Wundstarrkrampf (Tetanus) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Clostridium tetani ist ein grampositives, obligat anaerobes (nur unter Sauerstoffausschluss lebendes) Bakterium, das Sporen bilden kann. Diese Sporen ermöglichen dem Bakterium, unter ungünstigen Bedingungen lange Zeit zu überleben.
- Genom: Das Genom von Clostridium tetani besteht aus einer einzelsträngigen DNA, die für mehrere Toxine kodiert, darunter das neurotoxische Tetanospasmin, welches die Hauptursache für die klinischen Symptome des Wundstarrkrampfs ist.
- Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Clostridium tetani beruht auf der Produktion von Tetanospasmin, einem starken Neurotoxin. Das Toxin blockiert gezielt hemmende Neurotransmitter und verursacht unkontrollierte Muskelkontraktionen und Spasmen (Krämpfe).
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Clostridium tetani ist weltweit verbreitet und kommt hauptsächlich in Böden, Staub und dem Darmtrakt von Tieren und Menschen vor. Die Sporen des Bakteriums sind in der Umwelt sehr stabil und können Jahre überleben.
- Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt durch direkte Kontamination von offenen Wunden, insbesondere durch tiefe Stich- oder Risswunden, Verbrennungen oder Verletzungen mit Fremdkörpern (z. B. Dornen oder Nägel).
- Weitere Übertragungswege: Jede Verletzung, die mit Erde, Staub oder tierischen Fäkalien in Kontakt kommt, kann eine Eintrittspforte für Clostridium tetani darstellen. Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht bei schlecht versorgten Wunden, chirurgischen Eingriffen unter nicht sterilen Bedingungen oder intravenösem Drogenkonsum.
- Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Das Bakterium selbst ist nicht direkt von Mensch zu Mensch übertragbar. Die Sporen benötigen zur Aktivierung anaerobe Bedingungen (Sauerstoffmangel), um zu Keimen und Tetanospasmin zu produzieren.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Die Hauptpforte für Clostridium tetani ist die Haut, wenn diese durch eine Wunde verletzt wurde. Besonders gefährlich sind tiefere Verletzungen, die ein anaerobes Milieu schaffen, wie bei Stich- oder Quetschwunden.
- Nebeneintrittspforten: Auch kleinere, unauffällige Wunden können Eintrittspforten sein, wenn sie verunreinigt werden und eine Sauerstoffverarmung aufweisen.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
- Nach dem Eindringen über eine kontaminierte Wunde keimen die Sporen von Clostridium tetani unter anaeroben Bedingungen aus.
- In der Wunde vermehrt sich das Bakterium und bildet das Neurotoxin Tetanospasmin.
- Toxinproduktion und Freisetzung:
- Das Tetanospasmin wird lokal von den Bakterien freigesetzt und diffundiert in die umliegenden Gewebe.
- Das Toxin gelangt über die peripheren Nervenfasern retrograd (entgegen der normalen Fließrichtung) in das zentrale Nervensystem (ZNS).
- Transport zum ZNS:
- Das Toxin wandert entlang der motorischen Nerven zum Rückenmark und zum Hirnstamm.
- Über die Nervenfasern gelangt es in die hemmenden Interneuronen (Nervenzellen, die andere Nervenzellen regulieren).
- Wirkung im Nervensystem:
- Tetanospasmin blockiert die Freisetzung von hemmenden Neurotransmittern wie Glycin und GABA (Gamma-Aminobuttersäure) an den Synapsen (Nervenendungen).
- Dadurch kommt es zu einer unkontrollierten Übererregung der Muskeln mit Spastik (anhaltende Muskelkontraktionen) und tonischen Krämpfen.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- In der Wunde wird das Immunsystem durch Makrophagen (Fresszellen) und neutrophile Granulozyten (Form der weißen Blutkörperchen) aktiviert.
