Grippe (Influenza) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung) 

Saisonale Influenza

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die saisonale Influenza wird durch Influenza-Viren der Typen A, B und C verursacht, die zur Familie der Orthomyxoviridae gehören. Influenza A ist der Hauptverursacher von saisonalen Epidemien.
  • Genom: Die Viren besitzen ein segmentiertes RNA-Genom. Bei den Typen A und B besteht es aus 8 RNA-Segmenten, bei Typ C aus 7 Segmenten, was zu einer hohen genetischen Variabilität führt.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz der Influenza-Viren wird durch zwei Hauptoberflächenproteine bestimmt:
    • Hämagglutinin (H): Vermittelt die Bindung des Virus an die Wirtszelle.
    • Neuraminidase (N): Fördert die Freisetzung neugebildeter Viren und damit die Ausbreitung im Gewebe. Besonders der Antigendrift (punktuelle Mutationen) führt zu jährlichen Veränderungen der Virusoberflächenstruktur, wodurch sich das Virus der Immunabwehr des Wirts entziehen kann.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Saisonale Influenza tritt weltweit auf, vor allem in den Wintermonaten. In gemäßigten Klimazonen kommt es jährlich zu regionalen Epidemien, die häufig zwischen Dezember und März auftreten. In tropischen Regionen kann Influenza ganzjährig vorkommen.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt primär durch Tröpfcheninfektion (Einatmen virushaltiger Tröpfchen, die beim Niesen, Husten oder Sprechen freigesetzt werden).
  • Weitere Übertragungswege: Schmierinfektionen durch kontaminierte Oberflächen sind ebenfalls möglich. Das Virus kann mehrere Stunden auf Oberflächen überleben und bei Kontakt mit der Nasen- oder Mundschleimhaut übertragen werden.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch, insbesondere bei Kindern und älteren Menschen. Influenza-Viren sind bereits 24 Stunden vor Symptombeginn infektiös und bleiben es etwa 5-7 Tage nach Ausbruch der Erkrankung.
  • Eintrittspforte des Erregers
  • Haupteintrittspforte: Die Influenza-Viren dringen über die Schleimhäute der oberen Atemwege in den Körper ein und infizieren die Epithelzellen von Nase, Rachen, Luftröhre und Bronchien.
  • Nebeneintrittspforten: Andere Eintrittspforten sind unbedeutend, jedoch können die Viren in seltenen Fällen auch durch den Bindehautsack des Auges aufgenommen werden.

Pathogenese des Erregers

Initiale Vermehrung und Ansiedlung:

  • Nach dem Eindringen in die Schleimhaut der Atemwege binden die Viren mithilfe des Hämagglutinins (H) an Sialinsäure-Rezeptoren auf der Oberfläche der Epithelzellen.
  • Das Virus wird durch Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Dort wird die virale RNA freigesetzt, um die Replikation zu starten.
  • Die neugebildeten Viruspartikel werden durch die Neuraminidase freigesetzt und infizieren benachbarte Zellen.

Toxinproduktion:

  • Die Virusvermehrung führt zur Zerstörung der Epithelzellen und stört die mukoziliäre Clearance (Reinigung der Atemwege).
  • Es kommt zu einer lokalen Entzündungsreaktion mit Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, die die Symptome verstärken und die Barrierefunktion der Schleimhäute beeinträchtigen.

Ausbreitungsmechanismus:

  • Das Virus breitet sich entlang der Atemwege aus und kann die gesamte Lunge befallen, was zu Bronchiolitis und Pneumonie führen kann.
  • Bei schweren Verläufen kommt es zur systemischen Beteiligung mit Auswirkungen auf Herz, Leber und andere Organe.

Wirtsreaktion

Lokale Immunantwort:

  • In den infizierten Epithelzellen kommt es zur Freisetzung von Interleukinen (z. B. IL-6), die eine lokale Entzündungsreaktion auslösen.
  • Diese Reaktion führt zur Rekrutierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten, die das Virus bekämpfen, aber auch zu Gewebeschäden beitragen.

