Botulismus – Einleitung
Botulismus ist eine lebensbedrohliche Vergiftung, die durch das Neurotoxin Botulinum (BoNT) verursacht wird. Dieses extrem potente Nervengift wird von Clostridium botulinum sowie seltener von Clostridium butyricum und Clostridium baratii produziert. Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin an den neuromuskulären Endplatten und führt zu schlaffen Lähmungen.
Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM A05.1: Botulismus
Die Erkrankung wird durch das Bakterium Clostridium botulinum verursacht, seltener auch durch C. butyricum oder C. baratii. Dieses Bakterium produziert das hochwirksame Neurotoxin Botulinumtoxin, das bereits in sehr geringen Mengen tödlich wirken kann. Clostridium botulinum ist ein grampositives, begeißeltes Stäbchenbakterium. Es existieren sieben Toxintypen (A bis G), von denen vor allem die Typen A, B, E und F für den Menschen relevant sind.
Charakteristische Laborbefunde
- Nachweis von Botulinumtoxin im Serum, Stuhl oder Nahrungsmitteln mittels Maus-Bioassay.
- Isolierung von Clostridium botulinum aus Stuhlproben, Wundsekreten oder Lebensmitteln.
- PCR-Nachweis der Toxin-Gene.
Formen des Botulismus
Nach der Übertragung des Erregers (Infektionsweg) können verschiedene Formen des Botulismus unterschieden werden:
- Lebensmittelbedingter Botulismus
- Übertragung durch den Verzehr von Lebensmitteln, die mit Botulinumtoxin kontaminiert sind (häufig selbst gemachte Konserven, Wurstwaren).
- Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö (Durchfall), gefolgt von neurologischen Symptomen wie Doppeltsehen, Schluckstörungen und Muskelschwäche.
- Wundbotulismus
- Entsteht durch die Kontamination von Wunden mit Clostridium botulinum. Häufig in Verbindung mit Drogenmissbrauch (z. B. durch kontaminierte Injektionen).
- Symptome: Wundinfektionen, gefolgt von neurologischen Störungen.
- Säuglingsbotulismus
- Verursacht durch Aufnahme von Botulinum-Sporen, die sich im Darm des Säuglings vermehren und dort Toxine freisetzen (häufig nach Verzehr von Honig).
- Symptome: Obstipation (Verstopfung), Lethargie, schwaches Schreien, Muskelschwäche, Dysphagie (Schluckbeschwerden).
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Häufigkeitsgipfel: Kein spezifisches Alter, jedoch besonders betroffen sind Säuglinge (Säuglingsbotulismus) und Drogenkonsumenten (Wundbotulismus).
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Selten. In Deutschland werden jährlich etwa 10 Fälle von Botulismus gemeldet, hauptsächlich lebensmittelbedingter Botulismus.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): In den USA gibt es jährlich 100 bis 110 Fälle von Säuglingsbotulismus.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Clostridium botulinum (seltener Clostridium butyricum oder Clostridium baratii), ein grampositives, anaerobes und sporenbildendes Stäbchenbakterium, das das Neurotoxin Botulinum produziert.
Erregerreservoir: Das Bakterium kommt in Böden, Sedimenten von Gewässern, in der Darmflora von Tieren und gelegentlich auch beim Menschen vor.
Vorkommen: Weltweit verbreitet, besonders in Gebieten, in denen Konserven und fermentierte Lebensmittel in Eigenherstellung ohne ausreichende Hygienemaßnahmen verarbeitet werden.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Keine direkte Kontagiosität; Botulismus ist nicht ansteckend.
Übertragungsweg
- Lebensmittelbotulismus: Durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln, die Botulinumtoxin enthalten.
- Wundbotulismus: Durch das Eindringen von Clostridium botulinum-Sporen in offene Wunden.
- Säuglingsbotulismus: Durch Aufnahme von Sporen (meist durch Honig), die sich im Darm von Säuglingen vermehren und Toxine bilden.
Eintrittspforte
- Lebensmittelbotulismus: Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt).
- Wundbotulismus: Verletzte Haut (Wunden).
- Säuglingsbotulismus: Gastrointestinaltrakt.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung)
- Lebensmittelbotulismus: 12-36 Stunden nach Toxinaufnahme, in seltenen Fällen bis zu 10 Tage.
- Wundbotulismus: 4-14 Tage.
- Säuglingsbotulismus: Unbestimmbar, da die Symptome durch endogene Toxinproduktion im Darm entstehen.
Krankheitsdauer: In der Regel mehrere Wochen bis Monate, abhängig von der Schwere der Intoxikation und der Therapie.
Dauer der Infektiosität: Botulismus ist nicht infektiös im herkömmlichen Sinne, da es keine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch gibt.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Serologische Tests auf spezifische Antikörper sind bei Botulismus nicht gängig, da die Erkrankung primär durch die Toxinwirkung und nicht durch das Immunsystem bedingt ist.
Erregerspezifische Immunität: Eine Immunität nach durchgemachter Erkrankung ist nicht zu erwarten, da die Botulinumtoxin-Menge, die eine Immunantwort auslösen könnte, bereits tödlich wäre.
Verlauf und Prognose
Lebensmittelbedingter Botulismus
Verlauf
- Die Symptome beginnen typischerweise mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, gefolgt von neurologischen Symptomen wie Doppeltsehen, Schluckstörungen und Muskelschwäche.
- Die Symptomatik kann innerhalb von Stunden bis Tagen nach der Toxinaufnahme beginnen.
Prognose
- Je früher die Symptomatik beginnt, desto ausgeprägter ist die Intoxikation und umso höher ist letztlich die Letalität.
- Die Letalität (Sterblichkeit) kann je nach Art und Menge des Toxins bei bis zu 70 % liegen.
- Unter frühzeitiger Antitoxin-Therapie kann die Letalität auf ca. 5-10 % gesenkt werden.
- Bis ein Erkrankter wieder vollständig genesen ist, vergehen Monate bis Jahre.
Wundbotulismus
Verlauf
- Diese Form ähnelt dem lebensmittelbedingten Botulismus, tritt jedoch durch kontaminierte Wunden auf.
- Die Symptome beginnen typischerweise mit lokalen Wundinfektionen und breiten sich zu neurologischen Symptomen aus.
Prognose
- Die Prognose ist besser als bei lebensmittelbedingtem Botulismus, wenn die Wundversorgung und Antitoxin-Behandlung rechtzeitig erfolgen.
- Langfristige neurologische Schäden können jedoch auftreten, insbesondere wenn die Behandlung verzögert wird.
Säuglingsbotulismus
Verlauf
- Symptome umfassen Verstopfung, Lethargie, schwaches Schreien, und Schwierigkeiten beim Saugen und Schlucken.
- Mit fortschreitender Intoxikation treten mehr Beschwerden auf, wie z. B. Dysphagie (Schluckstörung).
Prognose
- Diese Form des Botulismus wird als mögliche Ursache für den plötzlichen Kindstod diskutiert.
- Mit adäquater medizinischer Versorgung ist die Prognose in der Regel gut, jedoch kann die Genesung mehrere Wochen bis Monate dauern.
- Ohne Behandlung besteht ein hohes Risiko für schwere Komplikationen und Tod.
In Deutschland ist bereits der Verdacht auf Botulismus (Nachweis des Erregers oder des Toxins) nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Botulismus. (AWMF-Registernummer: 030-109), August 2017 Langfassung