Chagas-Krankheit (Amerikanische Trypanosomiasis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Chagas-Krankheit wird durch das Protozoon (einzelliges Lebewesen) Trypanosoma cruzi verursacht, ein Flagellat (geißeltragendes Einzeller) aus der Familie der Trypanosomatidae.
  • Genom: Trypanosoma cruzi besitzt ein komplexes Genom, das aus doppelsträngiger DNA besteht und Gene für verschiedene Oberflächenproteine und Virulenzfaktoren (Infektionsfaktoren) enthält.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz beruht auf der Fähigkeit, in verschiedene Wirtszellen einzudringen und sich dort zu vermehren. Die Erreger können die Immunantwort durch ständige Antigenvariation (Veränderung der Oberflächenmoleküle) umgehen, was zu einer chronischen Infektion führt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Chagas-Krankheit ist endemisch in Mittel- und Südamerika und betrifft insbesondere ländliche Gebiete mit schlechten Wohnverhältnissen.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt durch den Biss und die anschließende Fäkalienabgabe blutsaugender Raubwanzen (sogenannte Triatominae, auch bekannt als "Kissing Bugs"). Beim Kratzen der Bissstelle werden die Trypanosomen aus den Fäkalien in die Haut eingerieben.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Transplazentare Übertragung: Von der Mutter auf das ungeborene Kind durch die Plazenta (Mutterkuchen).
    • Bluttransfusionen: Übertragung durch kontaminierte Blutprodukte.
    • Organtransplantationen: Infektion durch Organe von infizierten Spendern.
    • Lebensmittel: Aufnahme von kontaminierten Nahrungsmitteln (z. B. durch verunreinigte Getränke).
  • Reservoir: Hauptreservoir sind Wild- und Haustiere (Nagetiere, Hunde, Katzen), die das Trypanosom in sich tragen und als Wirt fungieren.
  • Infektiosität: Trypanosoma cruzi ist hochinfektiös, da schon geringe Erregermengen eine Infektion auslösen können.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Erreger gelangt meist über kleinste Hautverletzungen oder die Schleimhäute (z. B. Augen) in den Körper. Dies geschieht durch Kontakt mit den kontaminierten Fäkalien der Raubwanze nach dem Biss.
  • Nebeneintrittspforten: Direkte Übertragung durch Schmierinfektion (z. B. Kratzen der Bissstelle), über die Plazenta oder durch Bluttransfusionen.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Invasion und Vermehrung:
    • Nach dem Eintritt in den Wirt dringen die Trypomastigoten (bewegliche Form der Trypanosomen) in die Wirtszellen (z. B. Makrophagen) ein und wandeln sich in die Amastigoten (unbewegliche Form) um.
    • In den Wirtszellen vermehren sich die Amastigoten durch binäre Teilung (Zellteilung), was zu einer starken Vermehrung und schließlich zur Zerstörung der Zellen führt.
  • Hämatogene Streuung:
    • Die freigesetzten Trypomastigoten gelangen ins Blut und befallen verschiedene Gewebe, insbesondere Herzmuskelzellen, glatte Muskelzellen und Nervenzellen.
    • Dort setzen sie den gleichen Vermehrungszyklus fort und verursachen lokale Gewebeschäden.
  • Akute und chronische Phase:
    • In der akuten Phase kommt es durch die massive Zellzerstörung zur Entzündung und Gewebeschädigung in den betroffenen Organen.
    • In der chronischen Phase entwickeln sich entzündliche Granulome (Gewebeneubildungen) und Fibrosen (Narbengewebe), die vor allem das Herz und den Verdauungstrakt betreffen.
Wirtsreaktion
  • Lokale Immunantwort:
    • Die Infektion führt zu einer starken Aktivierung von Makrophagen (Fresszellen) und dendritischen Zellen, was zur Produktion von Zytokinen (Entzündungsbotenstoffen) und einer lokalen Entzündungsreaktion führt.
    • Die Zerstörung der infizierten Zellen und die Freisetzung von Parasiten verstärken die lokale Entzündung.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die humorale Immunantwort mit Bildung von spezifischen Antikörpern richtet sich gegen die Trypanosomen, aber die Parasiten entkommen der Immunabwehr durch Antigenvariation (ständige Veränderung der Oberflächenmoleküle).
    • Die zellvermittelte Immunität kann die Parasiten eindämmen, aber nicht vollständig eliminieren, was zu einer chronischen Infektion führt.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Trypanosoma cruzi nutzt Antigenvariation, um der Immunerkennung zu entgehen.
    • Die intrazelluläre Vermehrung ermöglicht den Parasiten, sich in Immunzellen wie Makrophagen zu verstecken und eine lang anhaltende Persistenz (andauernde Anwesenheit) im Körper aufrechtzuerhalten.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Bevorzugte Zielorgane sind Herzmuskelzellen, glatte Muskelzellen des Gastrointestinaltrakts (Verdauungstrakt) und Nervenzellen.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • In den befallenen Organen entstehen entzündliche Läsionen (Gewebeschäden), Fibrosen (Narbenbildung) und Granulome, die langfristig zu Funktionsstörungen und Organschäden führen.
    • Am Herz verursacht die Infektion Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und langfristig kardiomegale Veränderungen (Vergrößerung des Herzens), was zum Herzversagen führen kann.
    • Im Verdauungstrakt führt die Infektion zu Megakolon (massive Erweiterung des Dickdarms) und Megaösophagus (massive Erweiterung der Speiseröhre).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • In der akuten Phase treten unspezifische Symptome wie Fieber, Schwellung der Bissstelle (Chagom), Lymphknotenschwellung und Augenödem (Romaña-Zeichen) auf.
    • In der chronischen Phase entwickeln sich schwere Herzsymptome (Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz) und gastrointestinale Symptome (Obstipation, Dysphagie).
  • Komplikationen:
    • Chronische Herzschädigung mit dilatativer Kardiomyopathie (Erweiterung des Herzmuskels) und Herzversagen.
    • Darmverschluss und Perforation bei Megakolon.
    • Neurologische Komplikationen (z. B. Krampfanfälle, Schlaganfälle) bei Befall des Nervensystems.

Verläufe und Schweregrade

  • Akuter Verlauf: Akute Symptome halten etwa 4-8 Wochen an und verlaufen bei Kindern oft schwerer als bei Erwachsenen.
  • Chronischer Verlauf: 10-30 Jahre nach der Infektion treten chronische Symptome auf, oft mit schwerwiegenden Herz- und Verdauungskomplikationen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Kinder und immunsupprimierte Personen haben ein höheres Risiko für schwere akute Verläufe.
    • Vorbestehende Herz- und Nierenerkrankungen beeinflussen die Prognose negativ.
  • Erregerfaktoren:
    • Verschiedene Stämme von Trypanosoma cruzi variieren in ihrer Virulenz und beeinflussen die Krankheitsmanifestationen unterschiedlich stark.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Chagas-Krankheit ist eine schwerwiegende Parasitenerkrankung, die durch Trypanosoma cruzi verursacht wird. Die Pathogenese ist durch die Invasion und Zerstörung von Wirtszellen charakterisiert, insbesondere im Herzen und Verdauungstrakt. Frühzeitige Diagnose und Therapie in der akuten Phase sind entscheidend, um eine Chronifizierung zu verhindern. Präventive Maßnahmen wie Kontrolle von Raubwanzen und sichere Bluttransfusionen sind essenziell, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Betroffen ist vor allem die Landbevölkerung, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen

Touristen sind bei organisierten Reisen in der Regel nicht betroffen