Campylobacter-Enteritis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Campylobacter ist ein gram-negatives, spiral- oder kommaförmiges Bakterium aus der Familie der Campylobacteraceae.
  • Genom: Das Bakterium besitzt ein einzelsträngiges, zirkuläres DNA-Genom (Erbmaterial), das für mehrere Virulenzfaktoren (Infektionsfaktoren) codiert, darunter Adhäsine (Oberflächenmoleküle zur Anheftung an Wirtszellen), Invasionsproteine und Toxine.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz wird durch die Fähigkeit zur Invasion (Eindringen in Wirtszellen), Motilität (Bewegungsfähigkeit durch Geißeln) und Toxinproduktion vermittelt, was zu einer starken entzündlichen Reaktion in der Darmschleimhaut führt.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Campylobacter kommt weltweit vor und ist einer der häufigsten bakteriellen Erreger von Gastroenteritiden (Magen-Darm-Entzündungen).
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt meist durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln (z.B. unzureichend gegartes Geflügel, Rohmilch, kontaminiertes Wasser).
  • Weitere Übertragungswege:
    • Kontakt zu infizierten Tieren: Direkter Kontakt zu infizierten Nutztieren (Rinder, Schafe, Geflügel) oder Heimtieren (Hunde, Katzen) ist ebenfalls eine häufige Infektionsquelle.
    • Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Möglich bei engem Kontakt mit infizierten Personen (z.B. in Haushalten).
  • Reservoir: Hauptreservoir sind Vögel (insbesondere Geflügel), aber auch andere Wild- und Haustiere.
  • Infektiosität: Die Infektiosität ist hoch, da bereits geringe Erregermengen zur Auslösung der Erkrankung führen können.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Erreger gelangt meistens enteral (über den Darm) durch den Gastrointestinaltrakt (Verdauungstrakt) in den Körper. Dies erfolgt durch die Aufnahme kontaminierter Lebensmittel oder Wasser.
  • Nebeneintrittspforten: Bei Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Exkrementen kann der Erreger auch über Schleimhäute (z.B. der Augen) oder verletzte Haut in den Körper gelangen.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach Aufnahme in den Magen-Darm-Trakt durchqueren die Bakterien die saure Magenumgebung und dringen in die Darmschleimhaut (Mukosa) des Jejunums (Leerdarm) und Ileums (Krummdarm) ein.
    • Dort haften sie sich mithilfe von Adhäsinen (Oberflächenproteine) an die Epithelzellen (Zellen der Darmschleimhaut) an und beginnen sich zu vermehren.
  • Invasion und Gewebeschädigung:
    • Die Bakterien produzieren Cytolethal Distending Toxin (CDT), ein Toxin, das die Zellteilung der Epithelzellen hemmt und zu einer Zytolyse (Zellzerstörung) führt.
    • Dies verursacht eine Entzündungsreaktion mit Schädigung der Schleimhaut und erhöht die Sekretion von Elektrolyten (Salze) und Wasser, was den typischen wässrigen Durchfall auslöst.
  • Immunevasion und systemische Verbreitung:
    • Durch die Invasion in die Darmschleimhaut aktivieren die Bakterien das angeborene Immunsystem, was zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (Entzündungsbotenstoffen) führt.
    • In schweren Fällen können die Bakterien über die Lamina propria (Schicht unterhalb der Darmschleimhaut) ins Blut gelangen und eine Bakteriämie (Bakterien im Blut) verursachen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In der Darmschleimhaut kommt es zur Aktivierung von neutrophilen Granulozyten (spezialisierte Immunzellen) und Makrophagen, was eine lokale Entzündungsreaktion hervorruft.
    • Dies führt zu einer Hypersekretion (vermehrte Abgabe) von Schleim und Flüssigkeit, die den Durchfall begünstigt.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die Infektion aktiviert die zellvermittelte Immunantwort, was zur Produktion von spezifischen Antikörpern (Abwehrproteinen) führt.
    • Diese Reaktion ist in der Regel ausreichend, um die Bakterien aus dem Körper zu eliminieren, jedoch kann es bei immunsupprimierten Patienten (Patienten mit geschwächter Immunabwehr) zu einer chronischen Infektion kommen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Campylobacter hat die Fähigkeit, durch Phasenvariation (Veränderung von Oberflächenstrukturen) der Immunerkennung zu entkommen.
    • Die Beweglichkeit durch Geißeln ermöglicht dem Bakterium, die Schleimbarriere des Darms zu durchdringen und tiefere Gewebeschichten zu infizieren.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Campylobacter infiziert bevorzugt die Darmschleimhaut des Jejunums und Ileums, kann aber in seltenen Fällen auch extraintestinale Organe (Organe außerhalb des Darms) befallen.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Es kommt zur Ulzeration (Geschwürbildung) der Darmschleimhaut und zur Zellzerstörung durch die Wirkung von CDT.
    • In seltenen Fällen kann es durch eine systemische Verbreitung zu Hepatitis (Leberentzündung), Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) oder Arthritis (Gelenkentzündung) kommen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die typischen Symptome der Campylobacter-Enteritis sind wässriger bis blutiger Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit und Fieber.
    • In schweren Fällen treten auch krampfartige Bauchschmerzen und extraintestinale Symptome wie Arthritis (Gelenkentzündung) auf.
  • Komplikationen:
    • Guillain-Barré-Syndrom (autoimmune Nervenentzündung) als seltene, aber schwere Komplikation, die zu Lähmungen führen kann.
    • Reaktive Arthritis (Entzündung der Gelenke) und HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) bei schweren Verläufen.