- Es kommt zu einer Entzündungsreaktion, die das Wachstum der Bakterien hemmen soll, jedoch häufig nicht ausreicht, um die Toxinproduktion zu verhindern.
- Systemische Immunantwort:
- Das Tetanospasmin wird vom Immunsystem kaum erkannt, da es bereits in die Nervenzellen aufgenommen wurde.
- Die systemische Immunantwort spielt eine untergeordnete Rolle bei der Bekämpfung des Toxins.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Clostridium tetani ist in der Lage, in Sporenform extrem lange in der Umwelt zu überleben und resistent gegenüber Desinfektionsmitteln und Umwelteinflüssen zu bleiben.
- Das Tetanospasmin bindet irreversibel an die Nervenenden, sodass eine Bekämpfung durch das Immunsystem erschwert wird.
Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane: Das zentrale Nervensystem, insbesondere das Rückenmark und der Hirnstamm, sind die Hauptzielorgane des Toxins.
- Resultierende Gewebeschäden: Durch die Blockade der inhibitorischen Neurotransmitter kommt es zu unkontrollierten Muskelkontraktionen und tonischen Krämpfen. Die Muskeln sind permanent kontrahiert, was zu Rissen (Mikrotraumata) in den Muskelfasern und zu Muskelzerstörung führen kann.
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Frühsymptome: Kopfschmerzen, Unwohlsein, Muskelsteifigkeit in der Nähe der Wunde.
- Typische Symptome: Zunächst treten Muskelsteifheit und Krämpfe im Bereich des Kiefers (Trismus) und des Nackens auf. Dies führt zum charakteristischen „Risus sardonicus“ (grinsende Verzerrung des Gesichts).
- Schwere Symptome: Generalisierte tonisch-klonische Krämpfe, die den gesamten Körper betreffen, inklusive der Rückenmuskulatur (Opisthotonus). Die Patienten haben aufgrund der Muskelstarre eine erhöhte Atemnot, was zu Erstickungsanfällen führen kann.
- Komplikationen:
- Atemlähmung durch Krämpfe der Atemmuskulatur.
- Knochenbrüche durch starke Muskelkrämpfe.
- Vegetative Störungen wie Herzrhythmusstörungen oder Blutdruckschwankungen.
- Sekundäre Infektionen der Wunde.
- Verläufe und Schweregrade:
- Der Krankheitsverlauf hängt von der Toxinmenge, der Eintrittspforte und dem Immunstatus des Patienten ab.
- Milde Verlaufsformen betreffen nur die Gesichtsmuskulatur, während schwere Verlaufsformen generalisierte Krämpfe und vegetative Störungen verursachen.
Prognosefaktoren
- Wirtsfaktoren: Alter, Immunstatus und bestehende Wundinfektionen beeinflussen die Schwere der Erkrankung.
- Erregerfaktoren: Die Toxinproduktion und die anaeroben Bedingungen in der Wunde sind entscheidend für den Verlauf der Infektion.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Der Wundstarrkrampf (Tetanus) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die durch das Tetanospasmin von Clostridium tetani verursacht wird. Nach Eintritt über kontaminierte Wunden gelangt das Toxin ins zentrale Nervensystem und verursacht unkontrollierte Muskelkrämpfe. Die Prävention durch Impfung ist die effektivste Maßnahme, um eine Erkrankung zu verhindern. Eine schnelle Wundreinigung, die Gabe von Tetanus-Immunglobulin und eine frühzeitige supportive Therapie sind entscheidend, um Komplikationen zu minimieren und die Sterblichkeit zu senken.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Kontakt von Wunden mit verunreinigter Erde
- Nicht ausreichender Schutz durch Impfung
- Nicht hygienische Versorgung der Nabelschnur beim Neugeborenen
Krankheitsbedingte Ursachen
- Chronische Ulzerationen (Geschwüre) oder Abszesse
- Ein Zusammenhang der Entstehung eines Tetanus mit Verbrennungen oder Erfrierungen kann nicht ausgeschlossen werden