Fieber – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Fiebers dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gab es in Ihrer Familie gehäuft Infektionserkrankungen oder chronische Erkrankungen (z. B. chronische Bronchitis, Pneumonie (Lungenentzündung), Hepatitis B/C, HIV, rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Morbus Crohn)?
  • Bestehen in Ihrer Familie angeborene Immundefekte (z. B.  Antikörpermangel wie CVID, selektiver IgA-Mangel) oder Bluterkrankungen (z. B. Hämophilie (Bluterkrankheit), Thalassämie, Sichelzellanämie, Leukämien)?
  • Bestehen bekannte Fälle von Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Crohn) oder bösartigen Erkrankungen (z. B. Mammakarzinom (Brustkrebs), Kolonkarzinom (Darmkrebs), Bronchialkarzinom (Lungenkrebs))?
  • Sind in Ihrem Umfeld aktuell infektiöse Erkrankungen aufgetreten?
  • Welche ethnische Herkunft haben Sie? (zur Abklärung genetischer Risikofaktoren für bestimmte Infektionen)

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Stoffen oder Infektionsquellen ausgesetzt?
  • Haben Sie Hobbys, die mit Tierkontakt oder Aufenthalt in der Natur verbunden sind (z. B. Jäger, Camping)?
  • Hatten Sie kürzlich Kontakt zu Personen mit Infektionssymptomen?

Sexualanamnese

  • Partnerschaftliche Situation:
    • Besteht derzeit eine feste Partnerschaft? Wenn ja:
      • Handelt es sich um eine monogame Beziehung?
    • Oder bestehen offene Beziehungsformen oder Sexualkontakte außerhalb einer festen Partnerschaft?
    • Besteht sexueller Kontakt mit Männern, Frauen oder mit beiden Geschlechtern?
  • Sexualverhalten und Schutzmaßnahmen:
    • Welche Arten von Sexualkontakt hatten Sie? (vaginal, oral, anal)
    • Wurde beim Geschlechtsverkehr regelmäßig ein Kondom oder eine andere Barrieremethode verwendet?
    • Gab es Sexualkontakte mit Personen aus Risikogruppen (z. B. Sexarbeit, HIV-positiv)?
    • Hatten Sie Sexualkontakte mit Personen, bei denen Infektionen bekannt sind (z. B. HIV, Hepatitis, Syphilis)?
  • Frühere sexuell übertragbare Infektionen (STI):
    • Wurden bei Ihnen in der Vergangenheit sexuell übertragbare Infektionen diagnostiziert (z. B. Gonorrhoe, Chlamydien, Syphilis, HIV, HPV, Herpes genitalis)? Wenn ja:
      • Wann wurden diese behandelt und wie war der Verlauf?
    • Gab es in der Vergangenheit ungewöhnlich hohe Temperaturanstiege nach Sexualkontakten?
  • Relevante Beschwerden im Zusammenhang mit Sexualkontakten:
    • Siehe unter: Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
    • Haben Ihre Sexualpartner aktuell Symptome?* Wenn ja, welche?
  • Hygiene- und Gesundheitsverhalten:
    • Entleeren Sie die Harnblase nach dem Geschlechtsverkehr?
  • Verhütung:
    • Welche Verhütungsmethoden wenden Sie an?
    • Bestehen Allergien gegen Latex oder andere Materialien, die mit Verhütung oder Intimhygiene in Zusammenhang stehen?

