Cytomegalie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Das Cytomegalievirus (CMV) ist ein DNA-Virus aus der Familie der Herpesviridae. Es gehört zur Beta-Herpesvirus-Gruppe und weist typische Eigenschaften von Herpesviren auf, darunter die Fähigkeit zur Persistenz (dauerhafte Anwesenheit im Körper) und Reaktivierung bei Immunschwäche.
  • Genom: Das Virus besitzt ein doppelsträngiges DNA-Genom, das für verschiedene Glykoproteine und virale Enzyme codiert, die für die Virusvermehrung und Immunmodulation verantwortlich sind.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz wird durch die Fähigkeit zur Manipulation des Immunsystems und zur Persistenz in verschiedenen Zelltypen (einschließlich Epithelzellen, Endothelzellen und Immunzellen) vermittelt, was eine lebenslange Infektion ermöglicht.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Das Cytomegalievirus ist weltweit verbreitet und gehört zu den häufigsten kongenitalen Infektionserregern (Infektionen, die vor der Geburt übertragen werden). Die Seroprävalenz (Antikörpernachweis) ist in Entwicklungsländern höher als in Industrieländern.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Diaplazentare Übertragung: Übertragung des Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind durch die Plazenta (Mutterkuchen).
    • Kontaktinfektion: Übertragung durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten (z. B. Speichel, Urin, Muttermilch, Sperma).
  • Weitere Übertragungswege:
    • Bluttransfusionen: Übertragung durch kontaminierte Blutprodukte.
    • Organtransplantationen: Infektion durch Transplantation infizierter Organe.
  • Reservoir: Hauptreservoir sind Menschen, insbesondere infizierte Personen mit reaktiviertem Virus.
  • Infektiosität: CMV ist hochinfektiös, insbesondere bei direktem Kontakt mit Speichel und Urin.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Erreger dringt meist über die Schleimhäute des Nasen-Rachen-Raums oder die Genitalschleimhäute in den Körper ein.
  • Nebeneintrittspforten: Bei Bluttransfusionen oder Organtransplantationen erfolgt die Infektion durch direkten Kontakt mit kontaminiertem Blut oder Gewebe.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Infektion und Vermehrung:
    • Nach Eintritt in den Körper infiziert das Virus bevorzugt Epithelzellen (z. B. der Speicheldrüsen) und beginnt dort die Virusvermehrung.
    • Die Infektion bleibt oft asymptomatisch, insbesondere bei immunkompetenten Erwachsenen.
  • Systemische Ausbreitung:
    • Über die regionalen Lymphknoten und das Blut (Virämie) breitet sich das Virus auf verschiedene Organe aus, darunter die Leber, Niere, Lunge und das zentrale Nervensystem (ZNS).
    • In den infizierten Organen entwickelt sich eine interstitielle lymphoplasmazelluläre Entzündung (Entzündung mit Lymphozyten und Plasmazellen) mit charakteristischen Riesenzellen und Einschlusskörperchen ("Eulenaugenzellen").
  • Lebenslange Persistenz:
    • Nach der akuten Infektion persistiert das Virus in verschiedenen Zelltypen, insbesondere in monozytären Makrophagen (Fresszellen), endothelialen Zellen (Gefäßzellen) und Speicheldrüsenepithelzellen.
    • In diesen Zellen kann das Virus latent bleiben und bei Immunsuppression (z. B. bei Transplantationen oder HIV-Infektion) reaktiviert werden.
  • Reaktivierung und Organschädigung:
    • Bei einer Reaktivierung des Virus kann es zu einer erneuten Virämie und Ausbreitung in die Zielorgane kommen, was zu entzündlichen Veränderungen und Gewebeschädigungen führt.
    • Dies betrifft vor allem das ZNS, die Leber und die Lunge, was zu schweren Komplikationen wie Enzephalitis (Gehirnentzündung), Hepatitis (Leberentzündung) und Pneumonitis (Lungenentzündung) führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Nach der Primärinfektion aktiviert das Virus das angeborene Immunsystem, was zur Aktivierung von Makrophagen und dendritischen Zellen führt.
    • In den betroffenen Organen kommt es zu einer Entzündungsreaktion mit infiltrierenden Lymphozyten (Immunzellen) und Plasmazellen, was die interstitielle Entzündung (zwischen den Zellen liegende Entzündung) charakterisiert.
  • Systemische Immunantwort:
    • Das Virus löst eine starke humorale Immunantwort mit der Bildung von spezifischen Antikörpern aus.
    • Die zellvermittelte Immunität ist jedoch entscheidend für die Kontrolle der Infektion, insbesondere durch die Aktivität von zytotoxischen T-Zellen, die infizierte Zellen eliminieren.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Das Virus nutzt verschiedene Immun-Evasionsstrategien, darunter die Herunterregulation von MHC-Klasse-I-Molekülen (Moleküle zur Präsentation von Antigenen), um der Erkennung durch zytotoxische T-Zellen zu entgehen.
    • Es moduliert auch die Zytokinproduktion, um die Immunantwort zu dämpfen und eine latente Persistenz aufrechtzuerhalten.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das Virus infiziert primär die Speicheldrüsen und breitet sich systemisch auf verschiedene Organe aus, darunter die Leber, Niere, Lunge und das zentrale Nervensystem.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • In den betroffenen Organen kommt es zur Bildung von Riesenzellen und Eulenaugenzellen (charakteristische Riesenzellen mit großen, basophilen Einschlusskörperchen im Zellkern).
    • Diese Veränderungen führen zu einer interstitiellen Entzündung, Nekrosen (Zelltod) und langfristig zu Fibrose (Narbenbildung).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Bei immunkompetenten Erwachsenen verläuft die Infektion häufig asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Müdigkeit und Lymphknotenschwellung.
    • Bei immunsupprimierten Personen und Neugeborenen kann es zu schweren systemischen Infektionen kommen, darunter Hepatitis, Pneumonitis, Enzephalitis und Retinitis (Netzhautentzündung).
  • Komplikationen:
    • Kongenitale CMV-Infektion: Kann zu Mikrozephalie (kleiner Kopfumfang), Chorioretinitis (Entzündung der Choroidea mit einer Beteiligung der Retina/Netzhaut), Hörverlust und entwicklungsneurologischen Defiziten führen.
    • Reaktivierte Infektion: Bei Organtransplantierten und HIV-Patienten kann es zu schweren systemischen Infektionen mit hoher Mortalität kommen.

