Chlamydien – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Chlamydia trachomatis ist ein gramnegatives, obligat intrazelluläres Bakterium, das verschiedene Serotypen besitzt. Die Serotypen D-K sind die häufigsten Erreger von sexuell übertragbaren Infektionen.
  • Genom: Das Bakterium besitzt ein kleines, zirkuläres DNA-Genom, das spezifische Gene für die Synthese von Proteinen enthält, die für die Anheftung und das Eindringen in Wirtszellen verantwortlich sind.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Chlamydia trachomatis beruht auf seiner Fähigkeit, intrazelluläre Einschlusskörperchen zu bilden, die die Immunabwehr des Wirtes umgehen und die Zellen schädigen. Diese Einschlusskörperchen schützen das Bakterium vor den Abwehrmechanismen des Wirts und ermöglichen eine persistierende Infektion.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Chlamydia trachomatis ist weltweit verbreitet und eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen (STI). Besonders betroffen sind junge sexuell aktive Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt hauptsächlich über ungeschützten Geschlechtsverkehr, sowohl vaginal, anal als auch oral.
  • Weitere Übertragungswege: Eine vertikale Übertragung von der Mutter auf das Kind kann während der Geburt stattfinden, was bei Neugeborenen zu einer Konjunktivitis (Bindehautentzündung) und/oder einer Pneumonie (Lungenentzündung) führen kann.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da bereits eine geringe Menge an Erregern ausreicht, um eine Infektion auszulösen. Asymptomatische Verläufe bei infizierten Personen erhöhen das Risiko einer unbemerkten Weitergabe.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Schleimhäute des Urogenitaltraktes (Harn- und Geschlechtsorgane) sind die Hauptpforte für den Erreger. Auch die Schleimhäute des Anus und des Oropharynx (Rachenraum) können betroffen sein.
  • Nebeneintrittspforten: Bei der vertikalen Übertragung gelangen die Bakterien durch die Augen- und Nasenschleimhäute des Neugeborenen in den Körper.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Die Bakterien heften sich an die epithelialen Zellen des Urogenitaltraktes an und dringen aktiv in diese ein.
    • Innerhalb der Zelle entwickelt sich der Erreger von einer infektiösen Elementarkörperchen-Form zu einer vermehrungsaktiven Retikularkörperchen-Form.
    • Die Retikularkörperchen vermehren sich in der Wirtszelle und formen große intrazelluläre Einschlusskörperchen.
  • Zerstörung der Wirtszellen:
    • Nach der Vermehrung differenzieren die Retikularkörperchen wieder in Elementarkörperchen um, die beim Platzen der Wirtszelle (Lyse) freigesetzt werden.
    • Durch die Zelllyse entstehen lokale Gewebeschäden und eine Entzündungsreaktion.
  • Ausbreitung:
    • Die freigesetzten Elementarkörperchen infizieren benachbarte Zellen und führen zu einer Ausbreitung der Infektion.
    • Eine aufsteigende Infektion von den unteren Genitaltraktstrukturen (Cervix uteri, Urethra) in die Gebärmutter (Endometritis) und die Adnexe (Adnexitis) kann bei Frauen zur Ausbildung einer chronischen Entzündung im kleinen Becken (Pelvic Inflammatory Disease, PID) führen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In den betroffenen Schleimhäuten kommt es zu einer Aktivierung von Makrophagen und dendritischen Zellen, die entzündliche Botenstoffe (Zytokine) ausschütten.
    • Diese Entzündungsreaktion führt zu Symptomen wie Rötung, Schwellung und vermehrtem Fluor vaginalis (Scheidenausfluss).
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort wird durch die Präsentation von bakteriellen Antigenen aktiviert. T-Zellen und B-Zellen tragen zur Bekämpfung des Erregers bei.
    • Bei chronischen Verläufen können persistierende Infektionen und eine überschießende Immunantwort zu Narbenbildung und Gewebeschäden führen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Chlamydia trachomatis besitzt Mechanismen, um der Immunabwehr des Wirtes zu entkommen, wie die Modulation von Signalwegen in der Wirtszelle und die Unterdrückung der Apoptose (programmierter Zelltod).