Reiseanamnese

  • Waren Sie in den letzten Wochen oder Monaten auf Reisen? Wenn ja:
    • Wann sind Sie gereist? [Wichtig zur Einschätzung der Inkubationszeit]
      • Bakterielle Infektionen haben meist eine kurze Inkubationszeit, sodass assoziierte Krankheiten wie z. B. Cholera, Typhus, Sigellosen, Rickettsiosen vier Wochen nach einer Rückkehr eher unwahrscheinlich sind.
      • Helminthen wie intestinale Tropenerkrankungen oder Wurmerkrankungen haben eine Inkubationszeit von mindestens sieben Wochen bis zum Ausbruch der Krankheit.
    • Wohin sind Sie gereist?
    • Wie lange dauerte Ihr Aufenthalt?
  • Gab es in der Region bekannte Infektionsausbrüche während Ihres Aufenthalts oder kurz danach?
  • Welche Aktivitäten haben Sie während der Reise unternommen?
  • Liegen spezifische Risikofaktoren vor? Wie beispielsweise:
    • Genuss roher Milchprodukte (Brucellose, Tuberkulose)
    • Kontakt mit erkrankten Personen
    • Kontakt mit Prostituierten (HIV-Infektion, Hepatitis B und C, Syphilis)*
    • Kontakt mit Binnengewässern (Katayama-Syndrom)/Kontakt mit Süßwasser (Bilharziose, Leptospirose)
    • Bluttransfusionen (HIV-Infektion, Hepatitis B und C, Malaria)*
    • Tierkontakte (Brucellose, Leptospirose, Q-Fieber, Tollwut, Tularämie)
    • Offene Trinkwassersysteme (Legionellose, Leptospirose)
    • Schlechte sanitäre Bedingungen
    • Besuche in Höhlen (Ebola, Histoplasmose; Marburg- und Ebolafieber)
  • Wie haben Sie übernachtet:
    • Im Freien?
    • Im Hotel (mit oder ohne geöffnete Fenster)?
  • Haben Sie während oder nach der Reise Mückenstiche, Zeckenbisse oder andere Tierkontakte bemerkt?
  • Waren sie in den Tropen in medizinischer Behandlung?
  • Welche Prophylaxemaßnahmen haben Sie vor Reiseantritt getroffen? (z. B. Impfungen, Malariaprophylaxe)
  • Reiseassoziierte Infektionen, die mit Fieber einhergehen, geordnet nach Regionen:
    • Afrika:
      • Malaria (insbesondere in Subsahara-Afrika)
      • Dengue-Fieber (in tropischen Gebieten West-, Zentral- und Ostafrikas)
      • Gelbfieber (in Teilen West- und Zentralafrikas endemisch)
      • Lassa-Fieber (v. a. in Nigeria, Sierra Leone, Guinea und Liberia)
      • Ebola- und Marburg-Fieber (in Zentralafrika, z. B. Demokratische Republik Kongo, Uganda)
      • Schistosomiasis (Bilharziose) (in Binnengewässern Afrikas)
      • Rickettsiosen (z. B. Afrikanisches Zeckenbissfieber) (in Südafrika)
      • Typhus und Paratyphus (in vielen afrikanischen Ländern, insbesondere in städtischen Gebieten mit schlechten sanitären Bedingungen)
    • Asien:
      • Dengue-Fieber (v. a. in Südostasien, z. B. Thailand, Vietnam, Indonesien, Philippinen)
      • Chikungunya-Fieber (in Indien, Sri Lanka und Südostasien)
      • Japanische Enzephalitis (in ländlichen Gebieten Süd- und Südostasiens, insbesondere in China, Indien und Nepal)
      • Leptospirose (in tropischen Ländern Asiens)
      • Typhus und Paratyphus (in Indien, Bangladesch und Nepal)
      • Brucellose (in Teilen Chinas, der Mongolei und des Nahen Ostens)
      • Hanta-Virus-Infektionen (in ländlichen Regionen Chinas und Koreas)
      • Tollwut (in Indien und anderen Teilen Südasiens)
    • Europa:
      • Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) (in Mittel- und Osteuropa sowie Skandinavien und Russland)
      • Leptospirose (in Südeuropa)
      • West-Nil-Virus (v. a. in Süd- und Osteuropa, z. B. Italien, Rumänien, Ungarn)
      • Brucellose (in ländlichen Gebieten Südeuropas, insbesondere in der Mittelmeerregion)
    • Nord- und Mittelamerika:
      • West-Nil-Fieber (USA und Kanada)
      • Dengue-Fieber (in Mexiko, Karibik (Puerto Rico, Kuba, Dominikanische Republik) und Zentralamerika)
      • Leptospirose (v. a. in Karibikstaaten)
      • Hanta-Virus-Infektion (Nordamerika)
    • Südamerika:
      • Dengue-Fieber (in Brasilien, Kolumbien, Venezuela und Peru)
      • Gelbfieber (in Teilen Brasiliens, Kolumbiens und Ecuadors)
      • Malaria (in Amazonasgebieten von Brasilien, Peru und Venezuela)
      • Leishmaniose (v. a. in Bolivien, Brasilien und Paraguay)
      • Chagas-Krankheit (in ländlichen Gebieten Südamerikas, insbesondere in Bolivien, Argentinien und Brasilien)
    • Australien und Pazifikinseln:
      • Dengue-Fieber (Fidschi, Samoa und Vanuatu sowie in Nordaustralien)
      • West-Nil-Virus (Australien)

Bei unklaren Fällen kann Rücksprache mit einem Tropeninstitut genommen werden.