Verläufe und Schweregrade

  • Akuter Verlauf: Meist selbstlimitierend mit einer Dauer von 1–2 Wochen.
  • Chronischer Verlauf: In seltenen Fällen bei immunsupprimierten Personen oder durch Reinfektion.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Alter und Grunderkrankungen wie Diabetes oder Immunsuppression beeinflussen die Schwere des Krankheitsverlaufs.
    • Ein höheres Risiko besteht bei Kindern und älteren Personen.
  • Erregerfaktoren:
    • Unterschiedliche Campylobacter-Stämme zeigen Unterschiede in der Virulenz.
    • Einige Stämme sind häufiger mit schwerwiegenden extraintestinalen Komplikationen assoziiert.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Campylobacter-Enteritis ist eine weltweit häufige Gastroenteritis (Magen-Darm-Entzündung), die durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln oder den Kontakt mit infizierten Tieren verursacht wird. Die Pathogenese ist durch die Invasion der Darmschleimhaut und die Toxinproduktion charakterisiert, was zu wässrigem Durchfall, Bauchschmerzen und Fieber führt. Die Guillain-Barré-Syndrom-Komplikation ist eine seltene, aber ernsthafte Folge der Infektion. Eine frühzeitige Diagnose und die Vermeidung von kontaminierten Lebensmitteln sind entscheidend für die Prävention.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genuss kontaminierter Lebensmittel:
    • Geflügelfleisch (insb. Hühnerfleisch): u. a. auch Fondue Chinoise; dabei wird Hühnerfleisch am Tisch serviert und in einer heißen Brühe gegart)
    • Hühnereier
    • Rohfleischerzeugnisse wie Hackepeter (Mett)
    • Rohmilch bzw. Rohmilchkäse
    • Trinkwasser
  • Enger Kontakt zu infizierten Tieren

Weitere Ursachen

  • Warme Jahreszeit (hohe Außentemperaturen)

Medikamente

  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol 
    Cave! PPI führten bei ambulanten Patienten zu einem 3,71-fachen Risiko (stationären Patienten zu einem 4,53-fachen Risiko) für eine schwere Darminfektion mit Campylobacter [1].

Literatur

  1. Wei L et al.: Acid suppression medications and bacterial gastroenteritis: a population-based cohort study. Br J Clin Pharmacol. 2017 Jan 5. doi: 10.1111/bcp.13205.