Verläufe und Schweregrade

  • Primärinfektion: Meist asymptomatisch oder mild, bei Immunsuppression jedoch schwere systemische Verläufe.
  • Reaktivierte Infektion: Bei Immunsuppression häufig schwerer Verlauf mit Organbeteiligung und hoher Mortalität.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Alter und Immunsuppression (z. B. HIV, Transplantationen) beeinflussen die Schwere des Verlaufs.
    • Kinder und Neugeborene haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe und Langzeitfolgen.
  • Erregerfaktoren:
    • Unterschiedliche CMV-Stämme variieren in ihrer Virulenz, was den klinischen Verlauf beeinflusst.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Das Cytomegalievirus ist ein weitverbreiteter Herpesvirus, der bei immunkompetenten Personen meist asymptomatisch verläuft, aber bei Immunsuppression und neonataler Infektion zu schweren systemischen Erkrankungen führen kann. Die Pathogenese ist durch die Persistenz in verschiedenen Zelltypen und die induzierte Entzündungsreaktion charakterisiert. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind bei Risikopatienten entscheidend, um schwere Verläufe zu verhindern. Präventive Maßnahmen wie Screening während der Schwangerschaft und Vorsichtsmaßnahmen bei Organtransplantationen sind wichtig, um eine Infektion zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Enger persönlicher Kontakt
  • Intimer Körperkontakt – Sexualverhalten mit Zunahme von oral-analen und oral-genitalen Sexualpraktiken
  • Leben in Gemeinschaftseinrichtungen
  • Schlechte persönliche Hygiene

Medikamente

  • Immunsuppressiva (Substanzen, welche die Funktionen des Immunsystems vermindern) (= Reduktion der T-Zell-vermittelten Immunität und infolgedessen ein erhöhtes Risiko für virale und mykotische (pilzbedingte) Infektionen)

Weitere Ursachen

  • Bluttransfusionen
  • Muttermilch einer CMV-positiven Mutter
  • Transplantierte, immunsupprimierte Patienten (Organtransplantation; Stammzelltransplantation)CMV-Infektion durch:
    • primäre Infektion eines seronegativen Organempfängers durch einen seropositiven Organspender ("mismatching“)
    • sekundäre Infektion durch Reaktivierung einer latenten CMV-Infektion
    • Übertragung durch engen körperlichen Kontakt mit einer infizierten Person (s. u. "Verhaltensbedingte Ursachen")

Literatur

  1. Enders G, Daiminger A, Bäder U, Exler S, Enders M: Intrauterine transmission and clinical outcome of 248 pregnancies with primary cytomegalovirus infection in relation to gestational age. J Clin Virol 2011 Nov;52(3):244-6. doi: 10.1016/j.jcv.2011.07.005. Epub 2011 Aug 5.