Tuberkulose-Impfung (BCG-Impfung)

Für die Tuberkulose-Impfung steht weltweit ein attenuierter Lebendimpfstoff auf Basis von Mycobacterium bovis Bacillus Calmette-Guérin (BCG, abgeschwächter Tuberkulose-Erreger) zur Verfügung. Der Impfstoff bietet bei Kindern einen wirksamen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen wie Miliartuberkulose (Tuberkulose mit Ausbreitung über das Blut) oder tuberkulöser Meningitis (Hirnhautentzündung durch Tuberkulose). Die Schutzwirkung gegen pulmonale Tuberkulose (Lungentuberkulose) im Erwachsenenalter ist regional unterschiedlich und liegt zwischen 0-80 %.

In Deutschland wird die BCG-Impfung derzeit nicht mehr routinemäßig empfohlen. Die Ständige Impfkommission (STIKO, Expertengremium für Impfempfehlungen) hat die allgemeine Impfempfehlung 1998 aufgrund der niedrigen Tuberkuloseinzidenz, der begrenzten Wirksamkeit bei Erwachsenen und des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses ausgesetzt.

Die WHO empfiehlt weiterhin die BCG-Impfung in Ländern mit hoher Tuberkuloseinzidenz. Eine neue Generation rekombinanter Impfstoffe (z. B. M72/AS01E, gentechnologisch hergestellter Impfstoff) befindet sich in der klinischen Prüfung, mit vielversprechenden Ergebnissen.

Empfehlungen der STIKO zur Tuberkulose-Impfung

Die STIKO empfiehlt derzeit keine BCG-Impfung für die Allgemeinbevölkerung. In Einzelfällen kann eine Impfung im Off-Label-Use (nicht zugelassene Anwendung) nach individueller Risikoabwägung erfolgen, z. B. bei

  • hohem Risiko für schwere Verläufe (z. B. bei Reisen in Hochendemiegebiete mit engem, langfristigem Kontakt zur Bevölkerung),
  • medizinischem Personal mit exponierenden Tätigkeiten in Hochrisikogebieten (z. B. Tuberkulosekliniken in Afrika oder Asien).

Indikationen

I: Indikationsimpfungen in Hochinzidenzländern (gemäß WHO)

  • Neugeborene in Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz
  • Kinder unter 5 Jahren mit hohem Expositionsrisiko

B: Berufliche Indikation (Off-Label in Deutschland, nach individueller Risikobewertung)

  • Beschäftigte in Tuberkuloseforschungseinrichtungen
  • Gesundheitspersonal mit Exposition in Hochendemiegebieten

R: Reiseimpfung (nur bei längerem Aufenthalt mit hoher Exposition in Endemiegebieten und mangelhafter medizinischer Versorgung)

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen

  • Angeborene oder erworbene Immundefekte (z. B. HIV-Infektion mit CD4 < 200/µl, schwere Abwehrschwäche)
  • Schwangerschaft
  • Schwere akute Erkrankungen mit Fieber ≥ 38,5 °C
  • Therapie mit Immunsuppressiva (z. B. Anti-TNF, Chemotherapie zur Unterdrückung des Immunsystems)

Relative Kontraindikationen

  • Hauterkrankungen am Injektionsort
  • Frühgeburtlichkeit < 34. Schwangerschaftswoche

Durchführung

  • Applikation: Intradermale Injektion (Einspritzung in die obere Hautschicht) von 0,05 ml (bei Säuglingen) bis 0,1 ml (bei Kindern ≥ 12 Monate und Erwachsenen) in den linken Deltoidbereich
  • Impfreaktion: Lokalreaktion mit Ulzeration (offene Stelle) nach 2-4 Wochen, anschließende Narbenbildung
  • Zeitabstand zu anderen Impfstoffen:
    • Mindestens 4 Wochen zu anderen Lebendimpfstoffen
    • Kein Abstand erforderlich zu Totimpfstoffen

Wirksamkeit

  • Schutz vor Miliartuberkulose und tuberkulöser Meningitis bei Kindern: > 70 %
  • Schutz vor pulmonaler Tuberkulose bei Erwachsenen: 0-80 % (abhängig von Region, Alter und Exposition)
  • Beginn der Schutzwirkung: 6-8 Wochen nach Impfung
  • Dauer der Schutzwirkung: Mindestens 10-15 Jahre, teils länger

Nebenwirkungen/Impfreaktionen

  • Lokale Impfreaktion – Rötung, Papelbildung, Ulzeration und Narbenbildung (erwarteter Verlauf)
  • Regionäre Lymphadenopathie – v. a. axillär oder supraklavikulär, meist selbstlimitierend
  • Impfkomplikationen – selten bei immungeschwächten Personen: BCGitis (Impfstoff-Infektion), disseminierte BCG-Infektion (Ausbreitung im Körper)

Impfung in der Schwangerschaft

Die BCG-Impfung ist in der Schwangerschaft kontraindiziert, da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt. Schwangere mit hohem Expositionsrisiko sollten durch andere präventive Maßnahmen (z. B. Screening, postexpositionelle Chemoprophylaxe, vorbeugende Medikamentengabe nach Kontakt) geschützt werden.

Impfstatus – Kontrolle von Impftitern

Die Immunitätslage nach BCG-Impfung wird nicht durch Antikörper, sondern zellvermittelt beurteilt. Eine Labordiagnostik des Impferfolgs ist daher nur im Forschungssetting möglich (z. B. IFN-γ-Elispot, spezieller Bluttest zur Messung der T-Zell-Antwort).

Impfung Laborparameter Wert Bewertung
Tuberkulose Quantiferon-TB-Gold negativ Kein Nachweis zellulärer Immunität
  Tuberkulin-Hauttest positiv Hinweis auf Immunreaktion (nicht spezifisch für BCG)

Postexpositionsprophylaxe

Die BCG-Impfung ist nicht für die Postexpositionsprophylaxe geeignet. Hier kommen ausschließlich medikamentöse Verfahren (z. B. Isoniazid-Monotherapie oder Kombinationstherapien) nach RKI-Empfehlung zur Anwendung.

Weitere Hinweise

  • Der Tuberkulin-Hauttest kann durch die BCG-Impfung falsch-positiv beeinflusst werden.
  • Der Interferon-γ-Test (Quantiferon, T-SPOT.TB, Bluttest zur Diagnostik einer Tuberkuloseinfektion) wird durch die Impfung in der Regel nicht beeinflusst und sollte zur Infektionsdiagnostik bevorzugt werden.
  • Es besteht kein Schutz gegen andere Mykobakterien wie M. leprae (Erreger der Lepra).

Literatur

  1. Mangtani P et al.: Protection by BCG vaccine against tuberculosis: a systematic review of randomized controlled trials. Clin Infect Dis. 2014;58(4):470-480. https://doi.org/10.1093/cid/cit790
  2. World Health Organization. BCG vaccines: WHO position paper – February 2018. Weekly Epidemiological Record. 2018;93(8):73-96. https://apps.who.int/iris/handle/10665/260306
  3. Tait DR et al.: Final analysis of a trial of M72/AS01E vaccine to prevent tuberculosis. N Engl J Med. 2019;381(25):2429-2439. https://doi.org/10.1056/NEJMoa1909953