Borreliose – Einleitung
Borreliose, umgangssprachlich auch als "Zeckenkrankheit" bezeichnet, ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht wird. Diese Bakterien gehören zur Gruppe der Borrelien, einer Untergruppe der gramnegativen Spirochäten. Die Infektion erfolgt typischerweise nach einem Zeckenstich, wobei das Erythema migrans (Wanderröte) als charakteristisches Frühstadium auftreten kann.
Synonyme und ICD-10: Borrelia burgdorferi; Borrelien; Borrelioses; Erythema chronicum migrans; Erythema chronicum migrans durch Borrelia burgdorferi nach Zeckenbiss; Erythema chronicum migrans durch Borrelien; Erythema migrans; Exanthema chronicum migrans; Infektion durch Borrelia burgdorferi; Lymeborreliose; Lyme-Borreliose; Lyme borreliosis; Lyme disease; Lyme-Krankheit; Lymesche Krankheit; relapsing fever; Rückfallfieber-Borrelien; spirillium fever; ICD-10-GM A68.1: Durch Zecken übertragenes Rückfallfieber; ICD-10-GM A68.9: Rückfallfieber, nicht näher bezeichnet, ICD-10-GM A69.2: Lyme-Krankheit/Erythema chronicum migrans durch Borrelia burgdorferi
Die Erkrankung wird durch Bakterien aus der Gruppe der Borrelien (gramnegativ), die zur Familie der Spirochäten gehören, verursacht.
Eine neue genetische Variante von Borrelia burgdorferi, namens Borrelia mayonii, soll eine stärkere Bakteriämie (Vorhandensein von Bakterien im Blut) mit teilweise atypischen Symptomen verursachen. Der neue Erreger wurde bislang ausschließlich in Proben aus den US-Staaten Minnesota, North Dakota und Wisconsin im mittleren Norden des Landes gefunden [3].
Erregerreservoir sind kleine Nagetiere und Vögel. Rehe und Hirsche haben eine Bedeutung als Wirtstiere für Zecken.
Charakteristische Laborbefunde
- Serologische Tests
- ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay): Initialer Screening-Test zum Nachweis von Borrelia-spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern. Ein positiver ELISA-Test muss durch einen Western-Blot bestätigt werden.
- Western-Blot: Bestätigungstest, bei dem spezifische Antikörper gegen Borrelia burgdorferi-Proteine nachgewiesen werden. Hierbei werden spezifische Bandenmuster analysiert, die auf eine Infektion hinweisen.
- PCR (Polymerase-Kettenreaktion)
- DNA-Nachweis von Borrelia burgdorferi aus Hautbiopsien, Gelenkflüssigkeit oder Liquor (bei neurologischen Symptomen). Die Sensitivität der PCR variiert je nach Untersuchungsmaterial.
- Liquor-Diagnostik (bei Neuroborreliose)
- Pleozytose: Erhöhte Zellzahl im Liquor, meist lymphozytär dominiert.
- Intrathekale Antikörperproduktion: Nachweis von Borrelia-spezifischen Antikörpern im Liquor, oft in Verbindung mit einem positiven Antikörperindex (AI), der auf eine lokale Antikörperproduktion im ZNS hinweist.
- Erhöhte Proteinwerte: Im Liquor kann ein erhöhter Eiweißgehalt nachgewiesen werden, was auf eine entzündliche Reaktion hindeutet.
- Entzündungsparameter
- C-reaktives Protein (CRP): Erhöhte Werte können bei akuter Entzündung auftreten, sind jedoch unspezifisch.
- Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): Häufig erhöht bei chronisch entzündlichen Verläufen der Borreliose.
- Spezifische Immunreaktionen
- IgM-Antikörper: Erhöhte IgM-Werte treten in den frühen Stadien der Borreliose auf, meistens innerhalb von Wochen nach der Infektion.
- IgG-Antikörper: IgG-Antikörper entwickeln sich später und können über Jahre nachweisbar bleiben, auch nach Abklingen der Infektion.
Diese Laborbefunde sind entscheidend für die Diagnose und Verlaufsbeobachtung der Borreliose, insbesondere in Kombination mit klinischen Symptomen und Anamnese.
Formen der Borreliose
Siehe unter "Klassifikation".
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Frauen und Männer sind unterschiedlich betroffen, genaue Verhältnisse können in spezifischen Studien variieren.
Häufigkeitsgipfel
- Am häufigsten bei Kindern zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr.
- Bei älteren Personen zwischen 60 und 69 Jahren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
- Die Prävalenz variiert je nach Region. In Deutschland und Österreich beträgt die Borrelien-Seroprävalenz-Rate (positive Borrelien-Serologie) 5-20 % der gesunden Personen.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Deutschland beträgt die Inzidenz der Lyme-Borreliose ca. 24-40 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Borrelia burgdorferi, Borrelia afzelii, Borrelia garinii.
Erregerreservoir: Nagetiere, Vögel und andere kleine Säugetiere.
Vorkommen: Die Borreliose kommt in der gesamten nördlichen Hemisphäre vor, auch in Deutschland tritt sie vermutlich flächendeckend auf.
Saisonale Häufung der Erkrankung: Eine Infektion kann von März bis Oktober erfolgen, selten auch früher oder später, je nach Witterung. Aktiv werden Zecken, wenn die Temperaturen dauerhaft zwischen 8-10 °C erreichen. Aufgrund des Klimawandels sind Zecken in vielen Gebieten Deutschlands und der Schweiz mittlerweile fast das ganze Jahr über aktiv.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist äußerst selten und nicht der primäre Übertragungsweg.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Die Kontagiosität ist gering, da die Übertragung hauptsächlich durch Zeckenstiche erfolgt.