    • Die intrazelluläre Vermehrung schützt den Erreger vor humoralen Immunmechanismen wie Antikörpern und dem Komplementsystem.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Die bevorzugten Zielorgane sind die Schleimhäute des Urogenitaltraktes, des Anus und des Oropharynx. Auch das Auge (Konjunktiva) kann betroffen sein.
  • Resultierende Gewebeschäden: Durch die Zerstörung der infizierten Epithelzellen entstehen chronische Entzündungsherde, die zur Narbenbildung führen. Dies kann bei Frauen zu tubarer Infertilität (Unfruchtbarkeit) und bei Männern zu Verengungen der Urethra (Harnröhre) führen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Frauen: Die Infektion führt zu unspezifischen Symptomen wie vermehrtem Ausfluss (Fluor vaginalis), Juckreiz (Pruritus) und Brennen beim Wasserlassen (Dysurie). Bei aufsteigender Infektion treten Schmerzen im Unterbauch (Adnexitis) und Fieber auf.
    • Männer: Typische Symptome sind Harnröhrenentzündung (Urethritis) mit Ausfluss und Dysurie. In seltenen Fällen kann es zu einer Epididymitis (Nebenhodenentzündung) kommen.
    • Neugeborene: Eine vertikale Infektion führt häufig zu Konjunktivitis und, in schweren Fällen, zu einer interstitiellen Pneumonie (Lungenentzündung).
  • Komplikationen:
    • Chronische Entzündungen im kleinen Becken (PID) mit Narbenbildung.
    • Eileiterverengung (tubare Stenose), die zu Unfruchtbarkeit führt.
    • Bei Männern kann es zu Verengungen der Harnröhre und zur Entzündung der Prostata (Prostatitis) kommen.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Akute Infektionen können asymptomatisch verlaufen oder milde Symptome zeigen.
    • Chronische Infektionen führen häufig zu bleibenden Gewebeschäden und Funktionsverlust der betroffenen Organe.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren: Alter, Immunkompetenz und sexuelle Aktivität beeinflussen die Infektionswahrscheinlichkeit und den Schweregrad der Erkrankung.
  • Erregerfaktoren: Bestimmte Genotypen von Chlamydia trachomatis haben eine höhere Virulenz und neigen eher zu chronischen Verläufen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Chlamydia trachomatis ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen und kann bei beiden Geschlechtern zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen führen. Die Pathogenese wird durch die intrazelluläre Vermehrung und die Bildung von Einschlusskörperchen bestimmt, die zu chronischen Entzündungen und Gewebeschäden führen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um Langzeitschäden wie Infertilität (Unfruchtbarkeit) und chronische Beckenentzündungen zu vermeiden. Regelmäßige Screening-Programme und sichere sexuelle Praktiken sind wichtige Präventionsmaßnahmen, um die Verbreitung der Infektion zu reduzieren.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Hormonelle Faktoren

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Sexuelle Übertragung 
    • Promiskuität (sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
    • Prostitution
    • Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
    • Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
    • Ungeschützter Koitus; insb bei jungen Mädchen Koitus mit älteren Partnern
  • Sexuelle Praktiken mit hohem Risiko der Schleimhautverletzung (z. B. ungeschützter Analverkehr/Analsex)
  • Schwimmbäder, in denen das Wasser unzureichend gechlort wird.
  • Unzureichende hygienische Verhältnisse

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Bestehende Infektionen mit anderen Erregern

Medikamente

  • Hormonelle Kontrazeptiva [1]

Literatur

  1. Gille, Gisela; Klapp, Christine; Diedrich, Klaus; Schäfer, Axel; Moter, Annette; Griesinger, Georg; Kirschner, Rolf: Chlamydien – eine heimliche Epidemie unter Jugendlichen. Dtsch Arztebl 2005; 102(28-29): A-2021 / B-1706 / C-1610