Blutvergiftung (Sepsis) – Folgeerkrankungen

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine Sepsis (Blutvergiftung) mit bedingt sein können:

Atmungssystem (J00-J99)

  • Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) – akutes progressives Lungenversagen
  • Arterielle bzw. venöse Thrombose, bei Patienten mit präoperativer Sepsis [2]
  • Arterielle Hypoxämie (herabgesetzter Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut)  –  paO2 < 75 mmHg unter Raumluft; paO2/FiO2 < 250 mmHg unter Sauerstoffapplikation

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Disseminierte intravasale Gerinnung; Disseminated Intravascular Coagulation (DIC-Syndrom, kurz: DIC; Verbrauchskoagulopathie) – akut auftretende Gerinnungsstörung, die durch eine überschießende Aktivierung der Gerinnung verursacht wird
  • Veränderung der Thrombozytenzahl (Blutplättchen) – < 100.000/μl oder Abfall > 30 %/24 h

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung) mit einem Base Excess < 5 mmol/l oder Lactat > 1,5 x oberhalb des Referenzbereichs

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Akute Rechtsherzversagen (RHV)
  • Apoplex (Schlaganfall) – bes. hohes Risiko in der ersten Woche nach Krankenhausentlassung [8]
  • Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
  • Herzkreislauferkrankungen (Koronare Herzkrankheit/Herzkranzgefäßerkrankung, Apoplex/Schlaganfall) – Risiko im ersten Jahr um das 6-Fache erhöht; im zweiten und dritten Jahr um den Faktor 2,47 und 2,12; ≥ 5 Jahre: 1,87-fach erhöht [5]
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt) – bes. hohes Risiko in der ersten Woche nach Krankenhausentlassung [8]
  • Vorhofflimmern (VHF) (eigenständige Komplikationsentität; VHF 8 % bei Sepsis, 10 % bei schwerer Sepsis und 23 % bei Patienten im septischen Schock) [6]

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Hepatopathie (Lebererkrankung)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Bewusstseinsstörungen – Verwirrtheit, Unruhe, Delir
  • Critical-Illness-Neuropathie (CIP) – Erkrankung des peripheren Nervensystems, die mit vielfältigen neurologischen Symptomen einhergeht; CIP tritt häufig im Zusammenhang mit schweren, intensivmedizinisch behandlungspflichtigen Erkrankungen auf; wesentliche Ursachen sind eine Sepsis, Multiorganversagen (MOV) und Langzeitbeatmungen
  • Epilepsie (Krampfanfälle) – Gefahr epileptischer Anfälle in den folgenden Jahren vier- bis fünffach erhöht, und auch dann, wenn während der Sepsis keine neurologischen Komplikationen aufgetreten sind [7]

Symptome und abnorme klinische und Laborparameter, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Kachexie (Auszehrung; sehr starke Abmagerung)
  • Septischer Schock; dieser liegt vor, wenn trotz adäquater Volumentherapie persistierende arterielle Hypotension (anhaltender Bluthochdruck) mit der Notwendigkeit einer Therapie mit Vasopressoren (Substanzen bezeichnet, welche dazu eingesetzt werden, den Blutdruck zu heben oder zu stützen), um einen mittleren arteriellen Blutdruck von ≥ 65 mmHg zu erreichen. Gleichzeitig muss der Lactatwert im Serum > 2 mmol/l betragen [Leitlinien: S3-Leitlinie]

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Nierenfunktionsstörungen:
    • Stundendiurese (Stundenausscheidung) von < 0,5 ml/kg KG/h für wenigstens 2 h bei ausreichender Volumengabe oder
    • Anstieg des Serumkreatinins > 2-mal oberhalb des Referenzbereichs → akutes Nierenversagen

Weiteres

  • Beeinträchtigung der Makro- als auch der Mikrozirkulation.
  • Hämodynamische ("den Blutfluss betreffend") Instabilität infolge der Sepsis wegen Vor- und Nachlastsenkung sowie der myokardialen Dysfunktion (Fehlfunktion des Herzmuskels)
  • Multiorganversagen (MODS, Multi organ dysfunction syndrome; MOF: Multi organ failure) – gleichzeitige oder sequentielle Versagen bzw. die schwere Funktionseinschränkung verschiedener lebenswichtiger Organsysteme des Körpers
  • Erhöhte Mortalität (Sterberate) – 2 Jahre weiterhin nach Sepsis erhöht; absolute Risikosteigerung um 22,1 % und eine relative um das 2,2-Fache; unabhängig von Ursprung der Sepsis, Geschlecht, Alter und Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) [4]
  • Binnen 6 Stunden Sanierung des Infektionsherdes senkt die 90-Tages-Mortalität von Sepsispatienten um knapp 30 %. Dieses gilt insbesondere, wenn es sich um einen gastrointestinalen (Magen-Darm-betreffend), abdominalen oder um einen Fokus im Weichteilgewebe handelt [9].

Prognosefaktoren

  • Die Einjahres-Mortalitätsrate (Sterberate) war bei adipösen Patienten um 41 % (bei extremen Adipösen um 54 %) niedriger als bei den Normalgewichtigen [1].
  • Diabetes mellitus Typ 1 + 2 – Typ-1-Diabetes um das Zehnfache, Typ-2-Diabetiker um das Zweifache erhöhte Mortalitätsrate (Sterberate) [3])

Literatur

  1. Prescott HC et al.: Critical Care Medicine: Obesity and 1-Year Outcomes in Older Americans With Severe Sepsis. August 2014 - Volume 42 - Issue 8 - p 1766-1774 doi: 10.1097/CCM.0000000000000336
  2. Donzé JD et al.: Impact of sepsis on risk of postoperative arterial and venous thromboses: large prospective cohort study. BMJ 2014; 349: g5334; doi: 10.1136/bmj.g5334
  3. Magliano DJ et al.: Excess Risk of Dying From Infectious Causes in Those With Type 1 and Type 2 Diabetes. Diabetes Care 2015; 38: 1274-1280
  4. Prescott HC et al.: Late mortality after sepsis: propensity matched cohort study. BMJ 2016; 353: i2375
  5. Bergh C et al.: Severe infections and subsequent delayed cardiovascular disease. European Journal of Preventive Cardiology 2017; 0(00) 1-9 v doi: 10.1177/2047487317724009
  6. Kuipers S, Klouwenberg PMCK, Cremer OL: ncidence, risk factors and outcomes of new-onset atrial fibrillation in patients with sepsis: a systematic review. Crit Care 2014 Dec 15;18(6):688. doi: 10.1186/s13054-014-0688-5.
  7. Reznik ME et al.: Long-term risk of seizures in adult survivors of sepsis. Neurology October 3, 2017 vol. 89 no. 14 1476-1482 doi: http:/​/​dx.​doi.​org/​10.​1212/​WNL.​0000000000004538
  8. Lai CC et al.: Susceptible period for cardiovascular complications in patients recovering from sepsis. CMAJ September 10, 2018 190 (36) E1062-E1069; doi: https://doi.org/10.1503/cmaj.171284
  9. Reitz KM et al.: Association Between Time to Source Control in Sepsis and 90-Day Mortality. JAMA Surg 2022; https://doi.org/10.1001/jamasurg.2022.2761

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge. (AWMF-Registernummer 079 - 001), Dezember 2018 Kurzfassung Langfassung