Borreliose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Borrelia burgdorferi gehört zur Gruppe der Spirochäten (spiralförmige Bakterien) und ist ein gramnegatives Bakterium. Es wird in mehrere Unterarten unterteilt, die alle zum sogenannten Borrelia burgdorferi sensu lato-Komplex gehören.
  • Genom: Das Bakterium besitzt ein komplexes Genom, das aus einem linearen Chromosom und mehreren linearen und zirkulären Plasmiden besteht. Die Plasmide kodieren verschiedene Oberflächenproteine, die eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese spielen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Borrelia burgdorferi wird durch seine Fähigkeit vermittelt, unterschiedliche Wirtsgewebe zu infizieren und dabei die Immunabwehr zu umgehen. Das Bakterium nutzt variable Oberflächenproteine, um die Erkennung durch das Immunsystem zu erschweren und sich langfristig im Wirt zu etablieren.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionserkrankung in Europa und Nordamerika. In Europa sind hauptsächlich Borrelia afzelii und Borrelia garinii verbreitet, während in Nordamerika überwiegend Borrelia burgdorferi sensu stricto vorkommt.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt durch den Stich von infizierten Zecken, insbesondere der Gattung Ixodes ricinus (Holzbock). Zecken nisten sich in Gräsern und Sträuchern ein und lauern auf vorbeistreifende Wirte wie Menschen und Tiere.
  • Virusreservoir: Das Hauptreservoir bilden verschiedene Säugetiere, insbesondere Nagetiere und Rehe. Zecken nehmen die Erreger beim Blutsaugen an diesen Tieren auf und können sie bei weiteren Saugakten auf andere Wirte übertragen.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, wenn die Zecke lange genug am Wirt saugt (24-72 Stunden). Je länger der Saugakt dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Borrelien übertragen werden.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Das Bakterium gelangt durch den Stich der infizierten Zecke über die Haut in den menschlichen Körper.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Übertragung durch Bluttransfusionen ist theoretisch möglich, spielt jedoch klinisch keine relevante Rolle.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung: Nach dem Eintritt durch die Haut vermehrt sich Borrelia burgdorferi lokal und verursacht eine Entzündungsreaktion. Dies zeigt sich klinisch durch die Erythema migrans (kreisförmige Hautrötung um die Einstichstelle), das typische Frühstadium der Borreliose.
  • Ausbreitung: Das Bakterium breitet sich anschließend über die Blutbahn und die Lymphwege aus. Dabei befällt es verschiedene Gewebe und Organe, insbesondere die Haut, die Gelenke, das Herz und das Nervensystem.
  • Organaffinität und Gewebeschäden: Borrelia burgdorferi hat eine besondere Affinität für Bindegewebe, Gelenke und das Nervensystem. Die Organaffinität variiert je nach Borrelien-Subtyp:
    • Borrelia afzelii befällt bevorzugt die Haut.
    • Borrelia garinii zeigt eine starke Neurotropie (Neigung, das Nervensystem zu befallen).
    • Borrelia burgdorferi sensu stricto hat eine Affinität zu Gelenken und verursacht häufig Arthritis.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Am Ort der Infektion kommt es zu einer Aktivierung von Makrophagen und dendritischen Zellen, die zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine führen. Diese Zytokine ziehen weitere Immunzellen an und verursachen eine lokale Entzündungsreaktion.
  • Systemische Immunantwort: Mit dem Übertritt ins Blut wird das Immunsystem systemisch aktiviert. Es kommt zur Bildung von spezifischen Antikörpern gegen die verschiedenen Oberflächenproteine der Borrelien. Da Borrelia burgdorferi jedoch die Expression dieser Oberflächenproteine variieren kann, gelingt es dem Erreger häufig, der Immunantwort zu entgehen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers: Das Bakterium hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um der Immunabwehr zu entkommen, darunter:
    • Antigenvariation: Wechselnde Expression der Oberflächenproteine (OspA, OspC) erschwert die Erkennung durch Antikörper.
    • Immune Escape: Borrelien können in Immunzellen eindringen und dort persistieren, ohne zerstört zu werden.
    • Biofilmbildung: In chronischen Infektionsstadien bildet Borrelia burgdorferi häufig Biofilme, die sie vor der Immunabwehr schützen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Haut, Nervensystem, Gelenke und Herz sind die Hauptzielorgane der Borrelien. Je nach Stadium der Erkrankung manifestieren sich die Schäden in unterschiedlichen Organen:
    • Haut: Erythema migrans, Acrodermatitis chronica atrophicans (spät auftretende Hautentzündung).
    • Gelenke: Lyme-Arthritis (schmerzhafte Gelenkentzündungen).
    • Nervensystem: Neuroborreliose (Nervenschmerzen, Meningoradikulitis).
    • Herz: Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Herzrhythmusstörungen.
  • Resultierende Gewebeschäden: Die chronische Entzündung führt zu einer Gewebedestruktion und Fibrosierung in den betroffenen Organen, was langfristige Schäden zur Folge haben kann.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Frühstadium (lokalisierte Infektion): Erythema migrans, Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit.
    • Disseminiertes Stadium (systemische Infektion): Multiple Erythemata, Meningitis, Fazialisparese, Karditis.
    • Spätstadium (chronische Infektion): Arthritis, chronische Hautveränderungen (Acrodermatitis chronica atrophicans), kognitive Störungen.
  • Komplikationen: Chronische Neuroborreliose, chronische Lyme-Arthritis, bleibende neurologische Defizite.
  • Verläufe und Schweregrade: Die Borreliose kann in milden Fällen als Erythema migrans abheilen, in schwereren Verläufen jedoch zu lang anhaltenden Organbeteiligungen und chronischen Beschwerden führen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Alter: Ältere Menschen entwickeln häufiger schwere Verläufe.
    • Immunsuppression: Immungeschwächte Patienten haben ein erhöhtes Risiko für eine disseminierte Borreliose.
  • Erregerfaktoren:
    • Genotyp-Varianten: Borrelia garinii ist stärker neurotrop, während Borrelia afzelii häufiger Hautbeteiligung verursacht.
    • Antigenvariation: Der Wechsel der Oberflächenproteine erschwert die Immunerkennung und führt zu chronischen Verläufen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Borreliose ist eine vielschichtige Infektionskrankheit, die durch Zecken übertragen wird. Sie kann eine Vielzahl von Organen betreffen und verschiedene Krankheitsstadien durchlaufen. Die Prävention durch Zeckenschutz und eine frühzeitige Diagnose sind essenziell, um schwere Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Berufe – Beschäftigte in der Forst- und Landwirtschaft sowie Jäger

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Aufenthalt in Waldgebieten mit unpassender Kleidung wie kurzen Hosen

Risikogruppen

  • Förster, Waldarbeiter
  • Kinder im Waldkindergarten
  • Menschen
    • zwischen dem 60. und 69. Lebensjahr – halten sich offensichtlich öfter in Waldgebieten auf als andere Gruppen
    • mit Kontakt zu infizierten Wild- und Haustieren