Bilharziose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Bilharziose (Schistosomiasis) wird durch fünf humanpathogene Trematodenarten verursacht: Schistosoma haematobium, Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum, Schistosoma intercalatum und Schistosoma mekongi. Diese parasitären Würmer gehören zur Klasse der Trematoden (Saugwürmer).
  • Genom: Schistosomen besitzen ein diploides Genom mit mehreren Chromosomenpaaren, das Gene für zahlreiche Enzyme und Proteine kodiert, die die Anpassung an den menschlichen Wirt und die Immunmodulation ermöglichen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz der Schistosomen wird durch ihre Fähigkeit bestimmt, die Hautbarriere zu durchdringen, sich im Blutkreislauf zu verbreiten und sich in Organen wie Leber, Darm und Blase anzusiedeln. Die von den Adultwürmern produzierten Eier sind hauptverantwortlich für die pathologischen Veränderungen und die klinischen Symptome.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Bilharziose ist endemisch in tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, Asiens und Südamerikas. Besonders betroffen sind Gebiete mit Süßwasserquellen wie Flüssen und Seen, die als Lebensraum für die spezifischen Zwischenschnecken dienen.
  • Hauptübertragungsweg: Die Infektion erfolgt perkutan (durch die Haut) beim Kontakt mit kontaminiertem Süßwasser, in dem sich Zerkarien (freischwimmende Larvenform) befinden.
  • Weitere Übertragungswege: Keine direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Die Übertragung erfolgt durch den Zyklus zwischen Mensch, Schnecken und kontaminierten Gewässern.
  • Virusreservoir: Das Reservoir für die Schistosomen sind spezifische Süßwasserschneckenarten, die als Zwischenwirte fungieren und in denen die Zerkarien gebildet werden.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da schon der Kontakt mit kontaminiertem Wasser ausreicht, um die Zerkarien in die Haut eindringen zu lassen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Zerkarien dringen aktiv durch die intakte Haut ein, vor allem bei Wasserkontakt (z. B. Baden oder Arbeiten in Süßwassergebieten).
  • Nebeneintrittspforten: Weitere Eintrittspforten spielen bei der Schistosomiasis keine wesentliche Rolle.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach dem Eindringen durch die Haut verlieren die Zerkarien ihren Gabelschwanz und entwickeln sich zu Schistosomulae (junge Larvenstadien).
    • Über die Blut- und Lymphbahnen gelangen die Schistosomulae in die Leber, wo sie sich innerhalb von Wochen zu adulten Würmern entwickeln.
  • Wanderung und Organinvasion:
    • Die adulten Würmer wandern retrograd (gegen den Blutstrom) in die Venen von Darm oder Blase (je nach Erregerart):
      • Schistosoma haematobium: Bevorzugt die Venen des Urogenitaltraktes (Blase).
      • Schistosoma mansoni, S. japonicum, S. intercalatum und S. mekongi: Wandern in die mesenterialen Venen (Venen des Darms).
  • Eiablage und Ausbreitung:
    • Die adulten Würmer legen täglich mehrere tausend Eier in die venösen Plexus von Darm oder Blase.
    • Diese Eier wandern aktiv durch die Gewebe und verursachen dabei eine ausgeprägte Entzündungsreaktion.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Am Infektionsort kommt es zur Aktivierung der angeborenen Immunantwort. Makrophagen (Fresszellen) und eosinophile Granulozyten (Form der weißen Blutkörperchen) wandern in großer Zahl ein, um die Parasiten zu bekämpfen.
    • Diese Immunzellen verursachen eine granulomatöse Reaktion um die im Gewebe eingeschlossenen Eier herum.
  • Systemische Immunantwort:
    • Es kommt zur Bildung spezifischer Antikörper gegen die Parasitenantigene, doch aufgrund der hohen Anpassungsfähigkeit der Schistosomen ist die Immunabwehr oft ineffektiv.