Systemische Immunantwort:

  • Die humorale Immunantwort führt zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern gegen die Oberflächenantigene Hämagglutinin und Neuraminidase.
  • Die zelluläre Immunantwort, insbesondere durch zytotoxische T-Zellen, zerstört infizierte Wirtszellen.

Anpassungsmechanismen des Erregers

  • Antigendrift: Punktuelle Mutationen im Hämagglutinin- und Neuraminidase-Gen führen zu kleineren, aber kontinuierlichen Veränderungen der Oberflächenstruktur des Virus. Dadurch können bestehende Immunantworten des Wirts umgangen werden, was die jährliche Neuentwicklung von Grippeimpfstoffen erfordert.
  • Antigenshift: Reassortierung von ganzen Gensegmenten zwischen verschiedenen Influenza-A-Stämmen (z. B. bei gleichzeitiger Infektion eines Wirtes mit mehreren Stämmen). Diese größeren genetischen Veränderungen können zur Entstehung neuer Subtypen führen, die das Potenzial haben, pandemische Ausbrüche zu verursachen.

Organaffinität und Gewebeschäden

Bevorzugte Zielorgane: Hauptzielorgane sind die oberen und unteren Atemwege. In schweren Fällen können auch Herz, Lunge und andere Organe betroffen sein.

Resultierende Gewebeschäden:

  • In den Atemwegen: Zerstörung der Epithelzellen führt zur Ablösung der Schleimhaut (Desquamation) und zur Bildung von Schleim-Pfropfen, was die Atemwege weiter blockiert.
  • In der Lunge: Bei schwerer Influenza kann es zu einer ausgedehnten alveolären Schädigung kommen, die die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigt und das Risiko für eine sekundäre bakterielle Pneumonie erhöht.
  • Im Herz-Kreislauf-System: In seltenen Fällen kann es zu einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) kommen, die zu Herzrhythmusstörungen und einer reduzierten Pumpfunktion führt.

Klinische Manifestation

Symptomatologie:

Die saisonale Influenza verläuft in der Regel in zwei klinischen Phasen:

  • Prodromalphase (Frühphase): Plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen sowie ausgeprägtem Krankheitsgefühl. Häufig treten auch Halsschmerzen, Husten und Schnupfen auf.
  • Hauptphase: Die Symptome verstärken sich; es kommt zu trockenem Husten, Heiserkeit und Abgeschlagenheit. Bei Kindern sind gastrointestinale Symptome wie Übelkeit und Erbrechen häufiger.

Komplikationen:

  • Sekundäre bakterielle Pneumonien durch Streptococcus pneumoniae oder Staphylococcus aureus sind häufig und eine der Hauptursachen für die hohe Mortalität bei älteren Menschen.
  • Myokarditis, Perikarditis und Enzephalopathie (Schädigung des Gehirns) sind seltene, aber schwerwiegende Komplikationen.
  • Bei Risikogruppen (Kinder, ältere Menschen, Schwangere) ist die Gefahr von akuten respiratorischen Insuffizienzen besonders hoch.

Verläufe und Schweregrade:

