Windpocken (Varizellen) – Einleitung

Bei Varizellen – umgangssprachlich Windpocken genannt – handelt es sich um eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Diese Erkrankung zählt zu den klassischen Kinderkrankheiten, kann jedoch auch Erwachsene betreffen.

Synonyme und ICD-10: Chicken pox; Varicellae; Varicellen; Variola emphysematica [Varizellen]; Variola hybrida [Varizellen]; Variola illegitima [Varizellen]; Variola notha [Varizellen]; Variola spuria [Varizellen]; Varizellen (Windpocken); Windpocken; varicella; ICD-10-GM B01.-: Varizellen [Windpocken]

Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) gehört zur Familie der Herpesviridae, zur Unterfamilie Alphaherpesvirinae und zur Gattung Varicellovirus. Neben den Windpocken ist das Virus auch noch für die Gürtelrose (HZV; Herpes zoster) verantwortlich.

Charakteristische Laborbefunde

Die Diagnose der Varizellen kann durch klinische und labortechnische Untersuchungen unterstützt werden:

  • PCR-Nachweis: Direktnachweis von VZV-DNA aus Bläscheninhalt, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR).
  • Serologie: Nachweis von spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern gegen VZV, wobei der Nachweis von IgM-Antikörpern auf eine akute Infektion hinweist.
  • Tzank-Test: Zytologischer Test zum Nachweis von Riesenzellen aus Abstrichen der Hautläsionen, jedoch nicht spezifisch für VZV.
  • Blutbild: In schweren Fällen kann eine Leukozytose (erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen) oder eine Lymphopenie (verringerte Anzahl Lymphozyten) nachgewiesen werden.
  • Leberenzyme: Erhöhung der Leberenzyme (Transaminasen) bei hepatischer Beteiligung.

Formen der Erkrankung

Varizellen können in verschiedenen Formen auftreten:

  • Primäre Varizelleninfektion: Die klassische Form, die in der Regel bei Kindern auftritt und durch den typischen vesikulären ("bläschenartigen") Hautausschlag gekennzeichnet ist.
  • Zoster (Gürtelrose): Eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus im Erwachsenenalter, die typischerweise einseitig entlang eines Hautnerven (Dermatom) auftritt.
  • Kongenitale Varizelleninfektion: Tritt bei einer Infektion der Mutter während der Schwangerschaft auf und kann zu Fehlbildungen und anderen schweren Komplikationen beim Fetus führen.
  • Disseminierte Varizellen: Eine schwere, generalisierte Form, die vor allem bei immungeschwächten Personen auftritt und sich durch multiple Organbeteiligungen äußert.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel:
Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr auf. 90 % aller Erkrankungen finden vor dem 20. Lebensjahr statt.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Mehr als 95 % der Erwachsenen haben Antikörper gegen das Virus.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Varizellen sind in Ländern mit Impfprogrammen deutlich seltener geworden, aber in Ländern ohne Impfung nach wie vor häufig.

Saisonale Häufung:
Windpocken treten gehäuft im Winter und im Frühjahr auf.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Varizella-Zoster-Virus (VZV)

Erregerreservoir:
Der Mensch ist das einzige relevante Reservoir für das Varizella-Zoster-Virus.

Vorkommen:
Das Virus tritt weltweit auf und verursacht saisonale Häufungen.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung:
Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen) oder direkten Kontakt mit dem Bläscheninhalt und den Krusten. Eine aerogene Übertragung ist ebenfalls möglich.

Kontagiosität
(Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Die Ansteckungskraft des Virus ist extrem hoch, der Kontagiositätsindex liegt bei annähernd 1,0, was bedeutet, dass fast alle nicht-immunen Personen nach Kontakt infiziert werden.

Übertragungsweg:
Tröpfcheninfektion, aerogene Übertragung, direkter Kontakt mit virushaltigem Bläscheninhalt und Krusten.

Eintrittspforte:
Die Eintrittspforten des Virus sind die Schleimhäute der oberen Atemwege sowie die Bindehaut des Auges.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 8-28 Tage, typischerweise 14-16 Tage.

Krankheitsdauer:
Die Krankheit dauert etwa 3-5 Tage bei einem unkomplizierten Verlauf.

Dauer der Infektiosität:
Personen sind ansteckend ein bis zwei Tage vor Auftreten des Exanthems und etwa eine Woche nach Auftreten der letzten Hauterscheinungen.

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): In Deutschland beträgt die Seroprävalenz für das Varizella-Zoster-Virus mindestens 96-97 % der erwachsenen Bevölkerung [1].

Erregerspezifische Immunität:
Nach einer durchgemachten Infektion besteht in der Regel lebenslange Immunität gegen Varizellen. Allerdings bleibt das Virus latent im Körper und kann später im Leben als Herpes zoster (Gürtelrose) reaktiviert werden.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Varizellen beginnen nach einer Inkubationszeit von 8-28 Tagen, typischerweise 14-16 Tagen.
  • Vor dem Auftreten des charakteristischen Hautausschlags können unspezifische Symptome wie leichtes Fieber, Unwohlsein und Kopfschmerzen auftreten.
  • Der Hautausschlag beginnt als rote Flecken, die sich schnell zu Bläschen entwickeln, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind. Diese Bläschen brechen auf und verkrusten schließlich.
  • Der Ausschlag tritt meist zuerst im Gesicht, auf der Kopfhaut und am Rumpf auf und breitet sich dann auf Arme und Beine aus.
  • Bei immunkompetenten Personen verläuft die Erkrankung in der Regel unkompliziert und die Krankheitsdauer beträgt etwa 3-5 Tage.
  • Die Infektiosität besteht etwa ein bis zwei Tage vor dem Auftreten des Ausschlags und endet etwa eine Woche nach Auftreten der letzten Hauterscheinungen.

Prognose

  • Bei gesunden Kindern und Erwachsenen mit funktionierendem Immunsystem verläuft die Erkrankung meistens komplikationslos.
  • Schwere Verläufe können bei Patienten mit atopischem Ekzem (Neurodermitis), T-Zelldefekten (T-Zellen gehören zu den wichtigsten Zellgruppen der zellulären Immunabwehr) sowie bei Schwangeren auftreten.
  • Varizellen können in den ersten beiden Trimestern der Schwangerschaft mit einem Risiko von ca. 1-2 % zum fetalen Varizellensyndrom (FVS) führen.
  • Bei Risikopatienten verbessert eine frühzeitige antivirale Therapie die Prognose erheblich.
  • Generell muss bei einer Infektion im Erwachsenenalter mit Komplikationen wie Pneumonie (Lungenentzündung), Hepatitis (Leberentzündung) oder Meningoenzephalitis (kombinierte Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute) gerechnet werden.

Impfung: Eine Schutzimpfung gegen Varizellen ist verfügbar.

In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen.

Literatur

  1. Wutzler P, Färber I, Wagenpfeil S et al.: Seroprevalence of varicella-zoster virus in the German population. Vaccine 2001; 20:121-124

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung