Bakterielle Hirnhautentzündung (bakterielle Meningitis) – Einleitung

Die bakterielle Meningitis ist eine durch Bakterien verursachte Form der Hirnhautentzündung (Meningitis). Diese Erkrankung kann in kurzer Zeit zu einem schweren Krankheitsverlauf führen. Da meist auch der äußere Anteil des Gehirns betroffen ist, müsste die korrekte Bezeichnung eigentlich Meningoenzephalitis (kombinierte Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute) lauten. Die bakterielle Meningitis ist ein absoluter medizinischer Notfall und muss sofort im Krankenhaus behandelt werden.

Synonyme und ICD-10: bakterielle Leptomeningitis; bakterielle Meningitis; Meningeninfektion; ICD-10-GM G00.-: bakterielle Meningitis, anderenorts nicht klassifiziert

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Anzahl von Leukozyten (weiße Blutkörperchen) im Liquor
  • Erhöhte Eiweißkonzentration im Liquor
  • Erniedrigter Glukosespiegel im Liquor
  • Nachweis von Bakterien im Liquor mittels Gram-Färbung oder Kultur

Formen der bakteriellen Meningitis

Die bakterielle Meningitis kann nach dem Erreger und der Herkunft der Infektion eingeteilt werden:

  • Ambulant erworbene bakterielle Meningitis
    • Säuglinge < 1 Monat: Escherichia coli, Gruppe B-Streptokokken, Listerien
    • Kleinkinder: Haemophilus influenzae (bei fehlendem Impfschutz), Meningokokken, Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae)
    • Erwachsene: Pneumokokken (ca. 50 %), Meningokokken (Neisseria meningitidis) (ca. 30 %), Listerien (besonders bei älteren Menschen oder Immunschwäche), Mycobacterium tuberculosis (bei HIV-Patienten)
  • Nosokomial (im Krankenhaus erworbene bakterielle Meningitis)
    • Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken
  • Patienten mit Immunsuppression
    • Listeria monocytogenes, Cryptococcus neoformans, Mycobacterium tuberculosis (tuberkulöse Meningitis)
  • Häufigste Erreger bei Erwachsenen
    • Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis
    • Listeria monocytogenes (< 5 % der Fälle)
    • Staphylokokken (1-9 % der Fälle)
    • Gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa (< 10 % der Fälle)
    • Haemophilus influenzae (1-3 %)
  • Häufigste Erreger bei Kindern
    • Pneumokokken und Meningokokken
  • Häufigste Erreger bei Neugeborenen
    • Streptococcus agalactiae (Gruppe-B-Streptokokken) und Listeria monocytogenes

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Bis zu 80 % der Fälle betreffen Personen unter 20 Jahren.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Ca. 1-10 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Infektionsepidemiologie 

Erreger

  • Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken): Häufigster Erreger bei Erwachsenen und älteren Kindern.
  • Neisseria meningitidis (Meningokokken): Häufigster Erreger bei Kindern und Jugendlichen.
  • Haemophilus influenzae Typ b: Vor Einführung der Impfung einer der häufigsten Erreger bei Kleinkindern, heute in vielen Ländern durch Impfprogramme stark zurückgedrängt.
  • Listeria monocytogenes: Wichtiger Erreger bei Neugeborenen, älteren Menschen und immungeschwächten Patienten.
  • Escherichia coli und andere gramnegative Bakterien: Besonders relevant bei Neugeborenen und immungeschwächten Personen.

Erregerreservoir: Mensch: Die genannten Bakterien sind häufig im Nasen-Rachen-Raum von gesunden Trägern vorhanden (besonders Meningokokken und Pneumokokken). Diese Träger können die Bakterien auf andere Personen übertragen, ohne selbst erkrankt zu sein.

Vorkommen: Weltweit, mit variierenden Inzidenzen je nach geografischer Region, Alter und Impfstatus der Bevölkerung. In den Entwicklungsländern ist die Inzidenz höher als in den industrialisierten Ländern.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Tröpfcheninfektion: Übertragung erfolgt in der Regel durch direkten Kontakt mit respiratorischen Sekreten eines infizierten oder asymptomatischen Trägers (z. B. durch Husten, Niesen oder engen Kontakt).

Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers)

  • Hoch bei Meningokokken-Meningitis, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Militärkasernen.
  • Pneumokokken-Meningitis ist weniger ansteckend, die Übertragung erfordert engeren und längeren Kontakt.

