Windpocken-Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Unter einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) versteht man die Gabe von Impfstoffen, Immunglobulinen oder antiviralen Medikamenten, um bei nicht-immunen Personen nach Kontakt mit Varizellen-Viren (Windpocken) eine Erkrankung zu verhindern oder abzuschwächen.

Die Maßnahme zielt auf den Schutz besonders gefährdeter Personen sowie die Unterbrechung möglicher Infektionsketten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

1. Ungeimpfte Personen mit negativer Varizellen-Anamnese nach Exposition:

  • Personen ohne dokumentierte Impfung oder durchgemachte Varizellen
  • Kontakt zu Risikopersonen (z. B. immunsupprimierte Patienten, Schwangere)

2. Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe:

  • Schwangere ohne dokumentierte Varizellen-Immunität
  • Immunsupprimierte Patienten mit unklarem oder fehlendem Antikörperschutz
  • Neugeborene, deren Mütter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung erkrankten
  • Frühgeborene ab 28. SSW, wenn die Mutter keine Immunität besitzt
  • Frühgeborene < 28. SSW, unabhängig vom Immunstatus der Mutter

Beachte: Die Immunitätslage kann durch IgG-Serologie gegen Varizella-Zoster-Virus (VZV-IgG) innerhalb von 48 Stunden abgeklärt werden.

Durchführung

A. Bei ungeimpften Personen mit negativer Varizellen-Anamnese:

  • Postexpositionelle Impfung mit Varizellen-Lebendimpfstoff
    • Innerhalb von 5 Tagen nach Exposition oder innerhalb von 3 Tagen nach Exanthembeginn des Indexfalls
    • Ziel: Verhinderung oder Milderung der Erkrankung
    • Unabhängig davon: Kontaktvermeidung zu Risikopersonen bis zum 21. Tag nach Exposition

B. Bei Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko:

  • Passive Immunisierung mit Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG):
    • Möglichst innerhalb von 3 Tagen, spätestens bis zum 10. Tag nach Exposition
    • Dosierung laut Fachinformation des jeweiligen Präparats (z. B. 125 IE pro 10 kg Körpergewicht, max. 625 IE)
    • Applikation i. m. oder i. v. abhängig vom Präparat
  • Antivirale Chemoprophylaxe (z. B. Aciclovir):
    • Bei Kontraindikation oder Nichtverfügbarkeit von VZIG
    • Therapiebeginn ab Tag 7 bis Tag 10 nach Exposition, Dauer: 7 Tage
    • Insbesondere bei Risikopersonen, wenn Impfung oder Immunglobulin nicht rechtzeitig erfolgen konnte

Definition „Exposition“

Eine Exposition mit hoher Infektionswahrscheinlichkeit liegt vor bei:

  • Aufenthalt ≥ 1 Stunde im selben Raum mit einer infektiösen Person (z. B. Wartezimmer, Klassenzimmer)
  • Face-to-face-Kontakt oder direkter Gesprächskontakt
  • Haushaltskontakt
  • Pflege- und Betreuungssituationen im medizinischen Bereich oder in Gemeinschaftseinrichtungen
  • Kontakt zu infektiösem Material (z. B. Wundsekret bei Herpes zoster mit generalisiertem Hautbefall)

Die Infektiosität beginnt 1-2 Tage vor Auftreten des Exanthems und endet ca. 5-7 Tage nach Auftreten der letzten neuen Effloreszenzen (Bläschen).

Literatur

  1. Robert Koch-Institut (RKI): Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin. 4/2024