  • Milde Verläufe: Charakterisiert durch leichte grippeähnliche Symptome ohne Fieber.
  • Schwere Verläufe: Geprägt durch hohes Fieber, anhaltende Atembeschwerden und hohes Risiko für Komplikationen.
  • Fatale Verläufe: Meist durch sekundäre Pneumonien oder systemische Organschäden bedingt.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Alter: Säuglinge, ältere Menschen und Schwangere sind besonders gefährdet.
    • Immunsuppression: Personen mit geschwächtem Immunsystem (z. B. durch Chemotherapie oder chronische Krankheiten) haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe.
    • Vorerkrankungen: Chronische Atemwegserkrankungen (z. B. COPD) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschlechtern die Prognose.
  • Erregerfaktoren:
    • Die Schwere der Erkrankung wird durch die genetische Variabilität des Erregers beeinflusst (z. B. Mutationen, die eine erhöhte Bindungsaffinität an menschliche Zellen ermöglichen).
    • Bestimmte Subtypen wie H3N2 sind mit schwereren Krankheitsverläufen assoziiert.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die saisonale Influenza ist eine weltweit verbreitete Atemwegserkrankung, die jährlich zu regionalen Epidemien führt. Die Pathogenese wird durch die Zerstörung der Epithelzellen der Atemwege und die lokale Entzündungsreaktion bestimmt. Aufgrund der hohen Mutationsrate des Virus ist eine fortlaufende Anpassung der Impfstoffe notwendig. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und immungeschwächte Personen. Die frühzeitige Behandlung mit antiviralen Medikamenten und die jährliche Impfung sind die wichtigsten Präventions- und Therapiemaßnahmen, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern.

Neue Grippe (Schweinegrippe)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die neue Grippe, auch als Schweinegrippe bezeichnet, wird durch das Influenza-A/H1N1/2009-Virus verursacht. Dieses Virus entstand durch eine genetische Reassortierung von Influenza-Viren, die Schweine, Vögel und Menschen infizieren können. Es gehört zur Familie Orthomyxoviridae (Gruppe der Grippeviren) und ist ein umhülltes RNA-Virus (Ribonukleinsäure-Virus).
  • Genom: Das Virusgenom besteht aus acht segmentierten RNA-Strängen (Genabschnitte aus Ribonukleinsäure), die für verschiedene virale Proteine kodieren. Die genetische Segmentierung ermöglicht es dem Virus, durch Reassortierung (genetische Neuverteilung) mit anderen Influenzaviren neue Subtypen zu bilden, was zu einer erhöhten genetischen Variabilität führt.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz (Infektionskraft) des H1N1/2009-Virus ist geringer als die von hochpathogenen Influenzaviren wie H5N1. Dennoch kann es bei Risikogruppen wie Schwangeren, Kindern und immungeschwächten Personen schwere Verläufe verursachen. Ein wesentlicher Virulenzfaktor (Eigenschaft zur Krankheitsauslösung) ist die Fähigkeit des Virus, in den oberen und tieferen Atemwegen effektiv zu replizieren (sich zu vermehren).

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Schweinegrippe führte 2009/2010 zur ersten Influenzapandemie des 21. Jahrhunderts. Sie verbreitete sich weltweit, da das Virus in der menschlichen Bevölkerung kaum vorkam und daher nur eine geringe Immunität bestand.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion (Übertragung von infektiösen Tröpfchen), z. B. beim Niesen, Husten oder Sprechen. Auch eine indirekte Übertragung über kontaminierte Oberflächen ist möglich.
  • Weitere Übertragungswege: Das Virus kann durch direkten Kontakt mit infizierten Personen oder kontaminierten Gegenständen weitergegeben werden. Eine Übertragung vom Schwein auf den Menschen wurde ebenfalls in Einzelfällen beschrieben, spielte jedoch in der menschlichen Pandemie eine untergeordnete Rolle.
  • Virusreservoir (Erreger-Reservoir): Ursprünglich stammte das Virus von Schweinen, die als genetische "Mischbehälter" für Influenza-Viren von Mensch, Schwein und Vogel fungierten. Während der Pandemie 2009 wurde der Mensch das Hauptreservoir des Virus.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität des H1N1/2009-Virus ist hoch. Die Reproduktionsrate (R0; Maß der Ansteckungsrate) betrug während der Pandemie etwa 1,4–1,6, was auf eine hohe Übertragbarkeit hinweist.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Haupteintrittspforte des Virus sind die Schleimhäute der oberen Atemwege, insbesondere die Nasenschleimhaut und der Rachen.
  • Nebeneintrittspforten: Auch die Bindehaut (Augenschleimhaut) kann als Eintrittspforte dienen, besonders wenn kontaminierte Hände mit den Augen in Berührung kommen.