Übertragungsweg: Primär über die Atemwege durch Tröpfcheninfektion. Die Bakterien dringen durch die Nasen-Rachen-Schleimhaut in den Blutkreislauf ein und erreichen über die Blut-Hirn-Schranke die Meningen (Hirnhäute).

Eintrittspforte: Nasen-Rachen-Raum: Die Bakterien besiedeln zunächst den Nasen-Rachen-Raum und können dann bei entsprechender Disposition oder Immunsuppression in den Blutkreislauf und schließlich in das zentrale Nervensystem eindringen.

Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): In der Regel zwischen 2 und 10 Tagen, abhängig vom Erreger. Bei Meningokokken beträgt die Inkubationszeit typischerweise 3 bis 4 Tage.

Krankheitsdauer

  • Akuter Verlauf: Meist 7 bis 14 Tage, abhängig von der schnellen und adäquaten antibiotischen Therapie.
  • Komplikationen können zu einer Verlängerung der Krankheitsdauer führen.

Dauer der Infektiosität

  • Meningokokken: Patienten sind so lange ansteckend, wie die Bakterien in den Nasen-Rachen-Raum ausgeschieden werden, was ohne Behandlung mehrere Tage sein kann. Nach Beginn einer adäquaten Antibiotikatherapie sind Patienten in der Regel innerhalb von 24 Stunden nicht mehr ansteckend.
  • Pneumokokken: Patienten können bis zu mehreren Wochen ansteckend sein, insbesondere wenn sie nicht behandelt werden.

Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Die Seroprävalenz variiert je nach Erreger und geographischer Region. Bei Meningokokken gibt es mehrere Serogruppen (A, B, C, W, Y), deren Verteilung je nach Region unterschiedlich ist.

Erregerspezifische Immunität: Immunität kann durch natürliche Infektion oder Impfung erworben werden. Gegen Pneumokokken und Meningokokken sind Impfstoffe verfügbar, die gegen die häufigsten Serotypen schützen. Die Impfung ist ein wichtiger Bestandteil der Prävention, insbesondere bei Risikogruppen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Frühe Symptome: Oft unspezifisch, ähneln einer Grippe oder eines grippalen Infekts: Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit (Meningismus), Lichtempfindlichkeit (Photophobie) und Übelkeit.
  • Fortgeschrittene Symptome: Rasch entwickelnde neurologische Symptome, einschließlich Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle und fokal-neurologische Ausfälle.
  • Schwerer Verlauf: Kann zu einem septischen Schock, Multiorganversagen und Tod führen.
  • Notfall: Bakterielle Meningitis ist ein lebensbedrohlicher septischer Notfall, dessen Prognose sich nur durch raschen Beginn der adäquaten Therapie in der Akutphase beeinflussen lässt.

Prognose

  • Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten)
    • Meningokokken-Erkrankungen: ca. 10 %
    • Pneumokokken-Meningitis: ca. 15-20 %
    • Listerien-Meningitis: bis 50 %
    • Durchschnittliche Letalität anderer Formen: 10-30 %
    • Tuberkulöse Meningitis: ca. 25 % bei HIV-negativen Patienten, 67 % bei HIV-Koinfektion
  • Langzeitfolgen: Bei etwa 25 % der Patienten bleiben Folgeschäden zurück, einschließlich Hörverlust, neurologische Defizite und kognitive Beeinträchtigungen.
  • Prognose verbessern: Die Prognose verbessert sich deutlich durch eine frühzeitige Diagnosestellung und den raschen Beginn einer spezifischen Antibiotikatherapie.

Impfung

  • Haemophilus influenzae Typ b (Hib): Empfohlen für Säuglinge (ab dem 2. Lebensmonat) und Kleinkinder.
  • Meningokokken (Serogruppen A, B, C): Schutzimpfung verfügbar.
  • Pneumokokken: Empfohlen für alle Kinder (ab dem 2. Lebensmonat) und Menschen über 60 Jahre.

In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei Labornachweis in Blut/Liquor namentlich zu erfolgen. Bei einer Meningokokken-Infektion hat die Meldung namentlich bei Verdacht, Erkrankung und Tod und bei Labornachweis von Haemophilus influenzae zu erfolgen.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter, ambulant erworbene bakterielle (eitrige). (AWMF-Registernummer: 030-089), Dezember 2015 Langfassung