Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD) wird durch Prionen verursacht. Prionen sind infektiöse Proteine, die keine Nukleinsäuren (DNA oder RNA) enthalten und aus einer fehlgefalteten Form des körpereigenen Prionproteins (PrP [Prion-Protein]) bestehen.
- Genom: Prionen besitzen kein Genom, da sie aus Proteinmolekülen bestehen. Das krankmachende Prionprotein (PrPSc) entsteht durch eine fehlerhafte Faltung des normalen zellulären Prionproteins (PrPC), das auf der Oberfläche von Nervenzellen exprimiert wird.
- Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz wird durch die Fähigkeit des PrPSc, die normale Struktur von PrPC in die pathogene Form zu konvertieren, vermittelt. Dies führt zu einer Kettenreaktion, bei der immer mehr Prionen entstehen, die sich im Gewebe ablagern und schwere neurodegenerative Veränderungen verursachen.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: CJD tritt weltweit auf und ist in der Regel sporadisch, jedoch gibt es auch genetische und durch infektiöse Übertragung hervorgerufene Formen. Die Krankheit betrifft vorwiegend Personen im mittleren bis höheren Lebensalter.
- Hauptübertragungsweg:
- Die klassische sporadische CJD entsteht meist spontan durch eine fehlerhafte Faltung des Prionproteins.
- Die neue Variante der CJD (vCJD) wird durch den Verzehr von BSE-verseuchtem Rindfleisch (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) übertragen.
- Weitere Übertragungswege:
- Iatrogene Übertragung: Durch kontaminierte chirurgische Instrumente, Hornhauttransplantate oder Wachstumshormone.
- Genetische Prädisposition: Mutationen im PRNP-Gen (Prionprotein-Gen) erhöhen das Risiko für familiäre Formen der Erkrankung.
- Reservoir: Prionen befinden sich hauptsächlich im Gehirn und Nervengewebe von infizierten Wirbeltieren.
- Infektiosität: Prionen sind extrem widerstandsfähig gegen Hitze, Desinfektionsmittel und UV-Strahlung und können durch minimalen Kontakt übertragen werden.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Aufnahme von kontaminierten Nahrungsmitteln (v.a. durch vCJD) oder durch direkte Kontaktübertragung während medizinischer Eingriffe.
- Nebeneintrittspforten: Übertragung kann auch durch kontaminierte Instrumente oder durch Kontakt mit neuralem Gewebe während chirurgischer Eingriffe erfolgen.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Umwandlung von PrPC in PrPSc:
- Die normale zelluläre Form des Prionproteins (PrPC) ist hauptsächlich in Nervenzellen vorhanden und besitzt eine α-Helixstruktur (schraubenförmige Faltung).
- Bei Kontakt mit dem pathogenen Prion (PrPSc) wird die α-Helixstruktur des PrPC in eine β-Faltblattstruktur (blattartige Faltung) umgewandelt, wodurch das Protein fehlgefaltet wird und das pathogene Prion entsteht.
- Kettenreaktion und Vermehrung:
- Das PrPSc induziert die Umwandlung weiterer PrPC-Moleküle in die pathogene Form, was zu einer exponentiellen Vermehrung der Prionen führt.
- Die neu entstandenen Prionen lagern sich zu Amyloidfibrillen zusammen, die sich im Zytoplasma der Nervenzellen ablagern und die Funktion der Zellen beeinträchtigen.
- Bildung von Amyloid-Plaques:
- Die aggregierten Prionen bilden im Gehirn Amyloid-Plaques, die eine toxische Wirkung auf die Nervenzellen haben und Nekrosen (Zelltod) verursachen.
- Diese Ablagerungen stören die normale Zellfunktion und führen zu einem schwammartigen Umbau (Spongiose) des Hirngewebes.
- Neuronale Degeneration:
- Die fortschreitende Umwandlung von PrPC in PrPSc führt zur Degeneration von Nervenzellen, Apoptose (programmierter Zelltod) und Neuroinflammation (Entzündung im Nervengewebe).
- Diese Prozesse resultieren in einem fortschreitenden Verlust an Gehirnsubstanz, Gedächtnisverlust, Demenz und motorischen Störungen.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- Im Gegensatz zu anderen Infektionen wird die Prioneninfektion nicht durch das angeborene Immunsystem erkannt, da PrPSc chemisch identisch mit dem körpereigenen PrPC ist.
- Es erfolgt daher keine spezifische Immunantwort auf das fehlgefaltete Protein, was die ungehinderte Vermehrung der Prionen ermöglicht.
- Systemische Immunantwort:
- Aufgrund der fehlenden Immunogenität der Prionen kommt es weder zur Bildung von Antikörpern noch zu einer T-Zell-vermittelten Immunantwort.
