Giardiasis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Giardiasis wird durch Giardia lamblia (auch als Giardia intestinalis oder Giardia duodenalis bezeichnet) verursacht. Dabei handelt es sich um einen Protozoon (Einzeller), der zur Klasse der Flagellaten (Geißeltierchen) gehört und als parasitärer Erreger im Dünndarm von Menschen und Tieren lebt.
  • Lebenszyklus: Giardia lamblia existiert in zwei Formen:
    • Trophozoit: Die aktive, bewegliche Form des Erregers, die sich im Darm vermehrt und für die Symptome verantwortlich ist.
    • Zyste: Die infektiöse, resistente Form, die im Stuhl ausgeschieden wird und im feuchten Milieu bis zu drei Monate überleben kann.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz basiert auf der Fähigkeit der Trophozoiten, sich an die Darmschleimhaut anzuheften und die Resorption von Nährstoffen zu stören, was zu Malabsorption (gestörte Nährstoffaufnahme) und Diarrhoe (Durchfall) führt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Giardiasis tritt weltweit auf und ist besonders in Regionen mit unzureichender Wasserhygiene verbreitet. Sie zählt zu den häufigsten protozoären Darmparasitosen beim Menschen. Besonders betroffen sind Kinder, Reisende und Personen mit geschwächtem Immunsystem.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch die Aufnahme von Zysten über kontaminiertes Wasser, Lebensmittel oder durch direkten Kontakt mit einer infizierten Person.
    • In endemischen Gebieten ist der Hauptübertragungsweg meist der Konsum von verunreinigtem Trinkwasser.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Übertragung durch kontaktinfizierte Oberflächen (z. B. Toiletten, Spielzeug) oder Nahkontakt in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten).
  • Reservoir: Hauptreservoir sind Menschen und verschiedene Haustiere (z. B. Hunde, Katzen), die die Zysten über den Stuhl ausscheiden.
  • Infektiosität: Giardia-Zysten sind hochinfektiös, und schon die Aufnahme von 10-25 Zysten kann eine Infektion auslösen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Zysten gelangen über den Mund in den Gastrointestinaltrakt, wo sie die Magensäure überleben und sich im Dünndarm (Duodenum, Jejunum) in Trophozoiten umwandeln.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Infektion kann auch über verschmutzte Hände oder kontaminierte Lebensmittel erfolgen.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Infektion und Umwandlung:
    • Nach der Aufnahme der Giardia-Zysten im Magen-Darm-Trakt gelangen diese in den Dünndarm, wo sie sich in die aktive Form (Trophozoiten) umwandeln.
    • Die Trophozoiten besitzen Haftscheiben, mit denen sie sich an die Mikrovilli der Enterozyten (Darmepithelzellen) anheften.
  • Anheftung und mechanische Schädigung:
    • Die Anheftung der Trophozoiten an die Darmschleimhaut führt zu einer mechanischen Schädigung der Mikrovilli und zu einer Verkürzung der Darmzotten.
    • Durch die mechanische Störung kommt es zu einer verringerten Absorptionsfläche, was die Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigt und zu Malabsorption führt.
  • Störung der Nährstoffresorption:
    • Die Trophozoiten verhindern die Resorption von Fetten, Kohlenhydraten und Vitaminen (z. B. Vitamin B12), was zu steatorrhoeischem (fetthaltigem) Durchfall führt.
    • Die Gallensäureresorption wird ebenfalls gestört, was zu einer überschüssigen Gallensäuresekretion und dadurch zu Durchfall beiträgt.
  • Entzündliche Reaktion und Toxinfreisetzung:
    • Durch die Schädigung der Darmschleimhaut und die Freisetzung von Giardia-Antigenen kommt es zur Aktivierung des Immunsystems und einer lokalen Entzündungsreaktion.
    • Dies führt zu einer Hypersekretion von Schleim und einer vermehrten Flüssigkeitssekretion, was den Durchfall weiter verstärkt.
