übersicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt zu dem Ergebnis, dass HIV-Infizierte, deren Viruslast auf unter 1.000 Kopien/ml gefallen ist und die regelmäßig ihre antiretrovirale Medikamente einnehmen, bei Sexualkontakten praktisch nicht mehr infektiös sind. In den vorliegenden Studien war es zu 323 dokumentierten sexuellen HIV-Übertragungen gekommen. Darunter waren allerdings nur 2 Übertragungen, bei denen der Partner eine Viruslast von weniger als 1.000 Kopien/ml hatte [13].
Komorbiditäten
Mögliche Begleiterkrankungen sind Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Apoplex (Schlaganfall; jeweils doppeltes Risiko), Virus-assoziierte Krebserkrankungen (14-mal häufiger), andere Krebsformen (17-häufiger), chronische neurokognitive Probleme, chronische Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie Osteoporose-bedingte Frakturen (Knochenbrüche) [3].
Weitere Komorbiditäten sind Tuberkulose, Substanzkonsum, Depression, Angst und posttraumatische Belastungsreaktion.
Beachte: Das Management von Komorbiditäten muss über die gesamte Lebensspanne eine besondere Aufmerksamkeit haben.
Literatur
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- S2k-Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. (AWMF-Registernummer: 059 - 006), August 2018 Langfassung
- S2k-Leitlinie: HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen. (AWMF-Registernummer: 055-002), September 2020 Langfassung
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