Übertragungsweg: Die Übertragung des Erregers erfolgt in Mitteleuropa durch den Stich der Schildzecke Ixodes ricinus (Holzbock), die vor allem im hohen Gras lauert.
Eintrittspforte: Der Erreger dringt parenteral (perkutane Infektion) in den Körper.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung):
- Tage bis Wochen für Stadium I.
- Wochen bis Monate für Stadium II.
- Monate bis Jahre für Stadium III.
Krankheitsdauer: Die Dauer variiert je nach Stadium der Erkrankung und individueller Reaktion des Immunsystems.
Dauer der Infektiosität: Menschen sind nicht direkt infektiös, da die Übertragung durch Zecken erfolgt.
Seroprävalenz: In Deutschland und Österreich beträgt die Borrelien-Seroprävalenz-Rate 5-20 % der gesunden Personen.
Erregerspezifische Immunität: Nach einer Infektion entwickeln einige Menschen eine spezifische Immunität, jedoch ist eine erneute Infektion durch verschiedene Borrelia-Arten möglich.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Borreliose, auch als Zeckenkrankheit bekannt, ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht wird. Die Erkrankung wird durch den Stich der Schildzecke Ixodes ricinus (Holzbock) übertragen, die vor allem im hohen Gras lauert. In Europa sind 15-35 % der Zecken mit dem Erreger befallen. Bei 2-6 % der Personen, die von einer Zecke gestochen wurden, tritt eine Borreliose auf [1].
Übertragungsweg und Inkubationszeit
- Die Übertragung erfolgt durch den Zeckenstich, wobei das Übertragungsrisiko mit der Dauer des Saugaktes steigt. Innerhalb der ersten 24 Stunden Haftzeit der Zecken ist das Übertragungsrisiko gering, steigt danach jedoch signifikant an.
- Die Inkubationszeit variiert je nach Stadium: Tage bis Wochen für Stadium I, Wochen bis Monate für Stadium II und Monate bis Jahre für Stadium III.
Symptome und Stadien
- Stadium I (Frühes Stadium): Erythema migrans (wandernde Rötung), grippeähnliche Symptome.
- Stadium II (Frühes disseminiertes Stadium): Neuroborreliose, Karditis, multiple Erythemata.
- Stadium III (Spätes Stadium): Lyme-Arthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans, chronische Neuroborreliose (Zustand, wenn Borrelien das Nervensystem befallen).
Erklärungen zu den Begrifflichkeiten s. u. "Symptome – Beschwerden".
Häufigkeitsgipfel
- Kinder zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr und ältere Personen zwischen 60 und 69 Jahren sind am häufigsten betroffen.
Prognose
Behandlung und Verlauf
- Die Krankheit ist bei rechtzeitigem Erkennen gut behandelbar.
- Unbehandelt können Spätfolgen wie Arthropathie (Gelenkerkrankung), Myokarditis (Herzmuskelentzündung) oder Neuropathie (Oberbegriff für Erkrankungen der peripheren Nerven) auftreten.
- Eine adäquate antibiotische Behandlung führt in ca. 95 % der Fälle zu einer Heilung der Neuroborreliose ohne Folgen.
- Die Erkrankung führt nicht zu einer Immunität, das heißt, man kann sich mehrfach infizieren.
Langzeitprognose
- Nach 10 oder mehr Jahren einer Borreliose-Infektion klagen einige Patienten über unspezifische Beschwerden, die mit einem "Post-Lyme-Syndrom" (PTLDS) in Verbindung gebracht werden. Deren Existenz wird jedoch von Infektiologen infrage gestellt [2].
- Eine bevölkerungsweite Kohortenstudie konnte keine negativen Auswirkungen auf Sozialleben und beruflichen Erfolg ermitteln [4].
- Die aktuelle S3-Leitlinie Neuroborreliose widerspricht der Theorie chronischer Spätfolgen.
Prävention und Meldepflicht
- Impfung: Eine Schutzimpfung gegen Borreliose steht bislang nicht zur Verfügung.
- In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) grundsätzlich nicht meldepflichtig. Auf der Basis von Länderverordnungen besteht in folgenden Bundesländern aber eine Meldepflicht: Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
Literatur
- Maiwald M, Öhme R, March O et al (1998) Transmission risk of Borrelia burgdorferi sensu lato from Ixodes ricinus ticks to humans in southwest Germany. Epidemiol Infect 121:103-108
- Weitzner E et al.: Long-term Assessment of Post-Treatment Symptoms in Patients With Culture-Confirmed Early Lyme Disease. Clin Infect Dis 2015; 61: 1800-1806
- Pritt BS et al.: Identification of a novel pathogenic Borrelia species causing Lyme borreliosis with unusually high spirochaetaemia: a descriptive study. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(15)00464-8
- Obel N et al.: Long term survival, health, social functioning, and education in patients with European Lyme neuroborreliosis: nationwide population based cohort study. BMJ 2018; 361 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k1998
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Kutane Lyme Borreliose. (AWMF-Registernummer: 013-044), Februar 2023 Langfassung
- S3-Leitlinie: Neuroborreliose. (AWMF-Registernummer: 030-071), April 2024 Langfassung