  • Beeinträchtigung der Darmflora:
    • Die Besiedlung des Darms durch Giardia kann das mikrobielle Gleichgewicht der normalen Darmflora stören und die Vermehrung pathogener Bakterien fördern, was zu einem Dysbiose-Zustand führt.
    • Die Veränderung der Darmflora begünstigt die chronische Diarrhoe und eine erhöhte Anfälligkeit für Sekundärinfektionen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Besiedlung der Darmzellen durch die Trophozoiten aktiviert die lokale Immunantwort durch Makrophagen und dendritische Zellen.
    • Diese Immunzellen setzen proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-6, IL-1β) frei, was zur Infiltration von T-Lymphozyten und zur lokalen Entzündungsreaktion führt.
    • Die Freisetzung von IgA-Antikörpern spielt eine wichtige Rolle bei der Eliminierung der Trophozoiten.
  • Systemische Immunantwort:
    • Bei einer stärkeren Immunreaktion bildet das Immunsystem spezifische IgM- und IgG-Antikörper, die zur Neutralisation der Giardia-Antigene beitragen.
    • In einigen Fällen kann es jedoch zu einer immunsuppressiven Reaktion kommen, was eine chronische Besiedlung und Persistenz der Infektion ermöglicht.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Giardia lamblia besitzt antigenische Variationen, die es dem Erreger ermöglichen, der Immunerkennung zu entgehen.
    • Die Veränderung der Oberflächenproteine erschwert die Bildung von spezifischen Antikörpern, was zu rezidivierenden Infektionen führen kann.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Der Erreger besiedelt vorwiegend die Dünndarmschleimhaut (Duodenum, Jejunum) und in einigen Fällen das distale Ileum.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Trophozoiten verursachen eine Verkürzung der Darmzotten, was zu einer Malabsorption und einer Störung der Nährstoffaufnahme führt.
    • In schweren Fällen kann es zu einer atrophischen Zottenveränderung und einer schweren Enteropathie kommen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Typische Symptome sind wässriger, übel riechender Durchfall, Blähungen, Bauchkrämpfe und Steatorrhoe (fetthaltiger Stuhl).
    • In schweren Fällen kann es zu Gewichtsverlust, Malnutrition und Mangelerscheinungen (z. B. Vitamin-B12-Mangel) kommen.
    • Bei chronischem Verlauf treten rezidivierende Bauchschmerzen und Wechsel zwischen Diarrhoe und Obstipation (Verstopfung) auf.
  • Komplikationen:
    • Malabsorptionssyndrom mit Vitaminmangel und Eiweißverlust.
    • Sekundärinfektionen durch Dysbiose der Darmflora.
    • Gallenblasenentzündung (Giardia-assoziierte Cholezystitis) in seltenen Fällen.

Verläufe und Schweregrade

  • Milde Verläufe: Meist asymptomatisch oder mit mildem, intermittierendem Durchfall.
  • Schwere Verläufe: Lang anhaltende Diarrhoe mit Malabsorption und Gewichtsverlust, besonders bei immunsupprimierten Patienten.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Kinder, ältere Menschen und Personen mit Immunschwäche sind besonders gefährdet.
    • Unterernährung und Vitaminmangel erhöhen das Risiko schwerer Verläufe.
  • Erregerfaktoren:
    • Varianten von Giardia mit erhöhter Zystenproduktion und antigenischer Variation sind besonders schwer zu behandeln.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Giardiasis ist eine weltweit verbreitete Darminfektion, die durch den Protozoon Giardia lamblia verursacht wird. Die Pathogenese beruht auf der Anheftung der Trophozoiten an die Dünndarmschleimhaut, was zu einer Malabsorption, lokalen Entzündung und chronischer Diarrhoe führt. Die Erkrankung kann asymptomatisch oder mit schweren gastrointestinalen Symptomen verlaufen. Eine frühzeitige Diagnose und therapeutische Intervention sind wichtig, um Komplikationen zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Blutgruppe – Personen mit der Blutgruppe A sind häufiger von einer Giardiasis betroffen.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Mangelhafte Händehygiene
  • Kontakt zu kontaminiertem Trinkwasser
  • Verzehr kontaminierter Lebensmittel