Pathogenese des Erregers

Initiale Vermehrung und Ansiedlung:

  • Nach der Inhalation von infektiösen Tröpfchen gelangt das Virus über die Schleimhäute der oberen Atemwege in die Epithelzellen (Oberflächenzellen).
  • Durch Bindung an Sialinsäure-Rezeptoren (Zelloberflächenrezeptoren) auf den Zellen des Nasen-, Rachen- und Bronchialepithels kann das Virus effizient in die Wirtszellen eindringen und sich dort vermehren.

Erste Virämie (Vorhandensein von Viren im Blut):

  • Das Virus vermehrt sich in den oberen Atemwegen und erreicht durch kontinuierliche Vermehrung die unteren Atemwege (Bronchien, Alveolen).
  • Diese erste Virämie ist oft durch grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten und Halsschmerzen gekennzeichnet.

Zweite Virämie und Organinvasion (Ausbreitung in andere Organe):

  • Bei schwereren Verläufen breitet sich das Virus hämatogen (über das Blut) in tiefer gelegene Gewebe wie das Lungenparenchym (Lungengewebe) aus.
  • In seltenen Fällen kann das Virus über die Blutbahn auch extrapulmonale (außerhalb der Lunge befindliche) Organe wie das Herz und das zentrale Nervensystem erreichen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Vermehrung des Virus im Atemwegsepithel (Zellschicht der Atemwege) führt zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (entzündungsfördernde Botenstoffe), die zu einer starken Entzündungsreaktion und einer Schädigung der Atemwegsschleimhaut führen.
    • Neutrophile Granulozyten und Makrophagen (spezialisierte Immunzellen) wandern in die infizierten Gewebe ein und versuchen, die Virusvermehrung zu kontrollieren.
  • Systemische Immunantwort:
    • Während der systemischen Virusvermehrung kommt es zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern (Abwehrstoffe) gegen das Hämagglutinin (Oberflächenprotein) und die Neuraminidase (Enzym auf der Virusoberfläche) des Virus.
    • Eine zelluläre Immunantwort (Immunabwehr durch T-Zellen) trägt zur Eliminierung infizierter Zellen bei.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Das Virus besitzt eine hohe genetische Variabilität (genetische Vielfalt) durch Punktmutationen (Antigendrift) und segmentierte Genomveränderungen (Antigenshift), wodurch es der Immunüberwachung teilweise entgehen kann.
    • Die Hemmung der Interferon-Antwort (verzögerte Immunantwort) durch virale Proteine (NS1) erleichtert die initiale Virusvermehrung.

Organaffinität und Gewebeschäden

Bevorzugte Zielorgane: Hauptzielorgan sind die oberen und unteren Atemwege. In schweren Fällen kann das Virus auch das Lungenparenchym (Lungengewebe), das Herz und das zentrale Nervensystem befallen.

Resultierende Gewebeschäden:

  • In den Atemwegen: Nekrosen (Zelltod) des Bronchialepithels (Bronchialschleimhaut), Verlust der Schleimhautbarriere und Sekretansammlungen in den Alveolen (Lungenbläschen).
  • In der Lunge: Ausbildung eines akuten Lungenversagens (ARDS; akutes Atemnotsyndrom) bei schwerem Verlauf.
  • In extrapulmonalen Organen: Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Enzephalitis (Hirnentzündung) durch direkte Virusvermehrung und immunvermittelte Gewebeschädigung.

Klinische Manifestation

Symptomatologie:

  • Leichte Verläufe: Fieber, trockener Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und allgemeine Abgeschlagenheit.
  • Schwere Verläufe: Atemnot, Brustschmerzen, Zyanose (Blaufärbung der Haut durch Sauerstoffmangel), Verwirrtheit und Lethargie (starke Müdigkeit).
  • Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen und Durchfall treten bei einem beträchtlichen Anteil der Patienten auf.

