Amöbenruhr – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Entamoeba histolytica ist ein Protozoon (Einzeller) aus der Gattung Entamoeba, das sich als intrazellulärer Parasit im Dickdarm ansiedelt. Es existiert in zwei Formen: als Minutaform (nicht-invasiv) und als Magnaform (invasiv und pathogen).
  • Genom: Das Genom von Entamoeba histolytica kodiert verschiedene Enzyme und Proteine, die für die Invasion und das Überleben im Wirtsgewebe entscheidend sind, darunter Proteasen und Adhäsionsmoleküle.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Entamoeba histolytica beruht auf der Fähigkeit, die Epithelzellen der Darmmukosa (Darmschleimhaut) zu durchdringen, Gewebsnekrosen (Gewebetod) zu verursachen und über verschiedene Organe hinweg systemische Infektionen auszulösen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Die Amöbenruhr ist weltweit verbreitet, vor allem in tropischen und subtropischen Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen. Besonders betroffen sind Gebiete in Asien, Afrika und Südamerika.
  • Hauptübertragungsweg: Fäkal-orale Übertragung – Entamoeba histolytica wird über die orale Aufnahme von Zysten durch kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel übertragen.
  • Weitere Übertragungswege: Eine direkte Übertragung durch Schmierinfektion oder kontaminierte Hände ist möglich.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da bereits wenige Zysten ausreichen, um eine Infektion auszulösen. Die Zysten sind resistent gegenüber Magensäure und können auch außerhalb des Körpers monatelang überleben.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Hauptpforte sind die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts, insbesondere des Kolons (Dickdarms). Die Zysten überleben den sauren Magensaft und werden im Dünndarm zu Trophozoiten.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Übertragung über den Analkontakt ist möglich, insbesondere bei sexuellem Kontakt.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Die aufgenommenen Zysten wandern in den Dünndarm, wo sie sich in vierkernige Trophozoiten (Minutaform) umwandeln.
    • Die Minutaform verbleibt in der Regel harmlos im Dickdarm, wo sie sich durch einfache Zweiteilung vermehrt und sich als Zysten im Dickdarm ansiedelt.
  • Bildung pathogener Formen:
    • Unter bestimmten Bedingungen (wie Änderungen der Mikrobiota, immunologischem Stress oder Ernährungsmangel) wandelt sich die Minutaform in die invasivere Magnaform um.
    • Die Magnaformen können in die Darmmukosa eindringen und diese zerstören, was zu Ulzerationen (Geschwürbildung) führt.
  • Invasion und Gewebsschädigung:
    • Die invasiven Magnaformen durchdringen die Schleimhaut des Dickdarms und verursachen nekrotisierende Kolitis (Gewebsuntergang des Dickdarms) und ausgedehnte Gewebszerstörungen.
    • Sie nutzen Enzyme wie Zysteinproteinasen, um die Interzellularsubstanz zu zersetzen und die Epithelbarriere zu überwinden.
  • Systemische Ausbreitung:
    • In schweren Fällen dringen die Magnaformen in die Blutbahn ein und erreichen andere Organe wie die Leber, das Zwerchfell oder das Gehirn, wo sie Abszesse (Eiteransammlungen) verursachen können.
    • Die häufigste Komplikation ist ein Amöbenleberabszess, der durch die hämatogene (blutbedingte) Streuung der Amöben von der Darmschleimhaut in das Lebergewebe entsteht.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In der Darmmukosa kommt es zur Aktivierung der angeborenen Immunzellen wie Makrophagen (Fresszellen) und dendritischen Zellen, die versuchen, die Invasion der Magnaformen zu begrenzen.
    • Die entstehende Entzündungsreaktion führt zur Bildung von Geschwüren und zu einer erhöhten Schleimproduktion.
  • Systemische Immunantwort:
    • Es kommt zur Bildung von IgA- und IgG-Antikörpern gegen die Amöben, doch diese sind häufig nicht ausreichend, um die Infektion zu kontrollieren.
    • Die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen (entzündungsfördernde Botenstoffe) wie TNF-α verstärkt die Entzündung und trägt zu den Gewebeschäden bei.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Entamoeba histolytica kann verschiedene Enzyme wie Proteasen und Phospholipasen freisetzen, die die Abwehrreaktion der Wirtszellen hemmen.
    • Der Erreger nutzt verschiedene Oberflächenproteine zur Adhärenz (Anheftung) an die Darmepithelzellen und kann die Apoptose (programmierter Zelltod) der Immunzellen einleiten, was seine Persistenz erleichtert.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das bevorzugte Zielorgan ist der Dickdarm, insbesondere die Rektum- und Sigmoidregion. In schwereren Fällen kann die Leber betroffen sein.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • In der Darmmukosa entstehen durch die Gewebeinvasion schmerzhafte, tiefe Ulzera (Geschwüre).
    • In der Leber führt die Infektion zu Amöbenabszessen, die sich als große, eitrige Hohlräume präsentieren.
    • Im seltenen Fall einer Hirnbeteiligung können Enzephalitiden (Gehirnentzündungen) auftreten.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch.
    • Bei symptomatischen Verläufen tritt typischerweise die sogenannte Amöbenruhr auf:
      • Blutige, schleimige Durchfälle
      • Bauchschmerzen und Tenesmen (schmerzhafter Stuhldrang)
      • Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl
    • Bei systemischer Ausbreitung (z. B. Leberabszess):
      • Fieber, Oberbauchschmerzen und Hepatomegalie (Lebervergrößerung)
      • Ikterus (Gelbsucht) in schweren Fällen.
  • Komplikationen:
    • Amöbenabszesse in der Leber mit der Gefahr der Ruptur (Riss) und Sepsis (Blutvergiftung).
    • Bildung von Darmperforationen (Durchbrüche der Darmwand) mit nachfolgender Peritonitis (Bauchfellentzündung).
    • Chronische Kolitis (entzündliche Darmerkrankung) mit Narbenbildung und Stenosen (Verengungen).
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Leichte Verläufe: Asymptomatische Zystenträger ohne klinische Beschwerden.
    • Schwere Verläufe: Akute Amöbenruhr mit starkem Flüssigkeitsverlust und systemischen Komplikationen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Immunsuppression und Mangelernährung erhöhen das Risiko für schwere Infektionen.
    • Alter: Kinder und ältere Menschen sind besonders gefährdet.
  • Erregerfaktoren: Die Bildung von invasiven Magnaformen und die Produktion virulenter Enzyme verstärken die Pathogenität.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Amöbenruhr ist eine durch das Protozoon Entamoeba histolytica verursachte Infektion, die in milden Fällen zu asymptomatischer Besiedlung des Dickdarms führt, in schweren Fällen jedoch eine invasive Darmerkrankung mit blutigem Durchfall und systemischen Komplikationen auslösen kann. Die Pathogenese wird durch die Umwandlung der Minutaform in die invasive Magnaform bestimmt, welche tief in die Darmmukosa eindringt und nekrotisierende Entzündungen verursacht. Präventive Maßnahmen wie verbesserte Hygiene und Zugang zu sauberem Trinkwasser sind essenziell, um die Infektionsgefahr zu reduzieren.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Homosexuelle Männer

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Genuss von kontaminationsverdächtigen Getränken, aber auch Speisen, in Endemiegebieten