    • Die Immunantwort auf die im Gewebe eingeschlossenen Eier führt zu einer chronischen Entzündung und Fibrosierung (Narbenbildung) der betroffenen Organe.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Schistosomen produzieren Enzyme, die die Immunerkennung verhindern und die Immunzellen täuschen, wodurch die Würmer in den Blutgefäßen überleben können.
    • Sie besitzen zudem Oberflächenmoleküle, die den Wirtszellen ähneln, was eine Immunantwort des Körpers erschwert.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Abhängig von der Schistosomenart werden unterschiedliche Zielorgane bevorzugt:
    • S. haematobium: Harnwege und Blase
    • S. mansoni und S. japonicum: Leber und Darm
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die im Gewebe eingeschlossenen Eier verursachen eine chronische Entzündung, die zu Fibrosierung, Granulombildung und schließlich zu Organfunktionsstörungen führt.
    • Bei urogenitaler Bilharziose kann es zur Schädigung der Blasenwand und Harnleiter kommen, was das Risiko für Blasenkrebs erhöht.
    • Bei intestinaler Bilharziose führen die Schädigungen zu Pseudo-Polypen, Fibrosen und einer portalen Hypertension (erhöhter Blutdruck im Pfortaderkreislauf).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die Erkrankung verläuft in drei typischen Phasen:

      • Akute Phase (Katayama-Fieber): Diese Phase tritt wenige Wochen nach der Erstinfektion auf und ist durch Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Husten und Myalgien (Muskelschmerzen) gekennzeichnet.
      • Chronische Phase: Es entwickeln sich spezifische Symptome abhängig von der Lokalisation der Eier. Bei urogenitaler Bilharziose kommt es zu Hämaturie (Blut im Urin), Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen) und häufigem Harndrang. Bei intestinaler Bilharziose treten Bauchschmerzen, blutiger Durchfall und Tenesmen (schmerzhafter Stuhldrang) auf.
      • Spätphase: Langfristige Entzündungsreaktionen führen zu Fibrosen und Funktionsverlust der betroffenen Organe. Bei der urogenitalen Form kann es zu Blasenfibrosen und Hydronephrosen (Nierenstauung) kommen, bei der intestinalen Form zu portaler Hypertension und Leberzirrhose.
  • Komplikationen:
    • Schwere Leberfibrosen mit portaler Hypertension und Blutungen aus Ösophagusvarizen.
    • Obstruktionen der Harnwege mit nachfolgender Niereninsuffizienz.
    • Erhöhtes Risiko für Harnblasenkarzinome bei S. haematobium.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Leichte Verläufe sind oft asymptomatisch oder mit milden Beschwerden verbunden.
    • Schwere Verläufe sind durch ausgeprägte Organbeteiligung und irreversible Fibrosen geprägt, die zu schwerwiegenden Komplikationen führen können.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Immunstatus: Personen mit geschwächtem Immunsystem haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe.
    • Expositionsintensität: Häufiger und intensiver Kontakt mit kontaminiertem Wasser erhöht die Parasitendichte und damit das Risiko für schwere Organmanifestationen.
  • Erregerfaktoren: Unterschiedliche Stämme und Genotypen der Schistosomen können die Krankheitsausprägung beeinflussen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Bilharziose ist eine chronisch verlaufende Parasitenerkrankung, die durch Schistosomen hervorgerufen wird. Die Infektion erfolgt durch Hautkontakt mit kontaminiertem Wasser und führt je nach Erregertyp zu urogenitalen oder intestinalen Organmanifestationen. Die Eier des Parasiten verursachen chronische Entzündungen, die zu Fibrosen und Organversagen führen können. Präventive Maßnahmen wie Zugang zu sauberem Wasser, Aufklärung und medikamentöse Therapie sind essenziell, um die Verbreitung der Erkrankung einzudämmen und schwere Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Schistosoma [Schistosomiasis; Bilharziose]

  • Übertragung im Wasser perkutan (durch die Haut)