Komplikationen:

  • Sekundäre bakterielle Superinfektionen (z. B. durch Streptococcus pneumoniae oder Staphylococcus aureus) sind häufig.
  • Pneumonie (Lungenentzündung), akutes Lungenversagen und Multiorganversagen sind mögliche lebensbedrohliche Komplikationen.
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Enzephalitis (Hirnentzündung) bei systemischer Organbeteiligung.

Verläufe und Schweregrade:

  • Milde Verläufe: Bei den meisten Patienten mit H1N1/2009 verläuft die Infektion mild bis moderat.
  • Schwere Verläufe: Treten häufiger bei Risikogruppen wie Schwangeren, Kleinkindern und chronisch Kranken auf.
  • Tödliche Verläufe: Besonders gefährdet sind Patienten mit Vorerkrankungen wie Asthma oder Diabetes.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Schwangere, Kinder und ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe.
    • Patienten mit chronischen Grunderkrankungen, insbesondere Herz- und Lungenerkrankungen, haben eine erhöhte Mortalität.
  • Erregerfaktoren:
    • Die Pathogenität (Krankheitspotential) des Virus hängt von spezifischen genetischen Markern ab, die die Fähigkeit zur tiefen Invasion des Lungengewebes und zur Immunevasion fördern.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die neue Grippe (Schweinegrippe) ist eine hochkontagiöse Infektionserkrankung, die durch das Influenza-A/H1N1/2009-Virus verursacht wird. Aufgrund ihrer hohen Übertragbarkeit führte sie zur Pandemie 2009/2010. Obwohl die meisten Infektionen mild verlaufen, können Risikogruppen schwere und tödliche Verläufe entwickeln. Die Pathogenese ist durch eine frühe Virusreplikation (Vermehrung) in den Atemwegen und eine rasche systemische Verbreitung gekennzeichnet. Eine frühzeitige antivirale Therapie und supportive Behandlung sind entscheidend, um schwere Komplikationen zu verhindern. Präventive Maßnahmen wie Impfungen und Hygieneregeln bleiben zentrale Strategien zur Bekämpfung der Influenza.

Pandemische Influenza (Vogelgrippe)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die pandemische Influenza, auch als Vogelgrippe oder aviäre Influenza bezeichnet, wird durch Influenza-A-Viren der Subtypen H5N1, H7N9 und andere weniger häufige Subtypen verursacht. Diese Viren gehören zur Familie Orthomyxoviridae und sind RNA-Viren.
  • Genom: Das Virusgenom besteht aus acht segmentierten RNA-Strängen, die für unterschiedliche virale Proteine kodieren. Diese Segmentierung ermöglicht eine hohe genetische Variabilität durch Reassortierungen zwischen verschiedenen Influenza-Viren.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die hohe Virulenz des H5N1-Virus beruht auf seiner Fähigkeit, tief in das Atemwegsepithel und in andere Organe einzudringen und dort eine starke entzündliche Reaktion auszulösen. Ein wesentlicher Pathogenitätsfaktor ist das multibasische Spaltmotiv des Hämagglutinins, das eine effiziente Virusvermehrung und Ausbreitung im Gewebe ermöglicht.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Vogelgrippe tritt hauptsächlich in Südostasien, Afrika und gelegentlich in Europa auf. Seit den ersten Ausbrüchen in den späten 1990er Jahren hat sich das Virus in mehreren Wellen unter Wildvögeln und Geflügel ausgebreitet.
  • Hauptübertragungsweg: Der Hauptübertragungsweg ist der direkte Kontakt mit infiziertem Geflügel, insbesondere mit Kot, Federn und Körperflüssigkeiten von erkrankten Tieren. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher selten, aber nicht ausgeschlossen.
  • Weitere Übertragungswege: Kontaminierte Oberflächen und Aerosole in Tierhaltungsbetrieben sowie auf Geflügelmärkten können ebenfalls eine Rolle spielen.
  • Virusreservoir: Wildvögel, insbesondere Wasservögel, sind das natürliche Reservoir der aviären Influenza-Viren. Sie verbreiten das Virus über weite Strecken während ihrer Wanderungen und können das Virus auf Hausgeflügel übertragen.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität des H5N1-Virus für Menschen ist geringer als die des saisonalen Influenza-Virus. Allerdings weisen infizierte Personen häufig schwerere Verläufe mit hoher Mortalität auf.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die aviären Influenza-Viren dringen über die Schleimhäute der Atemwege (Nasenschleimhaut, Lunge) in den Organismus ein. Eine Infektion über die Konjunktiven (Bindehaut) der Augen ist ebenfalls beschrieben.
  • Nebeneintrittspforte: Eine Übertragung über den Verdauungstrakt ist theoretisch möglich, aber selten.