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Seit wann besteht das Fieber?
    • Seit weniger als 7 Tagen?
    • Seit mehr als 7 Tagen und ohne erkennbare Ursache?
  • Wie hoch ist die gemessene Körpertemperatur?
  • Tritt das Fieber zu bestimmten Tageszeiten auf?
  • Verläuft das Fieber gleichmäßig, schwankend oder wellenförmig?
  • Haben Sie Schüttelfrost oder Nachtschweiß?*
  • Bestehen Hautveränderungen oder Ausschläge?*
  • Haben Sie Durchfall oder Verstopfung?
  • Treten Husten oder Atembeschwerden auf?*
  • Haben Sie Kopfschmerzen oder Gliederschmerzen?
  • Sind Ihnen Lymphknotenschwellungen aufgefallen?*
  • Haben Sie Schmerzen beim Wasserlassen?
  • Fühlen Sie sich krank?
  • Wurden fiebersenkende Maßnahmen durchgeführt?
  • Hatten Sie Tierkontakt, Zeckenexposition, Insektenstiche?
  • Gab es kürzlich Verletzungen, Wunden oder Abszesse?
  • Spezielle Fragen für Neugeborene:
    • Gab es Fieber, positive Abstriche oder einen vorzeitigen Blasensprung bei der Mutter?*
    • Liegt eine Frühgeburtlichkeit vor?*

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Haben Sie in letzter Zeit ungewollt Gewicht verloren?*
  • Hat sich Ihr Appetit verändert?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und in welcher Menge?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Substanzen und wie häufig?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Bestehen bekannte angeborene Herzerkrankungen* (z. B. Klappenvitien (Herzklappenfehler))?
    • Liegen angeborene Immundefekte* vor (z. B. Antikörpermangel)?
    • Gab es frühere Infektionen mit Komplikationen?
    • Bestehen bösartige Erkrankungen oder Blutkrankheiten?*
    • Gab es frühere Milzverletzungen?*
  • Operationen:
    • Wurde bei Ihnen eine Milzentfernung durchgeführt?*
    • Haben Sie eine Organtransplantation erhalten?*
  • Bestehen Allergien gegen Medikamente, Nahrungsmittel oder Umwelteinflüsse?
  • Impfstatus:
    • Besteht ein vollständiger Impfstatus?
    • Wurde eine Malariaprophylaxe durchgeführt (bei Tropenaufenthalten)?

Medikamentenanamnese 

Arzneimittelfieber (Synonym: Medikamentenfieber) – hauptsächlich bedingt durch Hypersensitivitätssyndrome; Fieber tritt dabei relativ kurz nach der ersten Medikamenteneinnahme auf und klingt innerhalb von 72 Stunden nach Absetzen des Wirkstoffs wieder ab; Beispiele:

  • Analgetika
  • Antibiotika
    • Aminoglycosid-Antibiotika (Streptomycin)
    • Antibiotikum aus der Gruppe der Polymyxine (Colistin)
    • Cephalosporine
    • Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin)
    • Penicilline
    • Sulfonamide
  • Antiepileptika (Barbiturate und Phenytoin)
  • Antihistaminika (H1- und H2-Blocker)
  • Antihypertensiva (Dihydralazin, Methyldopa)
  • Antipsychotika (dämpfend wirkende Psychopharmaka)
  • Barbiturate
  • Biologika (Infliximab, Filgrastim u. a.)
  • Diuretika
  • Hormone
    • Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin),
  • Neuroleptika
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (inklusive Salizylate)
  • Sedativa
  • Voxelotor 
  • Zentral wirksame Arzneimittel (z. B. Halothan, Succinylcholin)

Wann muss ein Kind mit Fieber zum Arzt?

Babys mit Fieber gehören grundsätzlich zum Kinder- und Jugendarzt. Ältere Kinder sollten ihm in folgenden Fällen vorgestellt werden:

  • Das Fieber steigt über 38,5 °C.
  • Das Fieber besteht länger als drei Tage.
  • Das Kind verweigert das Trinken, verliert Flüssigkeit und trocknet aus.
  • Dem Kind geht es gut, aber das Erbrechen dauert länger als zwölf Stunden (wenn es dem Kind nicht gutgeht, früher zum Arzt!)
  • Dem Kind geht es gut, aber der Durchfall dauert länger als zwei Tage (wenn es dem Kind nicht gutgeht, früher zum Arzt!).
  • Das Kind hat schwere Bauchschmerzen oder -krämpfe.
  • Die Schmerzen werden trotz Behandlung stärker.
  • Das Kind krampft.
  • Das Kind hat einen Hautausschlag oder zeigt Symptome von Ohrenschmerzen oder Atmungsbeschwerden. 

Quelle: Stiftung Kindergesundheit

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.