- Dies erklärt, warum die Krankheit lange Zeit asymptomatisch verläuft und erst in den späten Stadien klinisch auffällig wird.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Prionen besitzen eine extreme Widerstandsfähigkeit gegen herkömmliche Sterilisationsverfahren und sind gegen Proteasen (eiweißabbauende Enzyme) resistent.
- Durch die langsame Vermehrung und die fehlende Immunerkennung bleiben die Prionen oft über Jahre hinweg unbemerkt, bis die Krankheit klinisch manifest wird.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Prionen befallen bevorzugt das Gehirn und das zentrale Nervensystem (ZNS).
- Resultierende Gewebeschäden:
- Es kommt zu einer schwammartigen Degeneration des Hirngewebes (Spongiose), Vakuolenbildung (Hohlräume in den Nervenzellen) und Nekrosen.
- In den betroffenen Regionen bilden sich Amyloid-Plaques, die den Zelltod und den Verlust von Nervenzellen verursachen.
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Die Krankheit beginnt meist schleichend mit Gedächtnisverlust, Verhaltensänderungen und Konzentrationsstörungen.
- Im weiteren Verlauf treten Demenz, Verwirrtheit, Halluzinationen und motorische Störungen wie Ataxie (Koordinationsstörungen) und Myoklonien (Muskelzuckungen) auf.
- In der Endphase kommt es zu einem vollständigen Verlust der kognitiven und motorischen Funktionen und zum Koma.
- Komplikationen:
- Rasche neurodegenerative Verschlechterung und Tod innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren nach Symptombeginn.
- In der neuen Variante (vCJD) treten vermehrt psychiatrische Symptome wie Depressionen und Verhaltensauffälligkeiten auf.
Verläufe und Schweregrade
- Sporadische CJD: Tritt spontan auf, in der Regel ab dem 60. Lebensjahr, mit einer schnellen Verschlechterung und einer Überlebensdauer von weniger als einem Jahr.
- Neue Variante CJD (vCJD): Betrifft meistens jüngere Personen mit atypischen Symptomen und einer längeren Überlebensdauer (ca. 1,5 Jahre).
Prognosefaktoren
- Wirtsfaktoren:
- Genetische Prädisposition (Mutationen im PRNP-Gen) beeinflussen das Erkrankungsrisiko und die Krankheitsdauer.
- Jüngere Patienten (vCJD) haben einen langsameren Verlauf als ältere Patienten (sporadische CJD).
- Erregerfaktoren:
- Unterschiedliche Prionstämme weisen unterschiedliche Virulenz auf und beeinflussen das klinische Bild und die Progression.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung ist eine tödliche, neurodegenerative Erkrankung, die durch Prionen verursacht wird. Die Pathogenese basiert auf der fehlgefalteten Form des körpereigenen Prionproteins, das eine Kettenreaktion in Gang setzt und zu einer schwammartigen Degeneration des Gehirns führt. Die Krankheit verläuft rasch progressiv und endet innerhalb weniger Monate bis Jahre tödlich. Es gibt keine wirksame Therapie, daher liegt der Fokus auf Präventionsmaßnahmen wie Vermeidung von kontaminierten Lebensmitteln und der Sicherstellung von sterilen chirurgischen Instrumenten.
Ätiologie (Ursachen)
Genetisch bedingte Prionerkrankungen
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern bei der genetisch bedingten Form der CJK – sie sind alle autosomal-dominant vererbbar, mit fast 100 %er Penetranz
Sporadische Prionerkrankungen
- Der Auslöser ist nicht bekannt
Neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (nvCJD)
Biographische Ursachen
- Genetische Faktoren:
- Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Gen: PRNP
- SNP: rs1799990 im Gen PRNP
- Allel-Konstellation: AA (nvCJD zu bekommen ist möglich) [Methionin homozygot] (40 % der Fälle in der Bevölkerung)
- Allel-Konstellation: AG (nvCJD zu bekommen ist möglich, aber sehr unwahrscheinlich) [Methionin/Valin heterozygot]
- Allel-Konstellation: GG (resistent gegen nvCJD)
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
Hinweis: Alle bisher dokumentierten nCJK-Patienten (ca. 230 weltweit) waren homozygot für Methionin. Nun ist erstmals nach langer Inkubationszeit ein Erkrankter mit Methionin/Valin aufgetaucht [1].
Verhaltensbedingte Ursachen
- Aufnahme von infiziertem Nahrungsmitteln – Rindfleisch und Rindfleischfolgeprodukte
Iatrogene Form der CJK
Weitere Ursachen
- Übertragung aus infizierten Körperspenden oder von infiziertem OP-Instrumentarium
- Übertragung durch Blut und Blutprodukte
Literatur
- Mok T et al.: Variant Creutzfeldt-Jakob Disease in a Patient with Heterozygosity at PRNP Codon. N Engl J Med 2017; 376:292-294 January 19, 2017 doi: 10.1056/NEJMc1610003129