Pathogenese des Erregers

Initiale Vermehrung und Ansiedlung:

  • Nach der Inhalation von virushaltigen Tröpfchen dringen die aviären Influenzaviren in die Zellen des oberen und unteren Atemwegsepithels ein.
  • Im Gegensatz zur saisonalen Influenza vermehren sich diese Viren bevorzugt in den tieferen Bereichen der Lunge (Alveolen) und binden an spezifische Rezeptoren (α2,3-Sialinsäure-Rezeptoren) auf den Zielzellen.

Erste Virämie:

  • In dieser frühen Phase breitet sich das Virus in den regionalen Lymphknoten aus und erreicht die Blutbahn.
  • Die Virämie verläuft oft ohne spezifische Symptome, kann aber bei Immunsupprimierten zu unspezifischen grippeähnlichen Beschwerden führen.

Zweite Virämie und Organinvasion:

  • Das Virus kann über die Blutbahn Leber, Herz, Milz und Nieren erreichen und dort eine systemische Entzündung hervorrufen.
  • Bei schwereren Verläufen kommt es zur Invasion des zentralen Nervensystems (ZNS), was zu neurologischen Symptomen und schweren Komplikationen führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In den infizierten Lungenarealen kommt es zu einer massiven Aktivierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten.
    • Diese lokale Immunreaktion führt zu einer ausgeprägten Entzündung, die das Lungengewebe zusätzlich schädigt.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die Freisetzung von Zytokinen und Chemokinen während der zweiten Virämiephase kann zu einem "Zytokinsturm" führen, der eine systemische Entzündungsreaktion und eine schwere Schädigung mehrerer Organe auslöst.
    • Neutralisierende Antikörper werden erst spät gebildet, was eine schnelle Eindämmung der Virusvermehrung erschwert.

Anpassungsmechanismen des Erregers:

  • Das Virus besitzt mehrere Mechanismen zur Umgehung der Interferon-vermittelten Immunantwort.
  • Durch die Bindung an tief gelegene α2,3-Rezeptoren in der Lunge wird die initiale Immunerkennung verzögert, was eine ungehinderte Virusvermehrung ermöglicht.

Organaffinität und Gewebeschäden

Bevorzugte Zielorgane: Lunge, ZNS, Herz und Nieren sind die Hauptzielorgane des aviären Influenza-Virus.

Resultierende Gewebeschäden:

  • In der Lunge: Es kommt zur Bildung von hyalinen Membranen und ausgedehnten alveolären Schäden, die das Bild eines akuten Atemnotsyndroms (ARDS) verursachen können.
  • Im ZNS: Die Infektion führt zu Nekrosen (Gewebsuntergang) und entzündlichen Infiltraten, was neurologische Symptome und Bewusstseinsstörungen zur Folge haben kann.
  • Im Herzen: Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) sind mögliche Manifestationen.
  • In den Nieren: Es kann zur akuten tubulären Nekrose und damit zu einem Nierenversagen kommen.

Klinische Manifestation

Symptomatologie:

Die pandemische Influenza verläuft in mehreren Phasen:

  • Prodromalphase: Plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Myalgien (Muskelschmerzen) und schwerem Krankheitsgefühl. Kopfschmerzen und Halsschmerzen sind ebenfalls häufig.
  • Hauptphase: Trockener Husten, Atemnot und schnell zunehmende respiratorische Insuffizienz. Es können auch gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten.
  • Neurologische Symptome: Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Krampfanfälle sind bei schwereren Verläufen möglich.

Komplikationen:

  • Akutes Lungenversagen (ARDS) ist die häufigste tödliche Komplikation.
  • Sekundäre bakterielle Superinfektionen, insbesondere durch Streptococcus pneumoniae und Staphylococcus aureus.
  • Enzephalitis und Myokarditis bei systemischer Organbeteiligung.

Verläufe und Schweregrade:

  • Milde Verläufe: Asymptomatisch oder grippeähnliche Symptome.
  • Schwere Verläufe: Atemnot, Hypoxie und hohes Risiko für Multiorganversagen.
  • Tödliche Verläufe: Häufig verursacht durch respiratorische Dekompensation und Multiorganversagen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Kinder, Schwangere und ältere Menschen sind besonders gefährdet.
    • Vorerkrankungen wie Herz- und Lungenerkrankungen verschlechtern die Prognose deutlich.
  • Erregerfaktoren:
    • Die hohe Virulenz von H5N1 und verwandten Subtypen erhöht das Risiko für schwere Verläufe.
    • Mutationen im Hämagglutinin-Spaltmotiv können die Fähigkeit des Virus, tieferes Gewebe zu infizieren, verstärken.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die pandemische Influenza (Vogelgrippe) ist eine schwere, häufig lebensbedrohliche Infektion, die durch Influenza-A-Viren wie H5N1 verursacht wird. Die Pathogenese ist durch eine frühe systemische Virusvermehrung und eine ausgeprägte Immunreaktion gekennzeichnet. Eine frühzeitige antivirale Therapie und supportive Maßnahmen sind entscheidend, um die Sterblichkeit zu senken. Impfstoffe und strikte Hygienemaßnahmen sind zentrale Maßnahmen zur Prävention von Ausbrüchen, insbesondere in betroffenen Endemiegebieten und bei gefährdeten Populationen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern

  • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
    • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
      • Gene: IFITM3
      • SNP: rs12252 im Gen IFITM3 
        • Allel-Konstellation: CC (weitaus höhere Influenza-Suszeptibilität ("Empfänglichkeit"); 6-fach höheres Risiko des Entwickelns einer schweren Form einer Influenza als der CT-Genotyp)
          Beachte: 6 % der Kaukasier tragen das C-Allel; 25-50 % der ostasiatischen Populationen tragen das C-Allel.
        • Allel-Konstellation: TT (resistenter gegen Influenza)
  • Hormonelle Faktoren – Schwangere bzw. Frauen postpartal
  • Berufe – Medizinisches Personal und Angestellte in Einrichtungen mit hohem Publikumsverkehr

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum 
    • Tabak (Rauchen) – erhöht den oxidativen Stress, schwächt das Immunsystem und schädigt die Atemwege
  • Kontakt zu erkrankten Personen in der Phase der Ansteckung meiden. Diese Phase beginnt kurz vor dem Auftreten der ersten Symptome und besteht meist für bis zu fünf Tage.
    Die Übertragung erfolgt in der Regel durch Tröpfcheninfektion, seltener durch direkten Kontakt mit dem Virus beispielsweise über Händekontakt.

Krankheitsbedingte Ursachen (nachfolgend Krankheiten, die mit erhöhten Influenza-Komplikationen einhergehen können)

  • Adipositasgrad III (BMI:> 40) 
  • Chronische Herzerkrankungen – angeborene Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung)
  • Chronische Lungenerkrankungen (z. B. Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Mukoviszidose (zystische Fibrose)) 
  • Hämatologische Erkrankungen (Erkrankungen des Blutsystems) – z. B. Sichelzellanämie
  • Leber- und Nierenerkrankungen
  • Diabetes mellitus
  • Immundefekte bzw. Immunsuppression z. B. HIV / AIDS
  • Zust. n. Apoplex (Schlaganfall)